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Test BMW 320d

Published in radical-mag.com

Besser

Sogar «radical» ist in Whatsapp-Gruppen. Eine davon besteht nur aus Jungs, die alle ein bisschen zu viel Benzin im Blut haben. Und eigentlich alle dieser Buben besitzen einen 3er-BMW, zumeist ältere Modelle, E21, E30, auch E46. Darunter sind richtig scharfe Track-Tools, aber auch schön gepflegte Oldies, in denen die Holde am Wochenende ausgefahren wird – wenn man denn nicht gerade auf der Nordschleife ist. Egal, wie alt der jeweilige 3er ist – die Fahrzeuge werden von ihren Besitzern gern als «jahrzehntbestes Automobil» bezeichnet, bester Motor, bestes Fahrwerk, am meisten: Freude am Fahren. Und ja, wenn man das etwas genauer betrachtet, dann stimmt das auch: so einen Audi 80 oder Mercedes 190 aus den 80er Jahren erachtet heute quasi niemand mehr als begehrenswert – im kompletten Gegensatz zu etwa einem 320i mit Sechszylinder-Motor. Das liegt nicht einmal am Preis oder Werterhalt, auch die älteren 3er gibt es für kein Geld, doch es besteht einfach eine weitaus grössere Faszination. Und häufig auch: Qualität. Als Ganzes, Technik, Design, Style, Fahrspass überragt so ein früherer Dreier noch so manch modern(er)es Gefährt.

«radical» ist mit 02ern, 3ern und 5ern aufgewachsen, Vattern fährt seit den 70er Jahren nur und dafür ausschliesslich BMW. Das prägt selbstverständlich – wenn auch vielleicht nicht nur positiv (es wurde ja dann auch das Kontrastprogramm, Citroën, Alfa Romeo…). Einen 3er habe ich nie besessen (einen 02er schon), aber ich bin ganz, ganz viele davon gefahren – manche auch auf der Nordschleife und anderen anspruchsvollen Rennstrecken. Einen M3 CSL hab ich mal massiv versenkt in einem Kiesbeet. Aber irgendwie war der 3er auch für mich immer das Mass aller Dinge (nicht nur) in seinem Segment, vor allem auch deshalb, weil er mit Abstand am meisten Fahrfreud‘ brachte. In den vergangenen, hmm, fünf, sechs Jahren bin ich allerdings nie mehr (ausführlich) BMW gefahren, dafür haben die Bayern sowie meine Wenigkeit so ihre Gründe. Weil ich nun aber viel Gutes von der jüngsten 3er-Generation, als G20 bezeichnet, gehört habe und auch manch eine Leserin, ein Leser nach einer Einschätzung fragte, bemühte ich mich um einen Testwagen – und erhielt bald schon einen 320d. Als ich ihn abholte, lief ich zuerst einmal am strahlendweissen Wagen vorbei, zu edel erschien er mir für einen Vierzylinder-Selbstzünder, doch BMW kann das halt bestens, M-Line-Anbauteile, böse Felgen – und schon sieht das richtig, richtig gut aus. Ich gebe zu, ich bin zu wenig im BMW-Thema drin, ich könnte die einzelnen Unterschiede zum Vorgänger, dem F30, nicht benennen (ausser vielleicht die etwas spezielle Front mit den Scheinwerfern, die aussehen, als hätte Dali sie gemalt) – aber ich sehe in ihm das schönere, spannendere Auto als bei den beiden deutschen Premium-Konkurrenten. Es ist offensichtlich, dass man sich mit so einem 3er überall sehen lassen kann, jederzeit gut angezogen ist.

Gewachsen ist er mal wieder, der neue 3er, auf 4,71 Meter (der E21 mass noch 4,36 Meter; eine E-Klasse (W123) mass damals 4,64 Meter). Das ergibt für die hinteren Passagiere doch ganz gut Raum, was bei früheren Modellen eine Schwäche war. Doch sitzen will man in einem 3er eh lieber vorn, am besten am Lenkrad, und auch wenn das fahrerorientierte Cockpit schon vor ein paar Generationen sterben musste, so ist die Übersicht doch: glänzend. Es ist jetzt alles digital in der Blickrichtung des Piloten, und auch wenn von anderen Medien moniert wird, dass die Gestaltungsmöglichkeiten eher gering sind – so what? Ach ja, natürlich ist das fröhlich, all diese unterschiedlichen Tralalala bei Peugeot, Renault, Volvo etc., doch wenn man es einmal getan hat, dann tut man es eh nie wieder: beim BMW ist es, wie es ist, und das ist doch gut so. Sogar diesen fetten Dreh-Dödel in der Mittelkonsole habe ich quasi auf Anhieb verstanden (damit hatte ich einst so grobe Probleme, dass ich sogar eine Navi-CD aus dem Fenster in den Fluss werfen musste, weil ich das Ding nicht ausschalten konnte), auch wenn mir weiterhin nicht so ganz klar ist, für was man ihn bei einem Touchscreen denn braucht. Ja, man sitzt gut, schön tief, relativ hart, wie noch so manches an diesem Wagen eine sportliche Härte hat, etwa die Lenkung, die deutlich schwergängiger ist als bei quasi allen anderen Autos. Das ist gewöhnungsbedürftig, doch bald lernt man solches auch schätzen, die Lenkpräzision gehört definitiv zu den grössten Stärken des BMW. Beim Testwagen handelte es sich zwar um einen xDrive, also einen Allradler, aber es ist wirklich erfreulich, dass man kaum Einflüsse auf die Lenkung verspürt. 480 Liter Kofferraumvolumen hat er auch noch, das ist: reichlich.

