Gaston «Gus» Andrey
Der Auswanderer
(Manchmal, wenn wir auf der Suche nach Hintergrundinformationen sind, stolpern wir über Geschichten. Und Menschen hinter diesen Geschichten. Wir wollen dies in Zukunft vermehrt pflegen.)
Wie und wann Gaston Andrey, geboren 1926, aus der Schweiz in die USA kam, das wissen wir nicht. Überhaupt wissen wir nicht viel über die frühen Jahre von Gaston, ausser, dass er Auto-Mechaniker lernte, vielleicht sogar ein Maschinenbau-Studium absolvierte. Nach dem 2. Weltkrieg spülte es ihn über den grossen Teich, er erhielt bei Studebaker einen Job als Testfahrer – wie und warum, das wissen wir nicht. Erst ab 1954 lassen sich seine Spuren genauer verfolgen. Da fuhr er zwei SCCA-Rennen in Thompson, einmal auf einem Jaguar XK120 (4.), einmal auf einen Triumph TR2 (dnf). Ab 1955 wird das Bild klarer, da gewann Gaston, unterdessen «Gus» genannt, nämlich den SCCA-Titel in der Kategorie E auf einem Morgan Plus 4 (in den er den Motor eines Triumph TR2 installierte). Als erster Europäer. Gleichzeitig begann er mit dem Aufbau einer Auto-Werkstatt in Chestnut Hills, Massachusetts. Und heiratete. Und wurde Vater.
Danach wird es ziemlich heftig. Andrey gewann den SCCA-Titel in der Kategorie E auch 1957. Und 1958 (da gewann er auch noch die Road America 500, dies auf einem Ferrari 335S, Chassisnummer 0674, dies zusammen mit Lance Reventlow). Und 1959. Dies jeweils auf einem Ferrari 500 (dazu kommen wir gleich noch). Und dann auch noch 1960, diesmal in der Kategorie D, diesmal auf einem Maserati Tipo 61, besser bekannt als «Birdcage». 1966 wurde er auch noch erster Meister in der Trans-Am-Serie (für Fahrzeuge mit weniger als 2 Liter Hubraum), nun auf einem Alfa Romeo GTA.
Doch kommen wir zurück zu den Ferrari ab 1957. Ein Jahr vorher hatte Andrey Mike Garber kennengelernt, einen erfolgreichen Geschäftsmann. Garber wäre gerne selber Rennen gefahren, war aber anscheinend alles andere als talentiert. Was ihm Andrey genau so auch mitgeteilt haben soll. Garber fragte im Gegenzug: «Wenn du dir einen Rennwagen wünschen könntest, was hättest du gern?» Andrey soll gesagt haben: «Einen Ferrari!». Als kaufte Garber einen Ferrari 500 Mondial (Chassisnummer 0430MD, Bild oben) – und stellte ihn «Gus» zur Verfügung. Andrey bedankte sich mit Siegen in Thompson, Montgomery und Watkins Glen sowie zwei zweiten Plätzen in Lime Rock und Bridgehampton. Was ihm zum zweiten SCCA-Titel gereichte. Und weil er so schnell war, wurde er von Chevrolet auch für das 12-Stunden-Rennen in Sebring engagiert. Wo er zusammen mit Dr. Dick Thompson auf einer quasi serienmässigen Corvette mit fünf Runden Vorsprung den Klassensieg schaffte. Und so nebenbei noch den 12. Gesamtrang.
Für die Saison 1958 kaufte Garber einen neuen Ferrari, einen 500 TRC (Chassisnummer 0706MDTR). Zu Beginn lief das Fahrzeug, mit dem Richie Ginther und François Picard 1957 bei den 24 Stunden von Le Mans gestartet (und ausgeschieden) waren, gar nicht. Zusammen mit seinen Schweizer Mechanikern Felix Bosshard und Oskar Feldmann richtete Andrey den 500 TRC – und gewann in der Folge wieder drei SCCA-Rennen sowie den Titel. 1959 war er mit diesem Fahrzeug absolut dominant: 8 Siege, zwei zweite Plätze, ein weiterer SCCA-Titel. Dabei trat Andrey als Patriot auf: Seine Fahrzeuge waren bevorzugt weiss – und trugen ein Schweizer Kreuz auf der Seite, ähnlich gestaltet wie das Ferrari-Emblem.
Sein Ferrari 500 TRC (Bilder oben und unten), mit dem er so erfolgreich war, wird am 19./20. August in Monterey von RM Sotheby’s versteigert (leider weder in hellblau, wie er in Le Mans angetreten war, noch in rot-weiss, wie in Andrey fuhr). Der 500 TRC war die Weiterentwicklung des Ferrari 500 Mondial, verfügte also über einen 2-Liter-Vierzylinder-Motor, der von Aurelio Lampredi entwickelt worden war. Als Lampredi Ferrari 1955 im Streit verliess, übernahm Vittorio Jano, entwickelte die Maschine weiter, verpasste ihr einen neuen Zylinderblock, den er rot bemalen liess – die Testa Rossa waren geboren. Zum «C» in der Bezeichnung kam das Fahrzeug dann 1957, als der Appendix C der FIA in Kraft trat (siehe auch: Maserati 200S/SI).
Andrey fuhr bis Mitte der 70er Jahre erfolgreich Rennen, in den späteren Jahren bevorzugt mit Alfa Romeo. In den 80er Jahren hatte er ein eigenes Rennteam, mit dem er erfolgreich in der IMSA-Serie antrat. Gaston «Gus» Andrey verstarb 2012 im Alter von 86 Jahren.
Fotos: Archiv gastonandreymotorsports.com – weitere schöne Stories finden sich in unserem Archiv.
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