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Fahrbericht Porsche 928 S4

Published in radical-mag.com

Der Andere

Kürzlich nun hatten wir nach vielen, vielen Jahren Abstinenz wieder einmal das Vergnügen mit einem Porsche 928, ein S4, handgeschaltet, Jahrgang 1989. Doch blicken wir zuerst zurück.

Denn da staunten die Gusseisernen: Wassergekühlter V8-Motor vorne, Getriebe hinten, grosse Karosserie, futuristisches Design – der Porsche 928 brach mit allem, was für Tradition gehalten wurde, dass es nur so zischte.

Denn da war der 911, der Inbegriff der Marke, gebaut im immerwährenden Layout: Boxermotor im Heck, luftgekühlt, sechs Zylinder, Karosserie in angequetschter Käferform. Neben dem zu glänzen war die Aufgabe. Der 914 und der 924, letzterer erschien 1975, mussten sie nicht erfüllen, sie waren ein paar Klassen weiter unten verortet. Aber der 928 sah sich als Flaggenträger kalkuliert. In der Hierarchie dem 911 ebenbürtig, mindestens. Als er 1977 erstmals gezeigt wurde, war er, zumindest bei den gusseisernen Porscheanhängern (die heissen so), sofort als Gegner positioniert. Ein Glück, dass man das alles bei Porsche selbst immer viel weniger eng gesehen hat als bei der Anhängerschaft. Sonst gäb’s heute zum Beispiel keinen Cayenne (hat da wer gelacht?).

Auf jeden Fall: Die zurückhaltendste Reaktion, mit der die Porscheleute rechnen mussten, war Verwunderung. Die am wenigsten zurückhaltende: Das ist kein Porsche. Nicht nur die Technik – der Motor vorne, die Transaxle-Anordnung mit dem Getriebe zur besseren Gewichtsverteilung hinten –, auch das Design musste polarisieren. Schlanker Vorderwagen, massives Heck, Klappscheinwerfer, keine sichtbaren Stossstangen, stattdessen verborgene aus Polyurethan, insgesamt den Puristen zu gross, zu schwer, zu unhandlich. Chefdesigner Anatole Lapine wehrte sich mit dem Argument der Zeitlosigkeit, welcher er sich verpflichtet fühlte, weniger der tagesaktuellen Mode. Das verwundert zunächst, betrachtet man das Auto. Wenn man dann aber weiss, dass der 928 der äusseren Form nach im Prinzip unverändert bis 1995 (Produktionsende) 61’000 Mal gebaut wurde, hat Lapine offenbar doch recht gehabt.

Gleich zweifach schrieb sich die Ölkrise (neben anderen Faktoren) in die Geschichte des 928 ein: Sie unterbrach den Schwung seiner Entwicklung, sodass diese neun Jahre dauerte. Und sie sorgte für ökonomische Umsetzungen der Art, dass der 928 zunächst beispielsweise mit Normalbenzin zu tanken war. Die Gusseisernen maunzten zwar, aber schon 1978 wurde der 928 von internationalen Motorjournalisten zum Auto des Jahres gewählt, und verkauft hat er sich auch gut, von Anfang an: Es gab lange Lieferfristen. Der 928 sprach eine andere Kundschaft an als der 911, und so war es ja auch sinnvoll. Kundschaft, die von ihrem sehr sportlichen, sehr imageträchtigen Auto nichtsdestotrotz viel Platz und Fahrkomfort verlangte. Von beidem bot der 928 den Umständen entsprechend, und auf jeden Fall mehr als der 911.

Die Gewichtsverteilung war optimal, eine völlig neu konstruierte Hinterachse (Weissach-Achse) verringerte die Neigung des Autos zum Übersteuern beim Gaswegnehmen in der Kurve (was der unbedarfte Lenker ja gerne macht). Also fuhr sich der 928 trotz Gewicht und Grösse relativ agil und sportlich. Aber wenn die Kritiker sagten, dass der grosse Porsche mit seinem aluminiumgefertigten V8 nicht nur nicht besonders klinge, sondern auch nicht besonders ginge, hatten sie zweifellos nicht ganz unrecht.

