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Toyota Land Cruiser (1)

Published in radical-mag.com

Toyota BJ (1950-1955) – wie alles begann

Am Anfang stand, wie so oft in Japan, die Bescheidenheit. Sakichi Toyoda, geboren 1867 als Sohn eines armen Zimmermanns in der Nähe von Nagoya, baute für seine Mutter eine Spinnmaschine. Es war damals üblich, dass die Frauen der Familie ein bescheidenes Zubrot verdienten entweder mit Heimarbeit oder in einer der vielen Spinnereien und Webereien arbeiten mussten, unter oft unmenschlichen Bedingungen, was dazu führte, dass sich Sakichi mit automatisierten Webstühlen zu beschäftigen begann, die zu Beginn von einer Dampfmaschine angetrieben wurden, die er gebraucht und günstig erwerben konnte. Es kam etwas Geld ins Haus, sein Sohn Kiichiro Toyoda konnte in Tokio Maschinenbau studieren – und half seinem Vater ab 1924 eine voll automatisierte Webmaschine, die Toyoda Automatic Loom, zu entwickeln. Dieses Gerät erhielt einen Mechanismus, der die Maschine automatisch stoppte, wenn ein Faden riss. Dies machte es möglich, dass ein Arbeiter mehrere Webmaschinen bedienen konnte – und die Toyoda Automatic Loom Inc. wuchs schnell. So schnell, dass sie die Patentrechte schon 1929 an das britische Unternehmen Platt Brothers verkaufen konnte und mit den 100’000 Pfund, die sie dafür erhielt, in Japan eine Automobilproduktion aufzubauen begann.

Ab 1935 stand die ersten Prototypen bereit, A1 genannt: Doch kaum waren sie fertig, wurde auch schon der erste Lastwagen tatsächlich auf den Markt gebracht, der G1, der sofort Geld in die Kasse des jungen Unternehmens brachte, das dann 1937 in Toyota umbenannt wurde[1]. Sowohl der A1 wie auch der G1 wurden von einem 3,4-Liter-Sechszylinder-Benziner angetrieben, der es in seiner ersten Form auf etwa 75 PS bringt; wir werden diesem Motor später wieder begegnen. Aus dem A1 wurde dann mit geringen Unterschieden der AA, von dem dann als Limousine zwischen 1936 und 1943 doch 1404 Exemplare gebaut wurden[2]; der AB war ein offener Phaeton, von dem noch einmal 353 Stück entstanden. Bis 1949 wurde auf dieser Grundkonstruktion noch so manches weitere Modell entwickelt, AC, EA, EB, AE und BA. Doch man darf dabei nicht vergessen, dass sich Japan seit 7. Juli 1937 im Krieg befand, zuerst gegen China, dann ab dem 7. Dezember 1941 auch gegen die USA.

Im Verlaufe des Pazifik-Krieges marschierte die japanische Armee 1941 auch auf den Philippinen ein, wo sie einen Bantam, die Ur-Version des amerikanischen Jeep erbeutet haben soll. Die American Bantam Car Company hatte 1940 im Auftrag der amerikanischen Streitkräfte die Ur-Form eines «General Purpose Vehicle» entwickelt und ab September 1940 erste Exemplare ausgeliefert; 1941 durfte das Unternehmen noch einmal 1500 Fahrzeuge liefern. Wie dieser Bantam nun auf die Philippinen kam, ist etwas unklar. Die japanischen Behörden verlangten in der Folge, dass Toyota ein ähnliches Fahrzeug bauen sollte – es entstand, wir schreiben immer noch das Jahr 1941, ein Prototyp, der die interne Bezeichnung AK trug und von der Armee als «Typ 4 kleiner Lastwagen» genannt wurde. Auf Basis dieses Prototypen erhielt Toyota den Auftrag für die weitere Entwicklung eines «leichten Lastwagens», der dann Bezeichnung AK10 trug. Angetrieben wurde dieses Fahrzeug, das dem Bantam sehr stark glich (man spricht hier von «reverse engineering»), von einem 2,3-Liter-Vierzylinder, wie er auch im Toyota AE verwendet wurde. Wie viele AK10 tatsächlich entstanden und ob sie von der japanischen Armee auch tatsächlich verwendet wurden, ist bis heute einigermassen unklar.

