Test Opel Insignia Sports Tourer
Zweitmeinung
Noch nicht lange ist es her, da haben wir hier den Opel Insignia fast schon ein wenig überschwenglich gelobt (nachzulesen: hier). Damals handelte es sich um die Limousine als GSi mit dem 260 PS starken Benziner. Jetzt fuhren wir auch noch den Kombi, bei Opel unterdessen Sports Tourer genannt, wieder als GSi, diesmal aber mit dem 210 PS starken Diesel. Eine Kombination, die uns eigentlich bestens hätte gefallen müssen, wir mögen Kombi, wir bleiben der Überzeugung, dass die Diesel eine Zukunft haben; Allradantrieb und die Automatik mit 8 Gängen sind in der Schweiz ja quasi Pflicht. Aber dann war es genau dieser Antrieb, der uns Kopfschmerzen bereitete.
Auf dem Papier ist ja alles prachtvoll, ein moderner 2-Liter-BiTurbo, 480 Nm maximales Drehmoment schon bei 1500/min, er will in 7,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h rennen und maximal 231 km/h schnell. Der Verbrauch des 1,7 Tonnen schweren Wagens soll gemäss Werk bei 7,3 Litern liegen – und in dieser Hinsicht enttäusche er uns dann auch nicht, wenn man so ein bisschen innerhalb der gesetzlichen Limiten über die Schweizer Strassen rutscht, dann geht es sogar mit einer 6 vorne. Aber sonst waren Maschine und Getiebeabstimmung ein bisschen: eigenartig. Obwohl ja mehr als reichlich Drehmoment zur Verfügung steht, suchte die Automatik einigermassen hektisch nach der richtigen Stufe, kaum eine Bewegung am Gaspedal, die nicht auch mit einem Gangwechsel quittiert wurde. Drückt man etwas tiefer durch, dann drehte der Opel auch unnötig lange hoch – irgendwie fehlte ihm die Lockerheit, welche Selbstzünder doch eigentlich auszeichnen sollte. Und im Vergleich zum Benziner war der Diesel auch deutlich lauter.
Irgendwie schade, denn der Insignia ist als GSi nicht der Sportler, sondern mehr so: der Souverän. Der Fahrkomfort ist hoch (auch dank der wiederum ausgezeichneten AGR-Sitze), man gleitet eigentlich ganz entspannt, man hat das Gefühl, man können auch bis Hamburg durchfahren (von der Schweiz her). Will man doch etwas sportiver um die Biegungen, dann hat der 4,99 Meter lange Opel auch nichts dagegen, die Lenkung ist präzis, Neigung verspürt man eh quasi keine, das macht er bestens – wenn er nicht auch da dauerend nervös auf der Suche nach der vom Computer als richtig erachteten Fahrstufe wäre. Einen Einfluss des Allradantreibs verspürt man nicht, aber die Schweizer wissen ja: der nächste Winter kommt bestimmt.
Wir haben das schon bei der Limousine erwähnt, wir schreiben das nun auch beim Sports Tourer: Optisch ist der neue Insignia im Vergleich zu seinem Vorgänger etwas fad. Einverstanden, vielleicht war dieser Vorgänger für die eher konservative Opel-Kundschaft ein bisschen «too much», doch man muss beim Neuen auf der Strasse halt schon schauen, ob er es wirklich ist: aussergewöhnliches Design sieht anders aus. Das gilt beim Kombi sogar noch mehr als bei dem Limo, man ist froh um den Blitz vorne und hinten. Dafür ist er halt riesig, der Kombi, mit seinem fast fünf Metern sechs Zentimeter länger als das T-Modell der E-Klasse von Mercedes, und jenes tritt ja ein Segment höher an (im Preis sind es zwei…). Wir wundern uns auch ein wenig, wo bei all dieser äusseren Grösse der Raum hingekommen ist. Zwar sitzen die Passagiere auch hinten sehr grosszügig, doch 1665 Liter maximales Ladevolumen sind jetzt nicht so wild (der Benz schafft fast 200 Liter mehr), die 560 Liter bei hochgeklapptem hinteren Gestühl sind allerdings grosszügig. Man weiss nun ja auch in Rüsselsheim, dass es manchen Flotten-Kunden auf jedes Literchen ankommt; immerhin ist die Ladekante angenehm tief.
GSi hat zwar eine sportliche Vergangenheit, doch unterdessen ist dies ja in erster Linie die gehobenste Ausstattungslinie. Es sieht auch gut aus, innen, viel Klavierlack und eine Leder auf dem Cockpit; das Bedienungskonzept geht im Insignia allgemein noch nicht den letzten Schritt, man beschränkt sich nicht auf den Touchscreen, sondern vertraut weiterhin auf Knöpfchen und Schalter (wenn auch viel weniger als noch im Vorgänger); die schon erwähnte eher konservative Opel-Kundschaft ist damit wohl wohler. Wie schon im Benziner haben wir uns aber wieder über Spurhalte-Assi geärgert, man muss dies Ding nach jedem Neustart manuell ausschalten. Und man muss, es nervt nur – überhaupt packt Opel so ziemlich alle Assistenten in den GSi, die derzeit bei den Zulieferern erhältlich sind. Löblich ist auch das Licht, da gehört Opel (wie bei den Sitzen) zu den führenden Herstellern überhaupt.
Der Sports Tourer kostet 1400 Franken mehr gegenüber der Limousine, mit 55’800 Franken ist der schon bestens ausgestattete Opel aber im Vergleich zur Premium-Konkurrenz ein absolutes Schnäppchen. Und er kann halt in vielen Bereichen tatsächlich mit Premium mithalten, in Sachen Sitzkomfort überragt er gar die Oberklasse, Assis hat er auch alle – und die Unterschiede in Sachen Verarbeitung oder Materialanmutung sind nurmehr Nuancen. Wir würden aber – ausnahmensweise, dafür heftig – zum Benziner tendieren, der macht seine Sache in diesem souveränen Fahrzeug deutlich souveräner.
Mehr Opel haben wir in unserem Archiv.
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