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Test Alpine A110 Pure

Published in radical-mag.com

Eine Zigarettenlänge

Es war da ein netter Herrenausflug. Mit ein paar anständigen Geräten, Porsche 911 Turbo S aktueller Bauart, ein ganz frischer CLS von den Bensen (so nennt mein Sohn das Zeugs aus Stuttgart), ein Tesla Model 3, ein böser F-Type von Jaguar, ein gut motorisiertes 2er-Cabrio von BMW und als Höhepunkt ein E-Type, der zum Lightweight umgebaut worden war und wunderbaren Lärm machte. Und dann halt auch noch die neue Alpine A110, mit der wir antraten. Es kam dann der Julier und es kam dann so: bitter für alle andern. Die jetzt auch nicht unbedingt Laubbläser sind. Wir halten es am Berg ja so: Geradeaus ganz brav, 80+, aber alles im Rahmen der Vorgaben der Rennleitung. In den Kurven dagegen: was halt geht. Und das ist dann durchaus auch einmal quer. Und wohl auch ein Unterschied zum Herrenfahrer: beim Überholen absolut konsequent. Auf dem Hospiz, fast ganz oben, betrug der Vorsprung auf den Rest der Gruppe dann mehr als eine Zigarettenlänge. Und das ganz entspannt, locker, mit einem breiten Grinsen im Gesicht, denn die Alpine ist derzeit wohl das Gerät der Wahl für solche Ausflüge. Vor der Kurve so wunderbar leicht, dass man wirklich spät, sehr spät in die Eisen kann; in der Kurve so leichtfüssig und vor allem präzis, dass eine wahre Freud ist; beim Beschleunigen aus der Kurve (und auch beim Überholen) mehr als ausreichend potent, um auch vermeintlich heftigere Geschütze so richtig nass zu machen (was ja wiederum etwas mit dem Gewicht zu tun hat).

Ja, wir lieben die neue Alpine A110, wir wussten es schon beim ersten Eindruck, es war ganz klar nach dem Test und noch mehr nach einem Track-Day. Und wir haben uns gefreut wie kleine Kinder, als Alpine eine so genannte «Pure»-Ausgabe ankündigte: nichts gegen die feine «First Edition», die wir bisher fahren durften, aber die Vorstellung von einer quasi nackten A110 war doch sehr prickelnd. Noch ein paar Kilo weniger würden das Fahrvergnügen noch einmal steigern, die Konzentration auf das Wesentliche noch einmal verbessern. Kein Navi, keine Klima, kein Radio, kein Luxus – was könnte man sich «mehr» wünschen? Leider war es dann nicht ganz so, so richtig «pur» war der Testwagen nicht, da war dann doch einiges verbaut, was man nicht dringend braucht. Und trotzdem – je öfter und weiter man die Alpine fährt, desto grösser wird das Vertrauen, das Wissen darum, was sie kann. Und das ist viel, sehr viel, mehr, als die meisten Piloten wohl erbringen können: Es ist wirklich erstaunlich, wie viel Grip dieser Wagen aufbaut, das Hinterteil bricht nur dann aus, wenn man das gezielt sucht; über die Vorderachse geht er eigentlich nur, wenn man zu heftig auf der Bremse ist (also: vor der Kurve deutlich zu schnell – was man ja dann als Bedienerfehler bezeichnen muss…). Gerade dort am Julier mit seinen schön langgezogenen, übersichtlichen Kurven ist sie grossartig, es ginge noch deutlich flotter, aber da ist auch immer der Gedanke an die Rennleitung – austoben kann man sich ja in den ganz engen Biegungen, in denen der Wagen mit seiner Agilität, der extrem Lenkpräzision und seiner Übersichtlichkeit schlicht begeistert. Und halt auch jederzeit beweist, dass bei knapp 1100 Kilo Gewicht auch «nur» 252 PS problemlos ausreichen. Der Verbrauch, übrigens, lag bei diesem Herrenausflug bei 8,2 Litern – das ist zwar deutlich mehr als die vom Werk angegebenen 6,1 Liter, aber trotzdem lobenswert. Nur der Tesla war in diesem Grüppchen noch sparsamer (aber dafür auf der Langstrecke mit anderen Problemen konfrontiert)… Einer der Herrenausflügler wollte die Alpine dann auch unbedingt noch fahren (und war absolut beeindruckt), ein anderer, wir wissen es, fuhr kurz darauf zum Händler.

Doch wir bewegten die Alpine – weiss ist cool, oder? – auch sonst fleissig. Beim Einherrollen auf der Autobahn zwischen Zürich und Bern sinkt der Verbrauch unter 7 Liter, doch für solches braucht ja niemand einen Sportwagen. Obwohl der Franzose auch sehr komfortabel kann. Und erfreulich ruhig. Auch in der Stadt macht er eine gute Figur, obwohl man quasi auf der Höhe des Trottoirs sitzt, aber weil er so kompakt ist, findet man auch alleweil einen Parkplatz. Etwas anstrengend können die vielen Kommentare und hochgereckten Daumen sein, man mag irgendwann gar nicht mehr alle grüssen, die die Alpine toll finden. Über das Bediensystem haben wir schon im Test geschrieben, das ist alles in bester Ordnung – trotzdem haben wir uns angewöhnt, nach Google Maps navigiert zu werden, da wird halt einfach die aktuelle Verkehrslage am besten dargestellt. Und wenn man dann wählt: Kürzeste, dann wird man oft schön über Land geleitet. Was man ja unbedingt will mit der Alpine. Dann sticht einem wieder der Hafer, man drückt wieder aufs Knöpfchen für «böse» – und hat dann ein schlechtes Gewissen, nicht Flugscham, aber: Rechtssicherheit.

In Frankreich sieht man die Alpine erfreulich oft (bester Parkplatz: inmitten einiger 2CV bei den 100 Jahren Citroën in La Ferté-Vidame – und niemand war böse, ganz im Gegenteil, da sind die Franzosen sowohl locker wie auch patriotisch…). In der Schweiz hat der Franzose noch nicht so richtig eingeschlagen, im ersten Halbjahr wurden 125 Exemplare verkauft (Porsche Cayman: 32; Porsche 911: 279): er hätte da mehr verdient. Zumal er mit einem Basispreis von 62’700 Franken (und mehr braucht es wirklich nicht, ausser vielleicht die schönen Fuchs-Felgen. Und ja, unbedingt die feinen Sabelt-Schalensitze) im Konkurrenzumfeld auch ziemlich einmalig günstig ist. Wir freuen uns derweil auf die neue Alpine A110S – es wäre schön (clever?), wenn die Franzosen davon so ein richtig böses Track-Day-Dings anbieten würden, einfach nur der reine Spass an der grossen Freud’. Beim Megane R.S. haben sie ja nun schon doppelt nachgelegt, es ist davon auszugehen, dass auch die Alpine davon profitieren wird.

Mehr schöne Fahrzeuge gibt es alleweil in unserem Archiv.

Der Beitrag Test Alpine A110 Pure erschien zuerst auf radicalmag.