Es ging weiter mit dem Kriegen. Toyota hatte den 2. Weltkrieg zwar gut überstanden und konnte 1947 die Automobil-Produktion wieder aufnehmen, doch die Amerikaner bestimmten über fast alles, was in der japanischen Industrie möglich war. Nachdem am 25. Juni 1950 Nordkorea in Südkorea einmarschiert war und damit der Korea-Krieg begonnen hatte, wurde Japan zum Materiallieferanten für die amerikanischen Streitkräfte. Die Amerikaner bestellten schon Ende Juli 1950 1000 Lastwagen bei Toyota, im August mehr als die doppelte Menge. Diese Aufträge ermöglichten es dem Unternehmen, in neue Produktionsstrassen zu investieren. Weil die Amerikaner aber ihre Kräfte in Korea binden mussten, ermöglichten sie es den Japanern, wieder eigene Streitkräfte aufbauen zu können. Doch diese brauchte auch Material – das die Amerikaner aber gar nicht liefern konnte. Unter anderem wurden für die Wiederaufrüstung der japanischen «National Police Reserve Forces» 1000 Allradfahrzeuge benötigt.

An der Ausschreibung für ein leichtes Gelände-Fahrzeug ganz im Stil des Jeep beteiligt sich neben DAT mit dem 4W60 (aus dem später der Datsun Patrol wurde) und Mitsubishi (mit dem sowieso in Lizenz gebauten Willy’s MB im Rennen) selbstverständlich auch Toyota. In nur fünf Monaten wird ein Prototyp entwickelt, für den man ins Regal der vorhandenen Teile greift. Das Chassis stammt von einem leichten Lastwagen mit der Bezeichnung SB, als Motor wird der schon bekannte 3,4-Liter-Sechszylinder und ein manuelles Dreiganggetriebe verwendet, rundherum wird eine sehr rudimentäre, sehr offene Karosserie mit vorne freistehenden Kotflügeln gedengelt. Bei der Namensfindung erweist sich Toyota als nicht aussergewöhnlich kreativ: Weil es sich ja um einen Jeep handelt, werden alle zukünftigen Geländewagen von Toyota mit dem Buchstaben J bezeichnet. Und weil der Sechszylinder von Toyota mit B benannt war, hatte man dann: BJ[3].

Nun, die noch im Entstehen begriffenen japanischen Streitkräfte (nichts anderes sind die «National Police Reserve Forces») entscheiden sich nicht für den BJ, sondern für den schon bekannten Mitsubishi-Lizenzbau. Doch bei Toyota glaubt man an das Projekt, feilt – ohne die militärischen Vorgaben – weiter daran, überzeugt andere staatliche japanische Stellen von den Fähigkeiten des neuen Produkts; im Juli 1951 wird der Toyota zum offiziellen Fahrzeug der «National Police Agency» erkoren und in die Toyota-Modellpalette aufgenommen.

Das Fahrzeug hatte einige Vorteile. Der schon ab 1935 entwickelte Sechszylinder (der starke Ähnlichkeit mit einem Chevrolet-Motor hatte, aber das hatten wir schon: reverse engineering) kam zu Beginn der 50er Jahre auf 82 PS (bei 3000/min) und ein maximales Drehmoment von 212 Nm (bei 1600/min). Der gusseiserne Langhuber (Bohrung x Hub 84,1 x 101,6 Millimeter) mit seinen oben hängenden Ventilen und der niedrigen Verdichtung (6,4:1) war zwar hohen Drehzahlen alles andere als zugeneigt und machte auch einen ziemlichen Lärm, doch er erwies sich als ausserordentlich zuverlässig. Die Maschine war auch für miserable Karftstoffqualität bereit (der Zündzeitpunkt konnte manuell am Verteiler verändert werden), dank einem Einfachvergaser, der über Staudruck arbeitete, war die Benzinversorgung auch an extremen Steigungen gewährleistet[4]. Die Maschine verfügte über eine Nasssumpfschmierung, der Anlasser hatte keinen Magnetschalter, sondern wurde mittels eines Pedals im Fussraum betätigt; natürlich konnte sie auch mit einer Handkurbel in Gang gebracht werden. Geschaltet wurde, wie schon erwähnt, über ein manuelles Dreigang-Getriebe; ein Redaktionsgetriebe gab es nicht, genügend Hubraum (und somit reichlich Drehmoment) in Verbindung mit einem sehr kurzen ersten Gang (5,53:1) erschienen den Ingenieuren um Irritani Saihei und Testfahrer Ichiro Taida als ausreichend auch für Fahrten im groben Gelände.

Chassis und Fahrwerk stammten also von einem leichten Lastwagen. Der Rahmen mit seinen drei Querversteifungen wurde gegen vorne schmaler, damit der schwere Motor ausreichend Halt hatte. Die Achsen wurden von Blattfedern geführt (vorne mit neun Lagen, hinten mit derer zehn). Die Federung (mit hydraulischen Teleskopdämpfern) darf man als sehr weich bezeichnen, doch das machte auf den damals alles andere als vorbildlichen Strassen Japans auch Sinn.

