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Test Kia Stonic

Published in radical-mag.com

Willkommen in der Realität

Es ist einer dieser Morgen, die man nicht wirklich braucht. Um 04.15 aufstehen, Kaffee, Dusche, Kaffee, dann auf die Autobahn von Bern nach zum Flughafen in Zürich. Temperatur: knapp unter Null. Wetterbedingungen: besch…eiden, Dauerregen mit etwas Schnee. Das Verkehrsaufkommen ist zum Glück noch mässig, die Freude am Fahren ist: genau so. Erfreut darf man aber feststellen, dass die Lichtautomatik tatsächlich funktioniert, dann abblendet, wenn sie soll. Und auch die automatische Scheibenwischerfunktion arbeitet klaglos, manchmal schneller, manchmal ganz ruhig, ganz einfach so, wie wenn man das Ding von Hand bedienen würde. Wir behaupten ja gerne, dass wir all dies neumodische Zeugs nicht brauchen; wir behaupten ja auch gerne, dass all dies neumodische Zeugs eh nicht anständig funktioniert. Doch hier, Kia Stonic, wirklich widrige äussere Umstände, da ist alles locker, easy, geht einfach problemfrei. Wohl zum ersten Mal überhaupt.

Wir wollen ehrlich sein: Der Kia Stonic ist jetzt nicht das Automobil, das uns schlaflose Nächte bereiten würde (ausser, wenn man schon so früh auf die Autobahn muss). Optisch, hmm, der Koreaner sieht ein bisschen so aus wie alle kompakten SUV/Mini-Crossover derzeit auftreten, ein wenig Abenteuer im Stadt-Dschungel, ein bisschen mehr Bodenfreiheit; in der dunklen Nacht im dunklen Parkhaus würde man ihn wohl nicht auf Anhieb aus der grossen Masse der Konkurrenten herausfinden. Gut, bei Kia geht es immer um das richtige Leben – und da obsiegt praktisch immer über schön, da ist flexibel wichtiger als aussergewöhnlich, da hat man lieber genügend Platz als zu wenig Raum. Zu wild verkauft sich bei Herstellern wie Kia aus Erfahrung nicht gerade überragend. Und die wichtigsten Verkaufsargumente scheinen in diesem Segment ja die erhöhte Sitzposition und die bessere Übersicht über den Verkehr zu sein; wenn dann allerdings alle Autos so hoch snd, fällt letzteres wieder weg…

Zurück zu besagtem Morgen, jenem mit dem grauenvollen Wetter auf der öden Schweizer Autobahn, also Tempomat 120 km/h, Einherrollen. Da macht man sich dann halt schon auch Gedanken darüber, was es wirklich braucht im (automobilen) Leben. Es ist schön warm hier im Stonic, die Sitze sind bequem, auch auf längeren Strecken, es gibt reichlich Raum, auch hinten (Kofferraumvolumen 352 bis 1155 Liter), was man als anständig bezeichnen darf für ein 4,14 Meter langes, 1,76 Meter breites und 1,50 Meter hohes Fahrzeug. Die Gestaltung des Cockpits ist nicht das, was man als «dernier cri» bezeichnen würde, es hat weiterhin etwas gar viel Hartplastik. Dafür ist die ganze Geschichte sehr übersichtlich und die Bedienung vollkommen rätselfrei; solches konnte man von koreanischen Automobilen nicht immer behaupten in der Vergangenheit. Einzig: der Touchscreen ist etwas weit weg, da braucht es lange Arme. Doch die Reduzierung bei den Knöpfen und Schaltern sowie die Logik haben bei Kia still, leise und ohne grosses Marketing-Theater Einzug gehalten. Das mögen wir, man macht es einfach und man macht es richtig – und das ohne Seminare oder Workshops, nur weil die Lüftung nun nicht mehr über 42 verschiedene Hebelchen bedient werden muss. Natürlich ist alles dabei, was es für Connectivity und so heute braucht, ohne geht es ja anscheinend nicht mehr – beim Stonic kann dabei höchstens stören, dass die Ablageflächen in der Mittelkonsole derart rutschig sind, Handy, Schlüssel & Co. machen sich in jeder Kurve selbständig, da würde eine simple Gummimatte Abhilfe schaffen.

Weiter vorne knurrt ein 3-Zylinder mit einem Liter Hubraum mit 120 PS und einem maximalen Drehmoment von 172 Nm zwischen 1500 und 4000/min. Übermotorisiert ist man damit nicht, der etwas unter 1300 Kilo schwere Stonic beschleunigt in etwas über 10 Sekunden auf 100 und rennt maximal 185 km/h schnell. Doch man kommt mehr als nur anständig vorwärts, auch über den Berg. Bei höheren Drehzahlen wirkt der Dreizylinder etwas angestrengt, doch weil das manuelle 6-Gang-Getriebe gut auf die Charakteristik des Turbo abgestimmt ist, lässt sich solches mit einer entspannten Fahrweise problemlos vermeiden. Nicht vermeiden lassen sich die etwas häufigeren Besuche an der Tankstelle, 7 Liter im Schnitt sind etwas viel für das Leistungsvermögen des Stonic (gemäss Werk: 5,0 Liter). Zumal er ja nur ein Fronttriebler ist, mit Allrad gibt es den Koreaner (vorerst?) nicht.

Auch wenn das Motörchen wie alle Dreizylinder etwas knurrig ist: unangenhm ist das nicht. Überhaupt ist alles schön gedämpft und friedlich im Stonic, da ist man auch gerne längere Strecken unterwegs. Dazu passt auch das quasi stoisch ausgelegte Fahrwerk, das den Kia nicht nur komfortabel macht, sondern auch wirklich einfach fahrbar. Will man etwas flotter in die Kurve, so macht das der Koreaner gerne mit – bis zu einer gewissen Grenze, ab der die Seitenneigung der Fahrer einbremsen wird, sein Mütchen kühlen. Aber keine Angst, dann ist man ganz schön zügig unterwegs, die Lenkung gefällt mit Präszision – und die Bremsen sind sowohl gut dosierbar wie auch standfest. Auch hier: Bäume reisst der Stonic nicht aus, doch er macht alles so, wie es sein soll. Willkommen in der Realität.

Was man wirklich braucht: 7 Jahre Garantie. Dieses Rundumwohlfühlpaket bietet weiterhin kein anderer Hersteller, und allein schon das Gefühl, dass da für eine kleine Ewigkeit keine überraschenden Kosten kommen werden, ist ein unbedingt geldwerter Aspekt. Überhaupt, der Preis: der Kia Stonic ist ab 19’700 Franken zu haben, als 1,0 T-GDi sind 20’400 Franken fällig. Es gibt noch ein «Road Pack» für 3000 Franken (Klimaanlage, Navi etc.) und ein «Style Pack» (17-Zöller, Glasschiebedach, Leder), man kann gut beide nehmen und ist dann für knapp 25’000 wirklich komplett ausgestattet. Wenn man das jetzt etwa vergleicht mit dem etwas grösseren Skoda Karoq (der immerhin über deutlich mehr Kofferraum verfügt), dann ist man geradezu fröhlich im Stonic, denn da geht sich auch gleich noch ein schöner Familienurlaub aus.

Mehr Kia haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Test Kia Stonic erschien zuerst auf radicalmag.