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Test Porsche 718 Cayman GT4

Published in radical-mag.com

Der Gerät

Es hat auch seine Nachteile, wenn man so quasi alle neuen Automobile fahren darf: Man wird extrem verwöhnt. Gut, es ist ja die Aufgabe des Berichterstatters, das alles einordnen zu können, zu vergleichen, zu relativieren, doch gerade bei den Sportwagen ist das ja nicht immer so einfach, da spielen ja auch noch andere Komponenten hinein als die rein objektiven Aspekte wie Preis, Verbrauch, Verarbeitung, Raumangebot, etc.. Ich erinnere mich an diverse Ausfahrten, bei denen ich danach dachte, dass ich jetzt für immer verloren sei. Zum ersten Mal im Bugatti Veyron, deutlich über 300 auf einer sizilianischen Autobahn – eine grossartigere Längsdynamik schien unmöglich. Oder jener Tag mit dem Ferrari 430 Scuderia in den Hügeln südlich von Modena; es war für mich unvorstellbar, damals, dass ich je wieder ein Auto mit einem besseren Fahrwerk bewegen würde. Mit der Erfahrung aus den vergangenen 35 Jahren im Business haben sich dann natürlich gewisse Vorlieben entwickelt, selbstverständlich hab ich auch Freud’ an richtig hohen Geschwindigkeiten und dem Durchzugsvermögen (irgendeine Corvette, einst, im sechsten Gang von 80 auf über 300 – Wahnsinn), doch mehr noch, viel mehr, ist es das Querdynamische, das Leichte, der Fahrspass etwa am Berg. Manuelles Getriebe, bitte, und lieber auch ein Sauger. So gesehen muss der Porsche 718 Cayman GT4 der absolute Traumwagen sein, leichter noch als der so grandiose GT3 Touring, kein Turbo wie die so hoch geschätzte Alpine A110, manuelles Getriebe (gibt es ja bei Ferrari schon lange nicht mehr) – alles gut also?

Es ist früh des Morgens, unsere Bergstrecke durch den Jura ruft. Wir nehmen sie diesmal etwas weitläufiger, quasi mit Anlauf, ein paar schöne Landstrassen zum Aufwärmen, kein Mensch ist unterwegs, die Rennleitung ist noch damit beschäftigt, am Radar die Linse zu putzen. Es braucht auch etwas Zeit, bis die Reifen warm sind, die Cup2 von Michelin sind ja eigentlich mehr für die Rennstrecke gedacht, aber schon in den langgezogenen Biegungen merkt man: das hält. Das hält unendlich. Auch wenn da und dort über die Vorderachse des Cayman gejammert wird, wir merken davon gar nichts, die Präzision ist wunderbar, der Wagen setzt auch die kleinsten Lenkbefehle in real time um, es ist eine Pracht. Und auch die Maschine im Rücken ist eine ebensolche: Noch jagen wir ihn nicht, so 6000/min müssen reichen, doch freisaugende vier Liter Hubraum spielen ein wunderbares Lied – Volumen, das weiss der HiFi-Auskenner, ist eigentlich durch nichts zu ersetzen. Das Getriebe: wunderbar, perfekt definierte, kurze Wege, sehr saubere Anschlüsse – was will man mehr? Überhaupt diese Knackige, Passende, der Cayman fühlt sich noch an wie ein richtiges Automobil, alles ist auf den Fahrer konzentriert, es gibt weniger Schischi als im 911er – man fühlt sich sofort und bestens mit der Gerät verbunden, es ist dies eine reine Fahrmaschine, kein Computer, der auch noch Leser-Videos machen kann und mit der Schwiegermutter spricht und den Kühlschrank aus der Ferne befüllt.

Was wir dort oben im Jura mögen: Wir kriegen auch einen Kaffee, wenn das Restaurant eigentlich geschlossen hat. Er ist auch verdient, dieser Kaffee, wir nahmen dann das Messer zwischen die Zähne, die Strassen wurden schmaler, die Radien enger, der Porsche war warm und harrte gespannt der Dingens, die man mit ihm anstellen wollte. Und er ist so unendlich dankbar, wenn man mal alles an Helferlein und Einbremsern ausschaltet, ihn dann so bewegt, wie es sich seine Erfinder gedacht haben: hart. Nicht ein bisschen anbremsen vor der Serpentine, sondern: kurz und heftig in die Eisen. So durch die Biegung, dass noch ein bisschen Luft bleibt, man ihn sauber auf Zug fahren kann (keine Angst, er macht eh keinen Wank, er kommt so unglaublich spät über die hintere Achse, da hat den Normalsterblichen längst Mut und vor allem Talent verlassen). Dann hochdrehen bis in den Begrenzer (bei 8000/min – was dort am Berg eigentlich nur im ersten Gang möglich ist), seinem Sound lauschen, sich daran freuen, wie er durchzieht, alles ist aus einem Guss, im Fluss, die Kraft und die Herrlichkeit. Und je öfter man das macht, je mehr man dem Fahrzeug (und den Reifen) auch vertraut, desto schöner wird das Spiel. Auch die schlechten Gassen dort oben stören ihn wenig, er kommt weit weniger ins Hüpfen als als etwa die leichtere Alpine (der GT4 wiegt 1420 Kilo), obwohl er schon auch ein Brett ist, dem Piloten die Unebenheiten ziemlich ungefiltert über die doch engen Sportsitze in den Rücken knallt. Und er knallt überhaupt so, dass der Körper das Adrenalin gleich kübelweise durch das Kleinhirn spült – der Wagen bleibt die Ruhe selbst, nur der Pilot hangelt sich am seinem fahrerischen Abgrund entlang. Wäre der Fahrer besser, wäre das Automobil noch besser – was eigentlich auch eine etwas bittere Erkenntnis ist.

