Test Skoda Octavia RS 245
Exotischer Bestseller
Nachdem der Skoda Octavia im vergangenen Jahr nach einem gefühlten Jahrhundert endlich den VW Golf als meistverkauftes Fahrzeug der Schweiz abgelöst hatte, baut er heuer seine Führung kontinuierlich aus, liegt schon wieder deutlich in Führung. Und das, obwohl das Facelift im vergangenen Jahr so total glücklich ja nicht ausfiel, die jetzt geteilten Scheinwerfer auch zu geteilten Meinungen führten. Klar, es ist in erster Linie das Flotten-Business, das dem Octavia die schönen Verkaufszahlen beschert, aber gerade die Flotten-Manager können (oder müssen) ja bestens rechnen, und deshalb wird es gute Gründe geben für die und schon seine Richtigkeit haben mit der Leader-Position. Es war ja sowieso ein Rätsel, wieso sich der Golf so lange gegen den Tschechen halten konnte, beide MQB, aber der Skoda ist halt deutlich grösser, praktischer – und trotzdem günstiger. Wieauchimmer. (Sollen wir jetzt noch jetzt zur Rabatt-Schlacht schreiben, die BMW und vor allem Mercedes in diesem Bereich in der Schweiz betreiben? Wohl besser nicht…)
Wir fuhren nun aber den wahren Exoten im Octavia-Programm. Weil erstens mit 245 PS sanft überdurchschnittlich motorisiert – und zweitens: Limousine. Die ist ja nun in der Schweiz nicht der grosse Renner, über 99 (!) Prozent entscheiden sich für den 1200 Franken teureren Kombi. Und auch dafür kann man durchaus Verständnis haben. Zwar bietet die Limo schon einen happig grossen Kofferraum, 590 Liter passen rein (und bei abgeklappter Rücksitzbank sind es 1580 Liter), doch der Kombi kann das halt noch etwas besser: 610 bis 1740 Liter. Und: die Ladekante ist beim Kombi die entscheidenden 10 Zentimeter tiefer. Und dann hat er halt auch noch einen doppelten Boden und somit eine ebene Ladefläche. Was uns auch etwas geärgert hat beim Stufenheck-Modell: die gewaltig grosse Heckklappe ist auch gewaltig schwer (was aber nicht am schön diskreten Spoilerchen liegt), das passt irgendwie so gar nicht zu den sonst so cleveren Lösung bei Skoda. Das hat eh ein bisschen nachgelassen, die Kreativität bei diesen «clever solutions», auch wenn wir den Scheibenkratzer im Tankdeckel des Octavia selbstverständlich zu schätzen wussten.
Platz ist also reichlich im Octavia, war schon immer, auch wenn er offiziell zur Kompaktklasse gehört (und länger ist als ein 3er-BMW, zum Beispiel). Man sitzt vorne gut, im RS auf sportlich harten, aber alles andere als unbequemen Sitzen, man sitzt hinten gut, mit mehr als genug Knie- und Kopffreiheit. Das Innenleben kennen wir ansonsten, mit dem Facelift ist die Angleichung an die restlichen, auch teureren MQB-Produkte noch frappanter geworden; Skaleneffekte heisst das auf Neudeutsch, früher hätte man Gleichteile gesagt. Doch auf die Gefahr hin, dass wir uns wiederholen (ja, wir wiederholen uns): das ist alles gut, sehr gut sogar, das bedient man blind und problemfrei, gleich beim ersten Anlauf. Und unsereins findet da wahrlich keinen Qualitätsunterschied mehr, weder zum Golf noch zu einem Audi; dass der reichlich aufgetragene Klavierlack auch reichlich Staub anzieht und der Touchscreen Fingerabdrücke, das ist ja bei den Konzern-Brüdern und -Schwestern auch nicht anders.
Als RS 245 ist dies der stärkste Octavia aller Zeiten. Und trotzdem: man kennt den 2-Liter-Turbo ja auch noch deutlich kräftiger in anderen MQB-Produkten, man wundert sich ein bisschen, dass es nicht mehr ist (sein darf?). Wobei es andererseits ja auch reicht, die Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h schafft auch der Skoda, die angegebene Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 6,6 Sekunden ist von akademischem Wert und höchstens noch am Stammtisch ein Thema. Relevanter ist da wohl der Verbrauch, den Skoda mit optimistischen 6,4 Litern angibt; im Test waren es 8,5 Liter. Was nicht am Gewicht des Wagens liegt, der für seine Grösse mit weniger als 1,5 Tonnen als nicht adipös zu bezeichnen ist. Aber auch nicht unbedingt an den Fahrleistungen, auf unter 8 Liter kamen wir auch beim ganz friedlichen Einhergleiten nicht.
Fürs Schleichen braucht man sich ja aber keinen RS anzuschaffen. Gut, den «Drive Mode»-Schalter gibt es auch bei schwächeren Modellen, doch im bösen Octavia macht er für einmal Sinn. Zwar ist «Sport» als Ganzes zu hart in der Fahrwerksabstimmung, doch man kann das ja auch individuell einstellen, verschärfte Gasannahme, schnelleres Schalten, knackigere Lenkung verbunden mit dem normalen Setting von Federung und Dämpfung – und dann ist man bestens unterwegs. Auch so richtig flott, der Skoda mag kurviges Geläuf – und man muss schon grob unterwegs sein, um den Fronttriebler zu einem sanften Untersteuern zu zwingen. Das ist wirklich erfreulich, welche Fortschritte da in den vergangenen Jahren gemacht wurden, nicht nur bei Skoda: es ist auch bei einer eigentlich braven Limousine quasi müssig, noch von einem Grenzbereich zu schreiben. In Schwierigkeiten kommt man höchstens noch, wenn man zu grob auf der Bremse noch wilde Lenkmanöver veranstalten will. Doch solches will man ja auch mit einem Sportwagen nicht. Lobenswert ist auch die Kombination des 2-Liter-Turbo mit dem 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, die Schaltvorgänge im Alltagsmodus sanft, bei sportlicheren Ambitionen dann heftiger, aber immer passend; da kann manch ein Hersteller noch etwas lernen.
Der RS 245, der mit guter Ausstattung kommt, ist mit dem DSG-Getriebe mit 44’830 Franken angeschrieben. Das erscheint auf den ersten Blick für einen Skoda als viel Geld, ist es aber eigentlich nicht, denn es gibt ja auch viel Leistung, viel Platz und allgemein viel Gegenwert für dieses Geld. Und, falls die Rabattschlacht nicht noch wildere Blüten treibt und die Occassionspreise noch absurder macht, auch einen guten Wiederverkaufswert. Ok, für die Limousine vielleicht nicht, dafür ist sie wirklich zu exotisch. Doch es gibt das alles ja auch als Kombi…
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