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Test Alpine A110 S

Published in radical-mag.com

All you need?

Nein, die Farbe unseres Testwagens machte uns nicht glücklich. Nun braucht man ja über Farben bekanntlich nicht zu diskutieren, es geht uns auch gar nicht um schön oder nicht so, sondern im Fall der Alpine A110 S um: passend. Das matte, gedeckte Grau macht die Französin optisch viel böser als sie es eigentlich sein will, sie wird zum dirty Tarnkappenbomber, obwohl sie doch auch oder gerade als A110 S wunderbar elegant ist, filigran, viel mehr so das chice Deux-Pièces von Chanel als der derbe Wintermantel. Wir riechen bei der Alpine mehr die Provence im Frühling als dem Mief einer Tiefgarage, wir denken an ein Glas Rosé zu frisch grillierten Rotbarben auf einer Terrasse am Meer und nicht an Weisswurst am eh nicht stattfindenden Oktoberfest. Kommt dazu, dass «Gris Tonnere Mat» auch noch unsägliche 5269 Franken Aufpreis kostet.

Was gibt es denn an Konkurrenten?

Der Alfa Romeo 4C ist leider nicht mehr, der war auch sehr feingliedrig, aber im Vergleich zur Französin etwas gar schrill, laut, zickig. Der Toyota Supra hat den Motor vorne und ist etwa so elegant wie die Kehrrichtabfuhr, den Audi TT wollten wir eigentlich verdrängen, bleibt noch der Cayman von Porsche mit dem gleichen Bau-Konzept, auch vier Zylindern (in der preislich noch so ein bisschen vergleichbaren Basis-Version) und einem ähnlichen Spass-Faktor. Doch dem Stuttgarter geht diese wunderbare Leichtigkeit des Seins ab, das Unbeschwerte, er wirkt im Gegensatz zur Alpine nicht wie ein frischer Sommerwind an der Côte d’Azur, sondern mehr so wie spätherbstliche Nebelschwaden über Sachsen-Anhalt.

Was ist denn neu an der Alpine A110 S?

Es geht in erster Linie um das Fahrwerk. Der S liegt vier Millimeter tiefer, die Steifigkeit der Stabilisatoren wurde um 100, jene der Federn um 50 Prozent erhöht, dazu wurden die Stossdämpfer und die Traktionskontrolle angepasst. Auch wurden die Reifen (Michelin Pilot Sport 4) etwas breiter. Quer hinter den Sitzen leistet der bekannte 1,8-Liter-Vierzylinder bei gleichem Drehmoment (320 Nm) jetzt anstatt 252 immerhin 292 PS; erreicht wird diese Leistungssteigerung einzig über mehr Dampf im Turbolader. Geschaltet wird weiterhin einzig (und leider) über ein 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. Ach ja, die grausliggraue Farbe gibt es exklusiv nur für den S; innen bleibt alles wie gehabt, abgesehen von einigen orangen Ziernähten. Ach ja, auch aussen mussten die vielen Trikoloren orangen S-Emblemen weichen. Der Kofferraum, der bleibt so winzig wie bisher.

Und wie wirkt sich das alles aus?

