Alfa Giulia Quadrifoglio
Obendrüber
Nun, gut: Quadrifoglio. Wie die Giulia (den ersten Fahrbericht gibt es: hier), aber halt mit 510 PS. Nur auf der Hinterachse. Und auf Wunsch mit manuellem Getriebe. Das ist doch schon mal eine wunderfeine Ansage in diesen Zeiten von Plug-in-Hybriden und Konnektivitätswahn und der Androhung von autonomen Einherrollen.
Diese virtuelle Zweitwelt gibt es selbstverständlich auch in der Giulia, es geht anscheinend nicht mehr anders. Doch darüber wollen wir auch gar keine weiteren Worte mehr verlieren, verschwenden, denn wir haben es bei Giulia als Quadrifoglio endlich wieder einmal mit einem Fahrzeug zu tun, das mehr Emotionen vermitteln kann als eine Universitätsausbildung in IT-Technologien oder ein stundenlanges Studium der Gebrauchsanweisung. Eine solche braucht man bei dieser Italienerin auch nicht, denn erstens ist sie schlecht übersetzt und zweitens: reinsetzen, anschnallen, Maschine anwerfen, losfahren.
Ein klassischer Viertürer mit 510 PS an der Hinterachse – wo gibt es das noch im offiziellen Verkaufsprogramm? Ja, natürlich, so ein bisschen der BMW M3 (431 PS) und ein bisschen mehr der Mercedes-AMG C63 S (510 PS), aber das war es dann schon, denn Audi macht derzeit nicht mit im Spiel, bei Jaguar ist im gleichen Segment (vorerst) schon bei 340 Pferdchen Schluss. Man könnte natürlich auch eine Stufe höher gehen, RS6, XF, dann M5 und E63 S, vielleicht auch noch den Ghibli von Maserati, doch dann kommt man auch gleich in andere Preis-Kategorien (ausser beim Ghibli). Mit 87’800 Franken steht die Giulia Quadrifoglio angeschrieben, das ist schon mal ein sehr feines Argument. Wenn wir dann auch noch die vielleicht etwas absurde Berechnungsmethode Franken/Höchstgeschwindigkeit einführen wollten, dann steht der Alfa mit seinem 307 km/h Spitze sehr alleine da. Wohl auch deshalb haben sich die Carabinieri ihn als Spielzeug angeschafft. (Und ja, sieht auch in Blau gut aus. Und in Weiss. Und ja, sieht als Quadrifoglio schon besser aus als als Normalprogramm.)
Wir gaben uns den Handschalter. Der kommt mit relativ heftigen Pedaldruck auf die Kupplung, da wird man ein bisschen üben müssen, bis man ihn sauber vom Start wegbringt. Ist er in Bewegung, gefällt der 6-Gänger mit ausgesprochen kurzen Schaltwegen und dort feiner Präzision sowie sehr guten Übergängen. Was sicher auch an den 600 Nm maximalem Drehmoment liegt. Was aber nicht gut ist: von der 3. in die 2.. Denn weiter links ist dann oben noch der Rückwärtsgang, deshalb hat es da so etwas Leerraum, und wenn man im Eifer des Gefechts ein bisschen zu heftig zieht, ist dann da: nichts. Daran wird man sich aber gewöhnen können, nehmen wir mal an. An diese richtig guten Sparco-Karbon-Schalensitze gewöhnt man sich besser nicht, sonst will man nichts mehr anderes.
Die Maschine, eine eigene Entwicklung, wie Alfa gern betont, aber eigentlich ein um zwei Zylinder verkürzter V6-Vollalu-Block aus dem Ferrari California T mit noch 2,9 Liter Hubraum, überzeugt mit herrlicher Drehfreude (für einen Turbo) und grober Leistungsentfaltung (logisch, Turbo). Das berühmte Loch, ja, es ist da, aber man muss es suchen in für einen italienischen Motor völlig unpassenden Drehzahlbereichen; die verzögerte Gasannahme ist auch da, ja, aber da werden wir dann wirklich kleinlich, wenn das Füsslein tatsächlich so schnell zu zucken vermag, dann sollte man die Sportart wechseln. Im richtigen Leben, da draussen auf der Strasse, wird man beides nicht bemerken.