Sie haben es von Anfang an gespürt beim Lesen dieses Textes: Es kommt jetzt ein Aber. Aber eigentlich kommt jetzt gar kein Aber, mehr so eine Relativierung. Die etwas mit dem ersten Abschnitt zu tun hat: Ich bin verwöhnt. Ich fuhr ein paar Tage vor dem Cayman GT4 den neuen Porsche 911 Turbo S. Klar, man kann die beiden Stuttgarter nicht miteinander vergleichen, doch beim Turbo bewegt man eine Drehmoment-Wand von 800 Nm, die zwischen 2500 und 4000/min zur Verfügung stehen. Beim GT4, ja, klar, wir wissen es, er ist ein Sauger, sind es 420 Nm zwischen 5000 und 6800/min; ein Toyota Supra bringt es auf 500 Nm zwischen 1600 und 4500/min (der war jetzt aber unterste Schublade…). Und genau da, bei diesem Drehmoment, der Durchzugskraft, da fehlt es ihm ein bisschen auf diesen schmalen Gassen mit den sehr engen Kurven. Also wirklich nur ein ganz, ganz kleines Bisschen, es ist Jammern auf höchstem Niveau, und wir beissen uns ja selber in den Schuh, weil wir diese Sauger bevorzugen, nicht diese sich künstlich anfühlende Turbo-Drehmomentwand wollen. Und trotzdem, auch wenn der 4-Liter wunderbar hochdreht, auch wenn der Sound ein Traum ist – wenn Du da im ersten Gang aus der Kurve kommst, da geht ihm dieses gewisse Extra ein klein wenig ab, der absolute Wahnsinn kommt für ein paar Sekundenbruchteile nicht voll zum Tragen. Und vielleicht ist das jetzt auch ein bisschen kleinlich, beim GT3 Touring, der seine 460 Nm maximales Drehmoment auch erst bei 6000/min zur Verfügung stellt, haben wir keine Sekunde geklagt. Aber die Strassen waren da anders, weitläufiger – da auf der Landstrasse, die wir zu Beginn der GT4-Ausfahrt befahren hatten, haben wir ja nichts bemerkt von diesem Häuchlein einer allfälligen Schwäche.

Selbstverständlich muss man mit dem Porsche 718 Cayman GT4 auf die Rennstrecke, nur dann keine er seine wahren Qualitäten auch wirklich ausspielen (Fabian hat das ja sehr schön beschrieben, hier), nur dann ergibt das manuell verstellbare Brett hinten auf dem Wagen auch Sinn. Und ebendort muss man auch ganz selten in den ersten Gang, ist so langsam, dass man etwas vermissen könnte. Und überhaupt, dieses Haar in der Suppe ist gar keines. Den GT4 gibt es in der Schweiz ab 121’700 Franken (der GT3 Touring ist mit happigen 186’600 Franken angeschrieben, oder anders: er war es, man harrt der Dinge, die da hoffentlich bald kommen werden) – und er ist damit in Relation zu seinem Qualitäten, den Fahrleistungen (in 4,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h, 304 km/h Höchstgeschwindigkeit), der Fahrfreud’ ein wahres Schnäppchen, der günstigste 911er kostet mehr. Und ewig werden sie so auch nicht anbieten (obwohl es offiziell keine Limitierung gibt), sie wissen in Stuttgart ja auch, dass sie mit dem für die wahren Junkies gebauten GT4 dem 911er massiv an den (zu dicken) Hintern fahren. Ach ja, falls es jemanden interessiert: Dort auf unserem Bergausflug haben wir nach 200 Kilometern 32 Liter nachgeschüttet. Als wir den Testwagen zurückbrachten, sauber in den Tempovorgaben für 102 Kilometer, waren es 9 Liter.

Mehr Porsche, viel mehr Porsche haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Test Porsche 718 Cayman GT4 erschien zuerst auf radicalmag.