Open Menu
Open Menu
 ::

Fahrbericht Renault Clio

Published in radical-mag.com

Nichts falsch oder alles richtig?

Aston Martin hat es wahrscheinlich erfunden, das neue Automobil, das genau gleich aussieht wie sein Vorgänger. Ok, bei Aston Martin sehen alle Autos aus wie einst ein Jaguar, doch es ist Mode geworden, Evolution statt Revolution heisst das dann im Marketing-Jargon, Audi und BMW praktizieren das auch seit Generationen von A4 und 3ern und 5ern und A6. Dass jetzt aber auch noch Renault in diesen Kanon einstimmt, stimmt irgendwie traurig, mit Wehmut erinnert man sich an noch so manches Modell, das in den vergangenen Jahrzehnten wahrhaftige Trends gesetzt hatte, Avantime und Vel Satis mögen wenig Erfolg gehabt haben, aber hey, Espace und Scenic und der erste Twingo und Megane und auch der Clio. Der neue Clio nun sieht aus wie der auslaufende Clio – und das hat gemäss Renault in erster Linie den Grund, dass sich der Kleinwagen verkauft wie warme Semmeln, das bisherige Modell hatte 2018 sein bestes Jahr.

Die fünfte Generation Clio ist aber komplett neu, sie steht auf einer Plattform, die als CMF-B bezeichnet wird und in Zukunft alle nur erdenklichen Antriebsformen ermöglicht, also auch rein elektrisch und alles dazwischen. Für den neuen Clio ist vorerst nur ein Vollhybrid angekündigt (kommt dann 2020), doch die Franzosen haben mit dem Zoe ja bereits ein vollwertiges und auch erst kürzlich aufgefrischtes E-Auto im Angebot. Der neue Clio ist im Vergleich zum Vorgänger erfreulicherweise etwas kompakter ausgefallen, wurde minimal kürzer (jetzt 4,05 Meter) und flacher (jetzt 1,44 Meter), bei einer Breite von 1,8 Metern versprechen die Franzosen aber trotzdem einen deutlichen Zuwachs an (gefühltem) Innenraum. Nach einer ersten Ausfahrt müssen wir dem entgegenhalten, dass die sehr massiv ausgefallene Mittelkonsole den vorderen Passagieren ein nicht gerade fürstliches Raumangebot beschert. Die Gestaltung dieser Mittelkonsole hat wohl in erster Linie optische Gründe, es folgen mittig die Bedienelemente und ein je nach Aussattung auch mächtiger Touchscreen, das wirkt dann dafür wie aus einem Guss, sprich: der Bildschirm wirkt nicht so aufgesetzt wie in anderen Kleinwagen.

Man könnte nun auch noch länglich über das Renault-Bediensystem philosophieren, doch das ist alles eine Frage der Gewöhnung, wenn man einen Wagen täglich fährt, macht man das bald blind. Im neuen Clio ist das jetzt alles so, wie es in allen kürzlich erneuerten Renault ist – das gilt auch für die Grösse des Touchscreen, wer mehr bezahlt, kriegt auch mehr Durchmesser. So hält es sich auch mit dem digitalen Kombi-Instrument vor dem Lenkrad. Zu loben wären dann da noch die Sitze, die nicht nur gut aussehen, sondern sowohl prächtigen Seitenhalt wie auch feinen Komfort bieten, zumindest in der R.S.-Linie (das Bessere ist des Guten Feind – und kostet halt auch in diesem Fall Aufpreis). Mit 391 Litern Volumen will der Clio den grössten Kofferraum im Segment bieten; die Kante liegt allerdings etwas hoch, was höheren Sicherheitsstandards geschuldet ist. Fünf Sterne NCAP sind bei den Kleinwagen nicht selbstverständlich.