Denn: der Quadrofiglio übertönt eh alles. Man darf sich schon etwas wundern, wie Alfa solch einen Lärm durch die Abnahme bringt, aber spätestens seit 8C/4C wissen wir ja, dass die Italiener irgendwie andere Messmethoden haben. Oder die italienischen Prüfer etwas auf den Ohren. Uns sei es recht, es dies ja herrliche Musik, die der Alfa auf die Gehörgänge knallt, richtig laut, richtig dreckig, schön fies. Und bei höheren Drehzahlen wird das zu einem Inferno, wie man es bisher eigentlich nur von Ferrari kennt. Ob man das auf der Langstrecke dann aber wirklich unbedingt braucht – nun ja. Verbrauch: auf dem Papier nur 8,5 Liter. Wie weit das dann im richtigen Leben reicht, da draussen auf der Strasse, wissen wir nicht, aber können uns gut vorstellen, dass es vielleicht nur 50 Kilometer werden.
Selbstverständlich gibt es für die verschiedenen Bedürfnisse auch verschiedene Fahrstufen. Erstaunlich ist, dass man getrost in der schärfsten Variante unterwegs sein kann, trotz der 510 PS. Dann ist das ESP zwar weg, doch die Giulia ist derart fein ausbalanciert (50:50, eh klar), dass es genau das ist, was man will. Dann geht sie zwar quer, wenn man nur schon mit der Wimper zuckt, doch sie macht das mit Ansage und jederzeit bestens kontrollierbar; ist man zu grob auf dem Gas, wird der Winkel einfach noch weiter, ist man zu zurückhaltend, pendelt sich die Italienerin von selbst wieder ein. Dabei hilft die zwar sehr direkte, aber auch feinfühligst bedienbare Lenkung (Heckantrieb! Und ein aktiver Frontsplitter, der bei Bedarf mehr Druck auf die Vorderachse gibt) sowie das verhältnismässig weich abgestimmte Fahrwerk. Denn, nein, mit der bekannten Härte deutscher Premium-Produkte hat die Giulia auch als Quadrifoglio gar nichts am Hut, und das ist gut so. Wir kennen das von einigen Ferrari-Meisterwerken: hart federn, weich dämpfen. Eine Hilfe bei diesem richtigrichtig guten Fahrwerk ist aber sicher auch das Gewicht von nur 1525 Kilo; der M3 kommt auf 1630 Kilo, der gleich starke Benz trägt gleich 200 Kilo mehr durch die Gegend (wobei, die Angaben sind da mancherorts etwas unterschiedlich…). Und muss diese dann halt auch bremsen. Was bei der Giulia auch mit optionalen Karbon-Keramik-Dingerens möglich ist, doch schon die normalen Anker verlangsamen tüchtig genug.
Und so hat man dann einfach Freude. Es braucht keine Hi-End-Stereoanlage und auch kein gespiegeltes Smartphone – für den Quadrifoglio braucht man leere Strassen, möglichst viel Zeit und Freude daran, ein Automobil mit allen Sinnen erleben zu wollen. Wahrscheinlich wird nur eine kleine Minderheit die böse Giulia mit manuellem Getriebe bestellen, doch genau diese händische Bedienung passt bestens zu diesem Wagen. Wenn beide Füsse und beide Hände und beide Hirnhälften und die Ohren und die Augen in Funktion sind, dann ist der Mensch alerter, wacher – und dann ist das Vergnügen immens. Mit dem 510-PS-Hammer hat Alfa Romeo ein Spielzeug geschaffen, das wir den Italienern in dieser Souveränität eigentlich nicht (mehr) zugetraut hätten. Und wohl deshalb ist die Freude umso grösser. Wir würden ihn übrigens auch als Kombi nehmen.
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