Es fehlten das Röhren des Sechszylinders und der richtige Punch. Der tierische. Der 928 in seiner Urversion hatte 240 PS, und das war denn doch zu wenig für einen Porsche, der erhobenen Hauptes neben dem 911 zu stehen hatte. Im August 1979 wurde folgerichtig der 928 S präsentiert. Mehr Hubraum (4664 ccm), mehr Leistung (300 PS), bessere Performance: Der 928 brauchte 6,8 Sekunden von Null auf Hundert und ging 230 km/h, der S schaffte die Hundert 0,2 Sekunden früher und ging 250. Das sieht am Papier nicht nach viel aus, dürfte aber emotional einiges gebracht haben, damals, vor 30 Jahren. Gerade die 250 waren bedeutungsvoll, denn, wie die Fachpresse konstatierte: «Die Fahrleistungen spielen sich nunmehr in der wahnwitzigen Liga der schnellsten Autos dieser Erde ab.» Man glaubt es kaum, aber so war es.

Aber noch immer fanden die Kenner was zu bemängeln, jetzt halt den Unterschied zum 911 Turbo, an dessen animalische Kraftentfaltung auch der S nie herankommen würde. Zwei Jahre später wurde der normale 928 eingestellt. Der S hingegen durfte sich weiterentwickeln. 1983 bekam der Motor eine Bosch-LH-Jetronic-Einspritzung, was die Leistung auf 310 PS wachsen liess. Ein Jahr später konnte man gegen Aufpreis schon ABS ordern. 1985 kam der S4 mit vier Ventilen pro Zylinder und Katalysator. Es folgten vor allem Anwendungen im Bereich Luxus, was den 928 noch nachdrücklicher vom 911 trennte, ihn kompromisslos als Gran Turismo festigte.

Nebenher lief das Muskeltraining. 1989 kam der GT mit 330 PS, zwei Jahre später dann der GTS als letzte Ausbaustufe mit 5397 ccm Hubraum und 350 PS. Der ging 275 km/h und war in 5,7 Sekunden von Null auf Hundert. Ausserdem, und das vor allem, war er in 2,8 Sekunden wieder herunten, und das ohne Mauer. Der GTS war schärfemässig Lichtjahre vom Ur-928 entfernt, optisch aber hat sich abgesehen von breiteren Radkästen, dem Heckflügel und dem durchgängigen Lichtbalken am Heck nicht allzu viel getan. Die österreichische «auto revue» stellte 1992 die Frage, «wie lange wir diesen Hintern noch lieben werden» – und beantwortete sie auch gleich: «2010 ist das der grosse Heuler. Spekulieren Sie!» (Diese Einführung wollen wir der unbedingt lesenswerten «auto revue» verdanken.)

Hier können wir nun, nach unserer Ausfahrt, zum Schluss kommen: unsere Freunde von der «auto revue» hatten nur teilweise recht. Denn wir schreiben unterdessen 2020 – und der Stuttgarter reift von Jahr zu Jahr noch mehr zur Ikone. Wenn man ihn heut auf der Strasse sieht, wirkt er so gar nicht aus einer anderen Zeit, sondern mehr so: komplett eigenständig, absolut zeitlos – ein Mahnmal gegen die Langeweile und Gleichmacherei, die im automobilen Design seit Jahrzehnten leider überhand genommen hat. Der Hintern, einst belächelt, ist einmalig gut; von der Seite wirkt er wie die Quintessenz eines Gran Turismo; einzig vorne, die Klappscheinwerfer, sie sind halt schon, sagen wir mal: aus einer anderen Zeit. Und trotzdem wunderbar charakteristisch. Und sie dienen halt auch bestens als Peilstäbe, gegen vorne ist der Porsche eher unübersichtlich. Wir mögen ihn als S4, die späteren Modelle wurden etwas gar bullig. Innen, tja, der Plastik feierte halt damals Urständ’. Aber dafür ist das Erlebnis noch so ganz analog. Und die Sitze sehen zwar wie Skulpturen aus und sind auch über längere Strecken bequem, doch die Forschung hat halt schon Fortschritte gemacht seit: damals.