Bei der Karosserie von Design zu sprechen, wäre eine sanfte Übertreibung. Erstens sollte das Fahrzeug ja dem Willy’s-Jeep entsprechen, zweitens ergibt sich bei diesem Wagen für den Geländeeinsatz die Form quasi von selbst. Speziell am Toyota war sicher, dass die Insassen sehr nahe beieinander sassen, dass sich das Lenkrad fast schon in der Mitte befand, dass der Aufbau sich auch im Vergleich mit anderen Jeep-Varianten relativ hoch über dem Boden befand; man war sicher froh über die beiden breiten Trittbretter auf der Seite, die den Einstieg erleichterten. Die beiden vorderen Sitze liessen sich nach vorne klappen, was den hinteren Passagieren den Zustieg erleichterte. Auch die Instrumentierung beschränkte sich auf das Wesentliche: Tankuhr, Öldruck, Tacho (mit Entfernungsmesser), Strom- und Spannungsmesser.

Offiziell gab es fünf verschiedene Karosserie-Varianten: einen Funkwagen (BJR), ein Verbindungsfahrzeug (BJT), eine Feuerwehrausführung (BJJ) sowie zwei Pick-up, einmal mit integrierter und einmal mit abgetrennter Ladefläche; ab 1955 kam noch eine neue Feuerwehrausführung dazu, FJJ, die dann auch über einen neuen Motor (F) verfügte. Der Radstand war bei allen Versionen gleich, der BJJ/FJJ und die beiden Pick-up erhielten ein um 50 Zentimeter verlängertes Heck. Die Frontscheibe konnten nach oben aufgeklappt oder ganz nach vorne abgeklappt werden; Scheinwerfer und Blinker befanden sich immer wieder an anderen Orten. Ab Werk hatten alle Versionen ein Stoffdach, bei der Gifu Body Company sollen allerdings auch einige Sonderversionen mit geschlossener Karosserie entstanden sein.

Auch wenn das Jahr 1951 als offizieller Geburtsermin gilt, so sollte es doch bis 1953 dauern, bis im Werk Arakawa Bankin Kogyo KK endlich eine Serienproduktion in Gang kam; unterdessen gehörten neben der Polizei auch die Forst- sowie die Landwirtschaftsbehörde zu den Abnehmern. Trotzdem konnten im Fiskaljahr 1953 nur 289 Exemplare verkauft werden. 1954 werden dann schon 457 des Toyota Jeep BJ verkauft, obwohl mitten im Jahr eine Namensänderung vorgenommen werden muss. Denn Willys Overland lässt sich «Jeep» schützen, also muss eine neue Bezeichnung her. Weil unterdessen auch der Land Rover für Aufsehen sorgte und Toyota auch einen Begriff mit Wiedererkennungswert haben wollte, entstand nach einer Idee des damaligen technischen Direktors Hanji Umehara: Toyota Land Cruiser (japanisch: Toyota Rando-kuruza). Zum ersten Mal verwendet wird die neue Bezeichnung am 24. Juni 1954.

Doch ist der BJ bereits ein Auslaufmodell. Zwar konnten 1954 erstmals Fahrzeuge exportiert werden (nach Pakistan), 1955 dann 23 Exemplare (von 585 gebauten) nach Saudi-Arabien. Im August 1955 wird die nächste Generation vorgestellt, der BJ wird noch mit dem neuen F-Motor noch kurzfristig zum FJ, doch dann ist Schluss.

(Es ist dies ein grösseres Projekt. Wir werden versuchen, von jeder einzelnen Modell-Variante eine Bilder-Sammlung zu eröffnen, die finden sich dann auf gesonderten Seiten. Also:

Wenn Sie etwas sehen, haben, wir freuen uns über jede Form von Hilfe: ruch@pruductions.ch)


[1] Es bestehen mancherlei unterschiedliche Geschichten, wie und weshalb es zur Namensänderung kam.

[2] Es soll noch genau ein einziges Exemplar existieren, es steht heute im Louwman-Museum in den Niederlanden.

[3] «I did not have sexual relations with that woman.» Bill Clinton. Man muss dazu aber auch schreiben, dass der Begriff zu Beginn der 50er Jahre noch nicht bekannt war.

[4] Eine erste Präsenationsfahrt führte die 86 Stufen zum Shinto-Schrein auf dem Atagoyama hinauf und auch wieder hinunter; die Steigung beträgt dort 40 Grad. Ein wahrer «yama», also Berg, ist der Atago allerdings nicht: Er ist nur gerade 28 Meter hoch.

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