Fahrbericht Kia e-Soul
Nicht mehr, nicht weniger
Nun, das Design des Kia Soul ist auch in seiner dritten Generation: Es ist, wie es ist. (Es ist aber anscheinend so «gut», dass Land Rover den «Toaster» für seinen neuen Defender einfach kopierte.) In Europa wird das Fahrzeug, das ein Schrank sowie ein geschrumpfter Mini-Van ist, aber halt leider nicht ganz so praktisch, unterdessen nur noch mit rein elektrischem Antrieb erhältlich – und dafür darf man den Koreanern ein Kränzlein binden. Sie liefern – während viele andere Hersteller nur dampfplaudern. Es sind sogar zwei Varianten erhältlich, das Einsteiger-Modell mit einer 39,2-kWh-Batterie, 136 PS Leistung und einer Reichweite von 270 Kilometern sowie das Top-Modell mit der 64-kWh-Batterie, 204 PS Leistung und einer Reichweite von 450 Kilometern. Selbstverständlich bewegten wir die stärkere Version.
Was zuerst auffällt, wenn man sich in den Kia setzt: Der e-Soul ist ganz einfach ein Automobil, wie wir uns das aus den letzten 20, 30 Jahren gewohnt sind. Es will nicht wie andere e-Dings den Eindruck erwecken, dass er eigentlich auch noch fliegen könnte, dass jetzt ein komplett neues Zeitalter beginnen muss mit ganz viel Blingbling allerorten, er hat keine Kameras als Rückspiegel und auch nicht nur einen riesigen Touchscreen als einziges Bedienungsinstrument. Zwar hat auch Kia beim neuen Soul die Bedienung deutlich vereinfacht, es gibt nicht mehr so viele Schalter und Knöpfe wie auch schon, aber es gibt sie noch (wie auch grössere Mengen an Hartplastik) – und man findet sich sofort zurecht. Heizung und Lüftung funktionieren über Drehschalter, etwas verwirrlich sind einzig die zwei Satelliten im Lenkrad, die eine Vielzahl von Manipulationen erlauben würden – würde man sie denn brauchen. Aber sonst: reinsetzen, auf’s Start-Knöpfchen drücken, losfahren.
Selbstverständlich quasi lautlos, wie bei allen e-Dings. Und auch mit einem mächtigen Bums (395 Nm maximales Drehmoment ab quasi Null), der anscheinend bei den rein elektrischen Fahrzeugen einfach sein muss (und ja, in 7,9 Sekunden auf 100 km/h). Wie am Schürchen zieht er im Sport-Modus ab (geschaltet wird eh nicht), erst so bei etwa 140 km/h wird der Vorwärtsdrang elektronisch wieder etwas eingebremst (Höchstgeschwindigkeit 167 km/h). Das ist beeindruckend, das ist alles so gut gemacht, wie es der heutige Stand der Technik erlaubt. Es gibt aber auch drei weitere Fahr-Modi, im heftigsten Spar-Bereich läuft der Kia dann höchstens noch 90 km/h, rekuperiert so stark, dass man fast den Kopf an der steil stehenden Frontscheibe anschlägt, schaltet aber auch gleich noch die Klimaanlage aus. Bewegt man ihn so, dann sind die 450 Kilometer Reichweite gut vorstellbar – falls man tatsächlich nur hinter Lastwagen einherrutschen mag. Apropos Reichweite: Kia gibt einen Verbrauch von 15,7 kWh an, bei unseren Ausfahrt waren es 17,5 kWh. Laden lässt sich der Kia mit bis zu 100 kW, doch diese Säulen sind ja noch ziemlich selten. Schade ist, dass er mit der eigenen Wallbox nur auf 7,2 kW kommt (in der Schweiz wären problemlos 11,6 kW möglich), schade ist auch, dass die Ladekabel ziemlich unmotiviert im 315 Liter grossen Kofferraum herumliegen (man hätte sie doch bestens vorne, dort, wo kein Motor mehr ist, verstauen können). Aber die Koreaner lernen ja schnell, sie wollen beide Probleme schnellstmöglich beheben.
Ansonsten: Man fährt einfach. Der Kia e-Soul ist keine Sänfte (wie etwa der DS3 Crossback e-Tense) und er ist ganz sicher kein völlig überteuerter Sportwagen (wie etwa der Porsche Tycoon), sondern ein vernünftiges, komfortables Transportmittel, das dem Piloten keine Rätsel aufgeben will. Er fährt sauber geradeaus, er bremst anständig – die wilde Kurvenhatz wird man unterlassen, die teigige Lenkung bietet etwas gar wenig Rückmeldung, doch in der Stadt bietet er ausreichende Agilität, ist dank hoher Sitzposition auch übersichtlich (und erstaunlicherweise nur 4,20 Meter lang; er sieht deutlich grösser aus); auch fünf Passagiere finden genügend Platz. Etwas unnötig ist das dauernde Gepiepse irgendeines Assistenten, doch die Koreaner verkaufen die grossen Stückzahlen in den USA, und dort lauert an jeder Strassenecke ein schmieriger Anwalt mit einer Sammelklage; der wirklich unsägliche Spurhalte-Assi lässt sich erst nach langem Suchen ausschalten. Aber das muss heute so sein, der Gesetzgeber und die sich nicht am Alltagsgebrauch orientierenden NCAP-Regularien verlangen dies.
Noch sind die Preise für die Schweiz leider nicht bekannt, aber man muss wohl mit knapp über 50’000 Franken für den stärkeren und mit knapp unter 40’000 Franken für den schwächeren e-Soul rechnen. Das ist jetzt nicht wirklich ein Schnäppchen, doch die Koreaner können liefern – wenn sie denn liefern könnten, derzeit ist das Interesse so gross, dass die Lieferfristen etwa sechs Monate betragen. Das Warten lohnt sich aber, denn so ein e-Soul mag zwar über ein gewöhnungsbedürftiges Design verfügen, doch ansonsten ist er einfach ein ganz normales, ziemlich praktisches Automobil – das als einzige Besonderheit halt rein elektrisch fährt. Und das dank cleverer Software sehr gut aufzeigt, wie weit man noch fahren kann und wo auch «tanken» (zumindest in Dänemark, wo unsere Probefahrt stattfand). Dieser Pragmatismus ist e-Dingens sonst derzeit noch eher fremd.
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