Wie erwähnt: handgeschaltet. Das gibt es nicht so häufig, der 928 S4 war damals oberste Liga, da gönnte man sich gerne den Automaten (den es zu Beginn nur mit drei Gängen gab, aus Platzgründen – weil Transaxle). Heute staunt man etwas über den Kraftaufwand, den Porsche seinen Kunden beim Schalten zumutete, vor allem vom 1. (links unten) in den 2., auch in der Kupplung, doch es sind dann doch sauber, klar definierte, nicht zu lange Wege; Arbeit, aber eine schöne. 320 PS, das war damals eine Menge, heute gibt es solches inkl. Drehmoment-Bergen in jedem zweiten kompakten SUV – und so wirkt der Porsche dann halt schon träger, obwohl er aus seinen 5 Liter Hubraum doch auch beachtliche 430 Nm schon bei 3000/min maximal abdrückt. Ist er dann in Fahrt, dann geht das aber bestens, auch mit dem Schalten (in den 1. will ja dann niemand mehr…). Wer aber das typische V8-Bollern erwartet, der dürfte etwas enttäuscht sein: Weil die Porsche-Maschine eine andere Zündfolge (1-3-7-2-6-5-4-8) hat als die klassischen, amerikanischen V8, tönt er heller, metallischer. Und er dreht auch schöner hoch, turbinenartiger.

Zu fahren ist der 928er viel freundlicher als ein 911er jener Jahre. Das liegt einerseits an seiner ausgewogenen Gewichtsverteilung (Transaxle, again), ausserdem an seiner wirklich präzisen Lenkung, ausserdem an seiner selbstjustierenden Hinterache (Weissach-Achse genannt, übrigens nicht für den Ort seiner Entwicklung, sondern für: WinkelEIstellende, SelbstStabilisierende AusgleichsCHarakteristik): Während das Heck des Elfers damals gern etwas zu viel Vorwärtsdrang hatte (heute wird es elektronisch in Zaum gehalten), bleibt der 928er sehr lange sehr konsequent in seiner Spur. Geradeaus liegt er zwar wie ein Brett, ist aber doch sehr komfortabel – man kann sich gut vorstellen, damit wirklich lange Strecken zu fahren. Aber eher nicht zu viert, hinten ist es doch eher eng, der Radstand von 2,5 Metern ist halt: kurz. Überhaupt wirkt er heute mit seinen 4,47 Metern Länge, 1,84 Metern Breite und 1,28 Metern Höhe fast schon zierlich. Man nannte damals für den knapp 1,6 Tonnen schweren Stuttgarter einen Verbrauch von 12,8 Litern, das erscheint uns etwas zuversichtlich, aber der Tank ist ja mit 86 Litern auch ausreichend dimensioniert.

Lange standen die 928 tief im Schatten der 911, waren günstig zu haben. Erst in den letzten vier, fünf Jahren haben die Preise angezogen, zuerst bei den späteren Versionen, dann auch runter bis zum Ur-Modell. Man darf aber davon ausgehen, dass man mit einem sauberen 928er nichts falsch macht, an Wert verlieren werden sie sicher nicht mehr, die Motoren halten ewig, Rost ist ein Problem, das er nicht kennt. Der Unterhalt ist allerdings nicht ganz günstig, vor allem der 2,08 Meter lange Zahnriemen kann ins Geld gehen, manche Ersatzteile sind halt mit Porsche angeschrieben und haben den entsprechenden Preis. Der hier vorgestellte Porsche 928 S4 mit Jahrgang 1989 wird am 17. Oktober von der Oldtimergalerie in Toffen versteigert, es gibt auch noch einen zweiten S4, Jahrgang 1988, dann aber mit Automat.

Und mehr Porsche haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Fahrbericht Porsche 928 S4 erschien zuerst auf radicalmag.