BMW V16 – «Goldfisch»
Wie begossene Pudel
Es war schon Herbst im Jahre 1987, und bei Mercedes in Stuttgart standen sie da wie begossene Pudel. Zwar hatten die schwäbischen Ingenieure schon bei der Baureihe 126 (ab 1979) Überlegungen angestellt, sie mit einem Zwölfzylinder zu krönen. Doch man liess es dann bleiben, die britischen Bastler von Jaguar sah man eh nicht als Konkurrenz, BMW traute man sowieso nichts zu, Audi hatte ab 1980 zwar Allradantrieb, aber sonst nix. Als BMW im September 1987 auch für die Fachwelt ziemlich überraschend den BMW 750i, 5 Liter Hubraum, 300 PS, zwölf Zylinder, zu den Händlern schob, da sah die einst so glorreiche S-Klasse so alt aus, wie sie es auch war. Er war ein grossartiger Prestige-Erfolg für die Bayern, dieser erste V12 der deutschen Nachkriegszeit.
Aber noch bevor der Zwölfzylinder überhaupt auf den Markt kam, bat der damalige BMW-Chef Karlheinz Lange am 8. Juli 1987 den V12-Konstrukteur Adolf Fischer zu sich – und verlangte nach: mehr. 16 Zylinder sollten es sein. Und das schnell. Fischer soll geantwortet haben: «Zu Weihnachten liegt der Motor unter dem Tannenbaum.» Allerorten ist nun zu lesen, dass BMW den V16 wollte, weil die Sterne aus Stuttgart ebenfalls einen V12 ins Rennen schickten. Das stimmt aber gar nicht, weil Mercedes mit der Planung und Konstruktion des M120, des ab 1991 für die Baureihe 140 (und später auch R129) angebotenen 6-Liter-V12 und 408 PS, erst 1988 begann. Und da lag der V16 von Adolf Fischer bereits unter dem Tannenbaum, denn selbstverständlich hielt dieser nicht bloss zeitlich sein Wort, sondern hatte die neue Maschine auch bereits in einen gerade herumstehenden 735iL, den man sich «auf dem kurzen Dienstweg» beschafft hatte, eingebaut und ziemlich ausführlich getestet. Das Projekt erhielt den Namen «Goldfisch» und war nur einem kleinen Kreis von BMW-Mitarbeitern bekannt.
Wie schon der in einem Winkel von 60 Grad gebaute Zwölfzylinder mit der internen Bezeichnung M70 basierte auch der V16 auf dem berühmten Sechszylinder M20B25. Bohrung und Hub blieben mit 84 x 75 Millimeter gleich, genau so wie der Zylinderabstand von 91 Millimetern. Das führte zu einem Hubraum von 6651 cm3, einer Leistung von 408 PS (Zufall?) bei 5200/min und einem maximalen Drehmoment von 613 Nm bei 3900/min. Es gab für jede Zylinderbank ein eigenes Steuergerät (Bosch DME 3.3), Alu-Zylinderköpfe und die SOHC-Ventilsteuerung verstanden sich von selbst. Im Gegensatz zum V12, den es ausschliesslich mit Automatik zu kaufen gab, übertrug beim V16 ein manuelles 6-Gang-Getriebe aus dem 8er-BMW die Kraft an die Hinterräder.
Er ging gut, der V16, er schaffte den Sprint von 0 auf 100 km/h in 6 Sekunden. Es war allerdings auch ein Sprint an die Tankstelle: der Verbrauch lag bei irgendwo zwischen 14 und 24 Litern, manchmal wohl auf nur 50 Kilometern. Der Prototyp hatte aber neben viel Durst auch fast keinen Kofferraum mehr: Weil der Motorraum schon voll war (und mit 310 Kilo belastet), wurden zwei grosse Kühlaggregate ins Heck eingebaut, belüftet über zwei mächtige Kiemen in den hinteren Kotflügeln. Ach ja, auch Mercedes entwickelte damals, Ende der 80er Jahre, gleich zwei noch grössere Maschinen. Einerseits einen V16, 540 PS, 8 Liter Hubraum – was zur schönen Bezeichnung 800 SEL geführt hätte. Die hätte auch der W18 getragen, von dem zumindest Zeichnungen und eine interne Bezeichnung (M216) existieren, der aus drei Reihensechsern kombiniert wurde und es in der sportlichen Vierventil-Variante auf gut 700 PS gebracht hätte. Man hatte dann aber wie BMW nicht die den Mut, diese Monster in Serie zu bringen. Schade, eigentlich.
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