Fahrbericht Hyundai Nexo Fuel-Cell
Der Konjunktiv
Das Thema ist, wieder einmal, komplex. Auf den ersten Blick erscheint das Konzept der wasserstoffbetriebenen Fahrzeuge verführerisch, anstatt CO2 entströmen ein paar Tropfen sauberes Wasser dem Auspuff, das Betanken dauert in etwa gleich lang wie bei einem Verbrenner (und folglich deutlich weniger lang als bei einem E-Auto), auch um die Reichweite braucht man sich keine Sorgen zu machen. Theoretisch könnte Wasserstoff problemlos mit Hilfe von regenerativen Ressourcen hergestellt werden, Wind, Sonne, dafür gibt es auch schon allerlei hochtrabende Projekte. Aber, und genau hier verblasst der Glanz: es kommt alles nicht so recht ins Laufen, derzeit entsteht der grösste Teil von Wasserstoff als (noch billiges) Abfallprodukt aus der nicht eben umweltfreundlichen Petrochemie. Dänemark und Norwegen machen vorwärts, es wird mit reichlich vorhandenem Strom aus Windkraft, der sich ja leider nicht speichern lässt, Wasserstoff erzeugt, der dann auch in eine zwar nur langsam, aber immerhin wachsende Infrastruktur von entsprechenden Tankstellen eingespeist werden kann. Solche Tankstellen sind ausserdem noch in Kalifornien in einem grösseren Umfang vorhanden, ansonsten sind es vor allem: Projekte. Denn ganz so einfach ist das alles ja auch nicht, Wasserstoff muss unter viel Druck gelagert und dann auch getankt werden, die Sicherheitsvorschriften sind heftig, es lassen sich nicht einfach bereits vorhandene Zapfsäulen für Benzin und Diesel nutzen. Doch der wirklich entscheidende Punkt ist noch ein anderer: Fuel-Cell-Autos werden auch elektrisch angetrieben, doch die Energie dafür stammt nicht direkt aus Batterien wie bei den E-Fahrzeugen, sondern wird über den Umweg der «Verbrennung» von Wasserstoff geschaffen. Das bedeutet, dass ein Wasserstoff-Fahrzeug immer weniger energieeffizient sein wird als ein E-Auto, weil es eben noch einen Zwischenschritt braucht. Das mindert den Wirkungsgrad entscheidend – und um genau diesen Wirkungsgrad muss es doch bei allen zukünftigen Antriebssystem gehen. Die Betonung liegt hier auf: muss. Je nach Studie liegt er übrigens bei den Fuel-Cell-Fahrzeugen (derzeit) ganz in der Nähe von Diesel-Fahrzeugen.
Dass mit Toyota, Honda und Hyundai vor allem asiatische Hersteller trotzdem eine, wenn auch vorerst noch kleine Wette eingehen auf die Fuel-Cell, hat verschiedene Gründe. Gerade in Asien gibt es noch manches Land, das bei der Erzeugung von Strom so bald nicht auf einen buchstäblich grünen Zweig kommen kann; Braunkohle ist in seiner CO2-Bilanz in Richtung verheerend, auf Atomkraft haben – zum Glück – auch nicht alle Zugriff. Ausserdem: Man forscht sowieso, die Technik ist verfügbar – und es lassen sich noch ein paar Mirai, Clarity und neu jetzt auch Nexo in den Markt pressen, welche den Flottenverbrauch mindern können. Auch darf man schon davon ausgehen, dass Wasserstoff in Zukunft umweltfreundlich hergestellt werden kann, dass die Lagerung und Abgabe vereinfacht werden können – und da wäre es sicher falsch, wenn Research & Develpoment eingestellt würden, auch im Hinblick auf die Nutzfahrzeuge, bei denen Wasserstoff bald einmal eine grössere Rolle spielen könnte. Es bleibt das Problem vom Wirkungsgrad – und der wird im Vergleich zu den E-Autos, die derzeit die grössten Entwicklungsschritte machen, nicht besser werden; die Gesamtenergiebilanz, «well-to-wheel», ist je nach Studie auch schwer einzuschätzen. Es sei der Effort gerade von Hyundai aber trotzdem gewürdigt, mit dem Nexo ist ein Automobil verfügbar, das keine lokalen Emissionen verursacht – und für jene, die im näheren Umkreis einer Wasserstoff-Tankstelle unterwegs sind, eine Alternatve sein könnte. Man beachte den Konjunktiv, denn wie sagte unser aller Loddar doch erst kürzlich so schön: Wäre, wäre, Fahrradkette.