Das Maschinchen, dem man leider immer noch keinen besonders schönen Sound anerzogen hat, ist deutlich spitzer, so richtig Freud macht es zwischen 5000 und 7000/min. Das bringt nun aber im Alltag nicht viel, es ist vielmehr so, dass der Antrieb nicht ganz so harmonisch wirkt wie im Basis-Modell; vielleicht hätte man den S besser mehr Drehmoment als mehr Leistung verpasst? Dorthin, in diese hohen Drehzahlen, kommt man aber nur im Sport-Modus, wobei auch da das DKG die Unart hat, selber in die Gangwahl einzugreifen; das sollte Alpine seinen Fahrzeugen abgewöhnen, das ist unnötig, S (oder auch Track) ist ja eine aktive Wahl des Piloten (die auch nicht bleibt, wenn der Motor abgestellt wird), dann ist davon auszugehen, dass die Fahrerin oder der Fahrer auch selber aktiv ins Geschehen eingreifen will; überdrehen wird der Motor eh nicht. Auch von den Veränderungen am Fahrwerk spürt man vor allem dann etwas, wenn der Modus Sport gewählt wird: die Hinterachse klebt dann wie Gummi auf der Fahrbahn. Zumindest dann, wenn die Fahrbahn gut ist – auf einer schlechten Gasse hat der S etwas zu sehr die Tendenz, ins Hüpfen zu kommen, da ist man dann besser bedient mit dem Normal-Modus (und dem Basis-Modell). Überhaupt ist Normal die beste Wahl beim Fahren abseits der Rennstrecke (auf der wir nicht waren), sonst wird die Alpine zu deutsch. Sprich: zu hart. Was uns insgesamt zum Fazit bringt, dass es diesen S nur dann braucht, wenn man dauernd mit dem Messer zwischen den Zähnen unterwegs ist – und jedes zweite Wochenende auf der Rennstrecke verbringt. Und wenn man dem so ist, also sowohl Messer wie auch Rennstrecke, dann sollte man sich vielleicht eher die Anschaffung eines Renault Megane R.S. Trophy-R überlegen. Dies auch deshalb, weil der Megane auf der Bremse die bessere Performance bringt.

Oha, Kritik an der so sehr geschätzten Alpine?

Mitnichten. Auf der deutschen Autobahn ist sie als S schneller (immerhin 260 km/h). Und auf schönen, geschwungenen Landstrassen oder über die bekannten Schweizer Pässe ist sie so geschärft mehr noch als vorher das Gerät der Wahl. Sie lässt sich noch präziser setzen, sie kommt – im richtigen Drehzahlbereich – noch besser aus der Biegung, sie macht unglaublich lang keinen Wank. Und die Kurvengeschwindigkeiten sind – auch dank der feinen Gummis – noch jenes Quentchen höher, das die Mundwinkel noch höher zieht. Auf der Landstrasse sind die Bremsen feinst, gut dosierbar, vielleicht würde man sich am Berg aber wünschen, dass sie noch etwas gnadenloser zupacken. Man kann sich das Setting des Wagens ja auch schön individuell einstellen, dann passt das alles bestens. Aber man muss das schon auch wollen, nötig gewesen wäre es nicht unbedingt. Zumal es ja noch ein paar Franken kostet, 12’100 Franken mehr als die Basis, mindestens 74’800 Franken also (718 Cayman ab 73’540 Franken – aber man weiss ja, was da nur schon die Boden-Teppiche als Aufpreis kosten…).

All you need?

Ja. Wir mögen sie einfach in ihrer feinen Schlichtheit, die Alpine A110, auch als S. Optisch ist die Französin die schönste aktuelle Form von Retro (ausser: in Grau), sie ist kompakt, sie ist leicht, sie ist nicht gnadenlos übermotorisiert, sie ist auch nicht so gnadenlos teuer. Man bewegt sie so wunderfein entspannt wie wohl keinen anderen Sportwagen derzeit, sie ist wirklich dafür geschaffen, dass man morgens ein paar Stunden früher aufsteht und vor der Arbeit noch ein paar Pässe vernascht. Zur Arbeit dann fährt man aber mit einer Zoe aus dem gleichen Haus.

Es gibt noch einen sehr guten Grund, sich so eine Alpine anzuschaffen: Man hilft damit der so sympathischen Manufaktur in Dieppe. Denn die Zahlen und Zeiten sind mehr so rosig. Zwar wurden schon mehr als 8000 Alpine verkauft, doch in den letzten Monaten gingen die Absatzzahlen so deutlich zurück, dass die Tagesproduktion von 15 auf sieben Exemplare gedrosselt wurde. Der S wird nun auch nicht für eine entscheidend grösse Nachfrage sorgen, er konkurrenziert er mehr die schon vorhandenen Modelle. Und leider muss man sich dann halt schon die Frage stellen – wie kann das weitergehen bei den Franzosen? Als sicher darf gelten: ein SUV wird es nicht geben.

Mehr Alpine (und Renault) haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Test Alpine A110 S erschien zuerst auf radicalmag.