Aston Martin DB4
Das ewige Vorbild
Mit den Modellen DB2 und DB2/4 hatte sich Aston Martin einen guten Ruf geschaffen. Es war Ende der 50er Jahre dann aber an der Zeit für das kleine, aber feine Unternehmen des Traktoren-Produzenten David Brown, einen Schritt weiter zu gehen. Denn es gab unterdessen schon einige Hersteller, die mit GranTurismo-Fahrzeugen Erfolg hatten, Ferrari, Jaguar, aber auch aus Deutschland wurden die reichen Kunden etwa mit einem Mercedes 300 SL oder, viel seltener, einem BMW 507 bestens bedient. Und auch in den USA, dem schon damals wichtigsten Markt für Aston Martin, gab es unterdessen einige ganz ernsthafte Sportwagen, allen voran die Corvette.
Der noch vor dem 2. Weltkrieg vom legendären W.O. Bentley konstruierte 2,6-Liter-Reihen-Sechszylinder des DB2 (der im DB2/4 dann schon auf 2,9 Liter Hubraum aufgebohrt worden war) bedurfte allerdings dringend einer Auffrischung. Von aussen sah das neue Aggregat praktisch gleich aus wie die Bentley-Konstruktion, doch der gebürtige Pole Tadek Marek hatte eine komplett neue Maschine gezeichnet, wieder einen Reihen-Sechszylinder, doch mit 3,7 Liter Hubraum (3670 ccm, um genau zu sein) und zwei obenliegenden Nockenwellen, ganz aus Alu. Der Motor leistete in der ursprünglichen mit SU-Doppelvergasern (HD8) ausgerüsteten Version 240 PS bei 5500/min – das war doch ein entscheidender Fortschritt gegenüber den 2,9-Liter, der in seiner stärksten Strassen-Variante (bekannt als DBB) auf 195 PS gekommen war. Doch das Marek-Konstrukt hatte einen kleinen Nachteil: es neigte zum Überhitzen.
Der Aston Martin DB4 wurde 1958 auf der Pariser – und nicht, wie oft geschrieben, der Londoner – Motor Show vorgestellt. Doch weder der neue Marek-Motor noch die vier Dunlop-Scheibenbremsen (die später durch Girling-Scheiben ersetzt wurden) waren der Höhepunkt des neuen Modells, sondern das Design. Entstanden war es bei Carrozzeria Touring in Mailand; eine erste Zusammenarbeit zwischen Touring und Aston Martin hatte es ja bereits beim DB2/4 gegeben, damals war drei aussergewöhnliche Spyder gebaut worden. Doch was die Italiener mit dem DB4 schufen, das wurde ein Meisterwerk für die Ewigkeit. Aufgebaut auf einem Rohrrahmen, der typisch war für Touring und bekannt als «Superleggera»-Bauweise, bekleidet mit einer Alu-Haut, war der DB4 sowohl italienisch-elegant als auch englisch-sportlich – ein grossartiger GranTurismo. Die DB4 wurden aber nicht wie sonst üblich bei Touring-Konstruktionen in Mailand gebaut, sondern bei Aston Martin in Newport-Pagnell: David Brown musste Lizenz-Gebühren nach Italien überweisen. Das Chassis war eine Eigenkonstruktion der Engländer, für die Harold Beech verantwortlich gezeichnet hatte.
Gebaut wurde der DB4 zwischen 1958 und 1963, es entstanden insgesamt 1110 Exemplare, davon 70 Cabrios. Letztere gab es erst ab 1962, und das Design dafür entstand nicht in Mailand, sondern bei Aston Martin selber. Die Kenner und Liebhaber des DB4 unterscheiden fünf verschiedene Serien, die sich nur durch Kleinigkeiten unterschieden, etwa neuen Fensterrahmen beim Series II (die Series I haben keine Fensterrahmen), einem geänderten Frontgrill beim Series IV oder der verlängerten sowie erhöhten Karosse beim Series V; diese Änderungen wurden dann auch für den DB5 übernommen. Das Problem des überhitzenden Motors ging Aston Martin ab Series II mit einem vergrösserten Ölkreislauf an, doch das brachte nicht viel; einen Ölkühler gab es nur gegen Aufpreis. Erst ab Series IV war er dann Standard.