Neben den tatsächlichen und auch gelungenen Revolutionen im Innenraum betreffen die wichtigsten Neuerungen beim Clio die Benzin-Motoren. Es gibt einen neuen Dreizylinder mit 1 Liter Hubraum und 75 oder dann 100 PS; wir fuhren die stärkere Variante und waren positiv überrascht von der Laufruhe des Motors. Und weniger erfreut von der Durchzugskraft, obwohl auf dem Papier durchaus anständige 160 Nm maximales Drehmoment zur Verfügung stehen. Doch die Leistung kommt sehr linear und alles andere als wild bis etwa 5000/min, danach wird die Maschine eigentlich nur noch lauter. Für die Schweiz ist sicher der 1,3-Liter-Vierzylinder mit 130 PS und 240 Nm maximalem Drehmoment, wie er auch schon in diversen anderen Renault-Modellen verbaut ist, die bessere Wahl. Er wird allerdings nur mit dem 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe geliefert, was den Anschaffungspreis dann schon wieder deutlich in die Höhe treibt. Doch dieser Antrieb, also Motor in Kombination mit Getriebe, kann derart überzeugen sowohl in Laufruhe wie auch Kraftentfaltung, dass man sich fühlt wie in einem anständig motorisierten Mittelklasse-Wagen. Leider scheint sich aber auch Renault aus unerklärlichen Gründen vom Dieselmotor verabschieden zu wollen, es steht einzig noch ein 1,5-Liter-Selbstzünder mit bescheidenen 85 PS im Angebot. Ja, wir bezeichnen diese Motoren-Politik als Fehler. Punkt. Als Ausrede mag allenfalls noch dienen, dass ja dann noch dieser Vollhybrid kommt.

Was uns aber am neuen Clio bei dieser ersten Ausfahrt am meisten überzeugen konnte, was das Fahrverhalten. Die Frage ist da allerdings: interessiert das überhaupt noch jemanden? Man hat so den Eindruck, dass Connectivity heute wichtiger ist als Lenkpräzision, dass eine 360-Grad-Kamera mehr bringt als feiner Langstrecken-Komfort, dass dieser so unnötige Spurhalte-Assi mehr Aufmerksamkeit verdient als eine sauber abgestimmte Vorder- und Hinterachse. Diese Prioritäten setzen übrigens auch die Hersteller selber, über das Fahrverhalten wird kaum noch gesprochen, über die Assistenzsysteme (die eh überall gleich sind, stammen sie doch von den immer gleichen Zulieferern) hingegen länglich. Es ist dies eine ungute Verschiebung der Relevanz, aber sie hat halt viel zu tun mit der fortschreitenden Elektrifizierung des Automobils, die auch eine Gleichmacherei ist. Trotzdem (oder: trotzig?) sei aber vermeldet, dass sich der neue Clio richtig, richtig gut fährt, sehr komfortabel ist, aber auch nichts einzuwenden hat gegen flotter umrundete Kurven. Gute Lenkung, gute Bremsen, alles in bester Ordnung. Als Gewicht werden 1042 bis 1277 Kilo angegeben (auch so ein Thema, das man einmal etwas genauer betrachten müsste, 20 Prozent Differenz sind beträchtlich – und müssten ja auch Auswirkungen auf den (Flotten)-Verbrauch haben, oder?). Ach ja, Verbrauch: 4,7 Liter im Schnitt für den 100-PS-Benziner, 5,5 Liter für den 130-Pferder und 3,8 Literchen für den Selbstzünder.

Die Einstiegsvariante mit dem 75-PS-Motor wird es schon ab 14’900 Franken geben, für einen anständig ausgestatteten 130-Pferder sind dann fast 25’000 Franken fällig. In Sachen Verkaufspreis ist Renault ja aber immer absolut konkurrenzfähig, man braucht sich auch bei der fünften Generation des Clio keine Sorgen zu machen um den Erfolg. Eine Frage stellen wir uns aber trotzdem: Wenn man nichts falsch macht, macht man dann alles richtig?

Mehr Renault gibt es immer in unserem Archiv.

Der Beitrag Fahrbericht Renault Clio erschien zuerst auf radicalmag.