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Fahrbericht Mercedes A-Klasse

Published in radical-mag.com

Sternenstaub

Zur Erklärung: Mercedes-Benz hat sich der unabhängigen Berichterstattung quasi entledigt, das Regime darüber, was über Marke und Produkte geschrieben wird, selber in die Hand genommen. Der geneigten Presse werden feine Texte mit wunderbaren Photos und Videos schön «vorgefertigt» und mit entsprechender Marketing-Macht in Blatt oder online gedrückt, zu Produkt-Präsentationen wird nur noch geladen, wer sich gern und dann auch tief bückt vor dem Stern; Testwagen erhält nur noch, wer in den vergangenen 10 Jahren nie ein kritisches Wort geäussert hat. Das macht alles ja auch Sinn: Presse-Arbeit kostet Geld – und wenn ein börsenkotierter Konzern Geld ausgibt, dann verlangen der Finanzer und die Shareholder auch einen vernünftigen Return on investment. Und der findet natürlich nicht statt, wenn Unternehmen oder Automobile nicht im Sinne von «Das Über-Beste» beschreiben werden. Die Zensur geht so weit, dass Mercedes selbst der Jury von «Car of the Year», immerhin der «Oscar» der Automobil-Industrie, keine Testwagen mehr zur Verfügung stellt, es wurde sogar schon aktiv verhindert, dass Jury-Mitglieder Stern-Wagen für einen Vergleichstest mieten konnten. «radical» steht schon seit Jahren auf der schwarzen Liste (die selbstverständlich nicht existiert…).

Beim Anblick der aktuellen A-Klasse, einem Mietwagen, haben wir für dieses Verhalten vollstes Verständnis. Mercedes hat ein ganz intensives Design-Problem, die A-Klasse ist der perfekte Ausdruck dafür. So ein nicht aufgebretzelter A200 wirkt wie aus dem letzten Jahrtausend, würde er aus Korea oder Frankreich stammen, dann würde die deutsche Presse ihn ungespitzt in den Boden rammen, mit Spott und Hohn übergiessen, dann anzünden. Bitte, das alles wirkt so unharmonisch, das Verhältnis zwischen Radstand und Aufbau ist so gelungen wie bei einem Dackel, spätestens an der A-Säule ist den Zeichnern jeder Anflug von Kreativität verlorengegangen, das Heck ist so ideenlos wie das Spiel der deutschen Fussball-Nationalmannschaft an der WM in Russland (ok, der war jetzt böse); diese Lampen, furchtbar. Und der Überhang vorne, wie bei einem Ameisenbären. Vor allem aber: stählerne Langeweile.

Innen ist besser, das breite Bildschirmband durchaus ansehnlich; die von Mercedes selbst hochgelobte Connectivity funktionierte tatsächlich tadellos, iPhone anstecken, verbinden, hoppla, «ich bin schon drin?». Die drei mächtigen Bullaugen in der Mittelkonsole, auch Lüftungsdüsen genannt, sind allerdings schon sehr dominant. Am Bediensystem versuchten wir uns gar nicht erst, wie erwähnt, wir haben nicht so viel Übung mit den Sternen. Unser Proband, ein Mietwagen, kam nicht einmal in der Stierkämpfer-Ausrüstung (also: ohne Extras), er hatte Leder und reichlich Klavierlack – und doch wirkt das alles nicht so, wie ein Mercedes halt aussehen sollte. Die eigenen Ansprüche der Marke sind ja hoch, «das Beste» und so, aber erfüllt werden sie bei weitem nicht; noch selten haben wir derart billige Hebelchen am Lenkrad gesehen. Anständige Sitze, immerhin – aber auch das kann jeder Opel besser. 370 Liter Kofferraumvolumen sind in diesem Segment üblich, die 1210 Liter bei abgeklappten Sitzen sind dann aber nicht übermässig. Und dies, obwohl die neue A-Klasse auf stolze 4,44 Meter gewachsen ist.

