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Test Opel Insignia GSi

Published in radical-mag.com

Zu gut

Das Problem ist: der Opel Insignia ist, auch oder ganz besonders als Benziner-GSi, schlicht und einfach zu gut. Bloss wird das kaum jemand merken – niemand traut Opel ein solches Fahrzeug zu. Zwar sieht es schon nach Opel aus (über Geschmack lässt sich, wie man allgemein weiss, ja trefflich streiten), doch es steckt weit mehr drin als man sich das bislang aus Rüsselsheim gewohnt war. Und dann ist der Wagen auch noch zu günstig, zu diesem Preis, glaubt der typische Premium-Kunde zu wissen, kann das ja gar nicht so gut sein wie ein so ein Super-Cool-Toll-ABM-Produkt (für den Nichtauskenner: Audi, BMW, Mercedes). Und deshalb hat der Insignia halt leider keine Chance, es glaubt so niemand an ihn (PSA?), er wird (wieder) das Dornröschen sein, das kaum jemand aus dem Verkaufsschlaf erwecken will – und in paar Jahren wird dann der Kanon sein, doch, der war doch gut. Zu gut. Dass er in einem Segment antritt, das so langsam vom Aussterben bedroht ist (abgesehen natürlich von: Premium), das macht die Bredouille auch nicht kleiner, sie sind so ein bisschen vom Aussterben bedroht, diese nicht vollkommen überteuerten Limousinen in der gehobenen Mittelklasse.

Dass sie Fahrwerk können in Rüsselsheim, das ist bekannt. Doch beim neuen Insignia haben sie sich jetzt selber übertroffen – in Sachen Gleiten gehört er zur Oberklasse, da sind 5er und A6er und E fiese Böcke dagegen. Auf der deutschen Autobahn rollt der GSi, der mit etwas Anlauf ja auch seine 250 km/h geht, in einer Souveränität ab, die man einem Opel nicht zutrauen würde, sehr komfortabel, sehr ruhig – und sehr stabil. Da hilft natürlich der lange Radstand von 2,83 Metern – die man aber nicht merkt, wenn man etwas flotter um die Biegungen einer Landstrasse eilen mag. Denn auch da macht der GSi seine Sache ausgezeichnet, kaum eine Bewegung des Aufbaus ist zu spüren, der Grip ist bestens (auch dank Allrad; trotz Winterreifen), die Lenkung ist sehr präzis – das macht richtig Freud’. Zwar ist er mit einem Gewicht von gut 1,7 Tonnen kein Leichtathlet, doch das kann die Konkurrenz ja auch nicht bieten.

Dafür sind halt die Platzverhältnisse im 4,91 Meter langen, 1,94 Meter breiten und 1,46 Meter hohen Insignia auf jeden Fall überdurchschnittlich. Man sitzt nicht nur vorne gut (beste Sitze überhaupt, Punkt), auch die hinteren Passagiere haben gut Platz für Beine und auch Kopf (was bei der coupéhaften Silhouette etwas erstaunen mag), dazu kommt noch ein gewaltiger Kofferraum mit 490 Litern Ladevolumen (maximal: 1450 Liter, er macht ja zwar auf Limo, hat aber eine (viel zu schwere) Heckklappe und folglich auch locker abklappbare Rücksitze). Ausser dem Superb von Skoda kann da in diesem Segment niemand mithalten. Auch die Gestaltung des Innenraums ist ansprechend, zwar gibt es noch mehr Knöpfe und Schalter als etwa in einem Volvo, doch dieser konservativere Ansatz wird wohl von der ebenfalls etwas konservativeren Opel-Klientel wohl geschätzt. Ob der Buckel auf der Mittelkonsole jetzt optisch wirklich hübsch ist, das darf man als Geschmacksfrage bezeichnen. Aber wenn das etwa mit einem 5er-BMW vergleicht, dann wirkt der Insignia so viel moderner, dass es fast ein bisschen erschreckend ist. Die reichliche Verwendung von Klavierlack und eine belederte Cockpit-Abdeckung geben der ganzen Geschichte auch einen edlen Anstrich; die Verarbeitungsqualität war bei unserem Testwagen ohne Fehl oder gar Tadel. Solches gilt auch für das Bedienungssystem, alles im grünen Bereich, leicht verständlich, auch das Navi. Etwas ärgerlich war einzig, dass man den Spurhalte-Assi nach jedem Neustart wieder ausschalten muss – wer ganz genau will so ein Ding, gibt es da Untersuchungen, ob den tatsächlich jemand benutzt?

Angetrieben wird der GSi vom bekannten 2-Liter-Vierzylinder, der es in dieser Variante auf 260 PS und ein beachtliches maximales Drehmoment von 400 Nm zwischen 2500 und 4000/min bringt. Diese Kraft wird über eine feine Achtgang-Automatik auf alle vier Räder übertragen, den Sprint von 0 auf 100 soll der stärkste Insignia in 7,3 Sekunden erledigen, die Höchstgeschwindigkeit liegt wie schon erwähnt bei 250 km/h. Auf dem Papier soll der GSi 8,3 Liter verbrauchen, im Test waren es sehr anständige 8,5 Liter – obwohl da auch reichlich Kilometer auf der deutschen Autobahn dabei waren. In der gemächlicheren Schweiz, wenn man die Gleiterqualitäten des Opel auch geniesst, sind 7,5 Liter im Schnitt kein Problem. Und dafür verdient der grosse, komfortable Wagen Applaus.

Und dann kommen wir zum Killer-Argument: der schon sehr reichhaltig ausgestattete GSi kostet ab 54’400 Franken. Der neue A6 muss mangels vergleichbarer Motorisierungen derzeit noch aussen vor bleiben, beim 5er-BMW beginnt die Preisskala erst knapp über 60’000 Franken (520i, 184 PS, kein Allrad) und bei der E-Klasse vermeldet www.mercedes-benz.ch lapidar: «Die Verkaufsunterlagen stehen leider momentan nicht zur Verfügung» (da ist man wohl grad am Ausrechnen, ob auch über 50 Prozent Rabatt möglich sind). Wie auch immer: der Insignia hat alles und kann alles, was die deutlich teurere Konkurrenz auch hat und kann, manches sogar besser – und trotzdem werden ihn viel zu wenige Kunden in Betracht ziehen. Was schade ist, irgendwie sogar unerklärlich.

Mehr Opel haben wir in unserem Archiv. (Es folgt dann noch der Test der Kombi-Version, ebenfalls GSi, aber als Diesel.)

Der Beitrag Test Opel Insignia GSi erschien zuerst auf radicalmag.