Klar, auch das Fahrwerk ist deutlich härter abgestimmt als bei ziemlich allen anderen Herstellern. Das verhilft zu einer Fahrfreud’, die man in diesem Segment kaum mehr kennt, der 3er neigt sich auch bei flottem Tempo in engen Biegungen kaum, die Balance des Wagens ist ausgezeichnet (Gewichtsverteilung quasi 50:50) – und die Grenzen liegen weit höher als das Können der meisten Piloten. Wir haben ihn da sehr flott über unsere Teststrecke gehauen, und da war es fröhlicher als mit noch so manch einem (übermotorisierten) Sportwagen – vor 10 Jahren wäre auch ein 911er wohl kaum schneller gewesen. Logisch, auch die Reifen sorgen für ausgezeichneten Grip, doch man spürt gerade bei sportlicher Fahrweise schon sehr gut, dass da BMW da einen Unterschied schaffen will (und auch schafft), dass die Kunst der feinen Abstimmung in München noch etwas gilt. Das merkt man auch daran, dass das ESP kaum je eingreifen muss, dass man schon ganz bewusst «Fehler» machen muss, um den Wagen zu einer Reaktion zu zwingen; quer durch den Kreisel geht aber auch, so man solches Tun noch für opportun hält. Und nein, auch die sportliche Abstufung ist auf der Langstrecke nicht zu hart – wer es will und braucht, kann aber zwischen diversen Fahrmodi wählen. Schön ist halt auch, dass er das so cool aus dem Ärmel schüttelt, völlig unangestrengt, fast schon elegant.

Unser Testwagen war mit dem bekannten 2-Liter-Diesel mit 190 PS und einem maximalen Drehmoment von 400 Nm schon ab 1750/min ausgerüstet, geschaltet wurde automatisch über acht Gänge. Es ist dies eine ganz herausragende Kombination, der Automat wirft völlig unauffällig eigentlich immer die richtige Stufe ein, die Maschine kann dann ihre ausgezeichnete Durchzugskraft auch wirklich voll ausspielen. Es geht sehr gut vorwärts (6,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h), jederzeit, der 3er kommt bestens aus der Kurve, er hat mächtig Vortrieb auf der Autobahn (Höchstgeschwindigkeit 240 km/h) – und er rollt friedlichst einher. Den Selbstzünder hört man nur, wenn man ihn gegen den Begrenzer dreht, meist kommt er aber mit etwas mehr als Leerlaufdrehzahl aus. Und so erreichten wir mit dem 1,6 Tonnen schweren Fahrzeug – das leider tönt wie ein Vierzylinder-Diesel – einen durchschnittlichen Verbrauch von wirklich lobenswerten 5,5 Litern, obwohl wir ihn nicht wirklich geschont haben; beim Rollen auf der Schweizer Autobahn steht da locker auch eine 4 vorne. Das ist schon grossartig, wie das BMW hinkriegt, diese Verbrauchseffizienz bei so viel Fahrspass – das ist definitiv ein Alleinstellungsmerkmal. Und nein, wir wüssten nicht, was da ein Plug-in-Hybrid besser können sollte.

Mit einem Basispreis von 56’000 Franken ist so ein BMW 320d xDrive angeschrieben. Ein Schnäppchen ist er also nicht, zumal dann ja auch noch reichlich Sonderausstattung dazu kommen kann (aber derzeit auch: Rabatte), doch das gilt ja für alle deutschen Premium-Produkte (und lässt sich schwer vergleichen). Doch auch wenn der Preis saftig ist, so muss man dem BMW in der Summe seiner einzelnen Qualitäten und noch mehr als Grossganzes attestieren, dass gerade für Selbst- und Gern-Fahrer kein Weg an ihm vorbei führt. Es gilt auch bei der unterdessen schon siebten Generation, was wir zu Anfang von den älteren Modellen geschrieben hatten: Er überragt sie alle. Locker.

Viel mehr BMW haben wir allerdings nicht in unserem ansonsten sehr vollen Archiv

Der Beitrag Test BMW 320d erschien zuerst auf radicalmag.