Wir sehen das halt so bei Mercedes-Benz: da müsste jeder Wagen das Zeug zum Klassiker haben. Den Erfolg der letzten Jahre verdanken die Stuttgarter aber nicht ihren klassischen Modellen, S-Klasse, E-Klasse, C-Klasse, SL (wird der überhaupt noch gebaut?), sondern diesen frontgetriebenen Unter-Klassen, die mit ihren Kampfpreisen ein Publikum zu den Händlern lockt, das noch vor wenigen Jahren Mercedes nicht einmal hätte korrekt schreiben können (das liegt, zumindest in der Schweiz, an einer Rabatt-Politik, die sowohl das Flotten- wie auch das Gebrauchtwagen-Geschäft kaputt macht). Wenn der Preis aber so heiss sein kann, dann muss irgendwo gespart werden – und genau so sieht die A-Klasse auch aus. Und so fährt sie sich auch.

Diese Mercedes-Lenkung, bei der man gefühlt immer noch ein bisschen überdrehen muss, haben wir nie verstanden. Unser A200 war auch sonst kein Ausbund an Präzionsarbeit, mehr so: schwammig. Wir fuhren beim #tannistest2018 alle Fahrzeuge auf der gleichen Strecke, da gibt es so eine Kuppe, auf die eine Rechtskurve folgt – und da haben wir ihn fast verloren, den Benz. Zuerst kam er zu heftig aus den Federn, dann tauchte er zu tief ein – und dann wurde es brenzlig. Aber kann ja mal vorkommen, es gab noch ein anderes Fahrzeug, das uns da vor Probleme stellte (Fahrbericht Lexus UX folgt…). Geradeaus kann er aber gut, der Stern, da ist er angenehm komfortabel – und auch schön leise. Auch am Motörchen haben wir nichts zu bemängeln, der 1,3-Liter-Vierzylinder mit seinen 163 PS (bei 5500/min) und dem maximalen Drehmoment von 250 Nm (bei 1620/min), der seine Kraft über ein (optionales) 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe an die Vorderräder leitet, ist schön drehfreudig, zieht den 1,4-Tonner anständig vorwärts (0 auf 100 km/h gemäss Werk in 8 Sekunden). Der Verbrauch soll bei 5,7 Litern liegen, aber das konnten wir nicht nachprüfen.

(Was wir halt nicht verstehen, nicht nur bei Mercedes nicht, ist die Bezeichnung. Warum A200? Er hat keine zwei Liter Hubraum (dafür einen Renault-Motor…), er hat keine 200 PS, weder Drehmoment noch Radstand könnten passen. Wenn auf einem 35-Liter-Müllsack (der Vergleich ist selbstverständlich rein zufällig) stehen würde: 60 Liter, dann wäre es doch: schwierig. Wieso wird das eigentlich nicht geregelt – die EU hat doch sonst für alles ein Reglement, Gurken dürfen sich auf 10 Zentimetern maximal 10 Millimeter krümmen, Kondome müssen fünf Liter Flüssigkeit aufnehmen können. Gut, bei Audi ist es noch eigenartiger, davon später dann auch: mehr…)

So ein A200 kostet in der Schweiz ab 37’180 Franken. Dafür muss ein altes Mütterchen ja nun lange stricken. Wir wagen aber zu bezweifeln, ob sie dann glücklich wäre – es steht zwar Mercedes drauf, aber das, was wir als Mercedes kannten, ist da nicht drin; «das Beste» ist sogar in diesem Segment weit entfernt. Einverstanden, mit 40 Prozent Rabatt (was anscheinend durchaus üblich ist) sieht das alles dann wieder ganz anders aus. Aber trotzdem – da kauft man sich doch lieber einen Dacia Duster, der tut wenigstens nicht so hochnäsig. Der hat dann zwar keinen so schönen Bildschirm, aber eine Smartphone-Verbindung kriegt er auch hin (etwas anderes zählt ja heute anscheinend bei einem Automobil nicht mehr). Übrigens: die Preisliste der A-Klasse umfasst 64 Seiten.

Viel Mehrcedes findet sich nicht in unserem Archiv, vielleicht noch ein paar ältere Modelle.

Der Beitrag Fahrbericht Mercedes A-Klasse erschien zuerst auf radicalmag.