Der Hyundai Nexo sieht aus wie eines dieser gerade so trendigen Crossover-SUV mit einem Hauch Kombi – sein Design ist dem (kleineren) Kona angelehnt, es ist also nichts mit futuristischem Aussehen, das auch optisch anzeigen würde, dass hier kein normaler Verbrenner fährt. Das ist gut so. Oder langweilig. Oder vielleicht eine vertane Chance, wir mögen das nicht beurteilen müssen; die Möglichkeit, das Fahrzeug aufgrund anderer Bauteile (also: dem fehlenden Motor) anders zu gestalten, mag Hyundai wie viele E-Auto-Hersteller nicht nutzen. Innen ist der Nexo dann nicht ganz so klassisch, das sieht dann sehr modern aus, eine sehr, sehr breite Mittelkonsole mit ganz vielen altmodischen Knöpfchen – zeitgemässer Bedienungskomfort sieht anders aus. Und Ergonomie auch. Und haptisch, naja – wenn sich Hartplastik anfühlt wie Hartplastik und auch noch so riecht, dann wird es sich wohl auch um Hartplastik handeln. Das Raumgefühl, immerhin, ist in diesem doch staatlichen Fahrzeug (4,67 Meter lang, 1,86 Meter breit, 1,63 Meter hoch) ganz gut, es gibt auch reichlich Kofferraum (461 bis 1466 Liter), dies auch deshalb, weil es gleich drei gut verteilte Wasserstofftanks gibt. Dort werden bei 700 bar 6,33 Kilo Wasserstoff gelagert, die eine Reichweite nach WLTP von stattlichen 660 Kilometern möglich machen sollen. «range fear», das war einmal – andererseits gibt es in der Schweiz (derzeit) genau eine (in Zahlen: 1) Wasserstoff-Tankstelle.
Im Vergleich zum Vorgänger, dem iX35 FC, wurde aber nicht nur die Reichweite deutlich verbessert. Der Nexo hat anstatt 136 jetzt 163 PS maximale Leistung (wobei wir hier besser von kW sprechen, 120, denn der Vortrieb erfolgt ja über einen Permanentmagnet-Elektromotor und ein einstufiges Reduktionsgetriebe auf die Vorderräder) und ein maximales Drehmoment von 395 Nm. Damit geht sich der Sprint von 0 auf 100 km/h in 9,5 Sekunden aus, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 179 km/h. Es müssen aber, trotz verhältnismässig kleiner Lithium-Ionen-Batterie, auch mindestens 1,8 Tonnen bewegt werden. Und wenn wir nun die ersten Fahreindrücke beschreiben, müssen wir uns bemühen, freundlich zu bleiben: die Lenkung ist schwammig, die Wankbewegungen doch beträchtlich – und die Kraftumwandlung in Längsdynamik, sonst bei elektrisch betrieben Fahrzeugen eine der Stärken, versandet irgendwo im Getriebesumpf (Wirkungsgrad?). Fahrfreude kommt da wahrlich nicht auf, leider. Es ist uns schon auch klar, dass es sich beim Nexo nicht um einen Rennwagen handelt, dass der Spass bei diesem Antriebskonzept nicht an erster Stelle steht, aber: trotzdem.
Und dann kommt gleich noch ein Hammer: obszöne 84’900 Franken verlangt Hyundai in der Schweiz für den Nexo FC. Man kann verstehen, dass der Hersteller die Wasserstoff-Technologie nicht auf ewig subventionieren will, doch es fällt uns nun auch nach längerem Nachdenken kein g’scheites Argument ein, das (derzeit) für die Anschaffung dieses Fuel-Cell-Fahrzeuges zu diesem Preis spricht; so weit fahren, dass es sich durch die (wahrscheinlich) niedrigeren Unterhaltskosten amortisieren würde, kann man gar nicht. Dass man allenfalls an einer (doch eher unsicheren) Zukunft teilnehmen darf, kann wohl auch kein guter Grund sein; für Firmen mag es sich lohnen, wenn das umweltfreundliche Gefährt als reines Marketing-Instrument betrachtet wird, aber in Franken und Rappen geht die Rechnung wohl auch da nicht auf. Ganz besonders dann nicht, wenn man allenfalls noch den rein elektrischen Kona (ab 44’900 Franken, Reichweite nach WLTP 482 Kilometer) betrachtet.
Wir haben da in unserem Archiv mehr Hyundai. Ganz besonders diesen hier…
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