Der DB4, 4,5 Meter lang, 1,68 Meter breit, 1,33 Meter hoch, war mit seinen 240 PS und einem Leergewicht von 1250 Kilo auf dem Papier zwar für die damalige Zeit richtig gut motorisiert, doch seine Fahrleistungen war nicht aussergewöhnlich gut. «The Motor» schaffte 1960 zwar eine beachtliche Höchstgeschwindigkeit von 224 km/h, doch für den Sprint von 0 auf 60 Meilen (96 km/h) brauchte der Engländer 9,3 Sekunden; geschaltet wurde dabei über das hauseigene 4-Gang-Getriebe. Da lag noch etwas drin, und schon 1959 brachte Aston die GT-Version, mit 302 PS. Es gab diesen Motor mit den 3670 ccm Hubraum, aber auch mit 3750 ccm; neu war eine Doppelzündung, die drei Weber-Doppelvergaser (45 DCOE), eine auf 9,0:1 erhöhte Verdichtung. Der GT war dann fast 250 km/h schnell – und schaffte den Paradesprint in nur knapp über 6 Sekunden. Der Radstand wurde verkürzt, die meisten GT hatten hinten keine Sitze – und wurden für den Renneinsatz präpariert. (Davon wird Aston leider, leider 25 Stück als «Continuation Cars» bauen, siehe: hier.)
Doch auch diese GT waren chancenlos gegen den gerade eingeführten Ferrari 250 GT, also musste noch etwas her – und so entstand ab 1960 der Aston Martin DB4 GT Zagato. Doch das ist eine Geschichte, die wir hier schon einmal erzählt hatten, nachzulesen: hier. Noch eine ganz spezielle Variante entstand auf Basis des DB4: der viertürige Lagonda Rapide. Doch diese Wagen wurden nur auf Bestellung gebaut und blieben entsprechend selten. Als der Rapide 1964 auslief, liess Aston Martin die Marke Lagonda sanft entschlafen, vorerst zumindest. (Unten: es soll dies ein echter GT sein.)
Und um die Verwirrung komplett zu machen: es gab dann auch noch den DB4 Vantage. Offiziell gibt es 14 Vantage – ein Name, der später bei Aston Martin noch grosse Berühmtheit erhalten sollte -, doch das kann eigentlich gar nicht sein, denn der Vantage wurde erst ab Series IV eingeführt, und drei Vantage wollen schon der Series III angehören. Dafür gibt es auch noch ein Convertible mit den Vantage-Spezifikationen, die in erster Linie daraus bestanden, dass für einen Aufpreis von 350 Pfund (rund 10 Prozent des Neuwagen-Preises) der GT-Motor eingebaut wurde. (Es ist dies unten kein Vantage, sondern einfach ein schön gemachter «daily driver».)
Das Fahrvergnügen in einem DB4 ist grossartig. Auch wenn es heute leider kaum mehr ganz originale Exemplare gibt (sehr viele DB4 wurden auf GT- oder Vantage-Spezifikationen umgebaut), so hatten wir doch auch schon das Vergnügen mit der ursprünglichen 240-PS-Version (mit einem nicht originalen, aber halt sehr wirkungsvollen zusätzlichen Ölkühler). Der Sound ist ein Gedicht, ein wohliges Brummeln bei tiefen Drehzahlen, «beautiful noise», wenn man dann höher dreht – diese Reihen-Sechszylinder sind wirklich eine Spezies für sich. Das Drehmoment ist anständig, doch gegen oben passiert dann nicht mehr viel. Und so richtig grob darf man den Engländer auch nicht in die Kurve hauen, die dünnen Gummis sind dafür nicht geschaffen. Aber dem gepflegtem Cruisen, wie sich das für einen englischen Gentleman gehört und das alles andere als langsam sein muss, ist der DB4 nicht abgeneigt. Seine Domäne ist die Landstrasse, enge Kurven mag er nicht besonders (die Lenkung ist für heutige Verhältnisse auch sehr schwergängig), auch ist das originale 4-Gang-Getriebe nicht gerade das, was man knackig nennen würde.
Aber er ist halt: wunderschön. Auch innen. Die Sitze bieten kaum Seitenhalt, doch das nicht so wichtig, man fühlt sich trotzdem wohl, und der Fahrer kann sich ja am riesigen Lenkrad festhalten. Festhalten muss man sich allerdings auch bei den Preisen, die für diese DB4 unterdessen bezahlt werden müssen: unter 400’000 Franken geht nichts mehr, für schöne Exemplare. Und die GT werden zu siebenstelligen Beträgen gehandelt, mit einer 2 vorne.
Und übrigens: nein, ein DB4 hat nie in einem James-Bond-Film mitgespielt. Das war dann der DB5. Über den schreiben wir dann bald. Mehr Aston Martin finden sich in unserem Archiv, darunter selbstverständlich auch die Vorgänger des DB4, der DB2 und der DB2/4.
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