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Test Honda Civic Type R

Published in radical-mag.com

Beflügelt

Zwei Dinge gleich zu Beginn: Das Navi ist grottengrauenhaft schlecht. Es fährt dauernd neben der Strasse, es hat seine Mitte noch nicht gefunden – und das kann extrem mühsam werden, wenn es in der Stadt mal wieder keine Ahnung hat, wo sich der Wagen befindet. Und das 45-Liter-Tänklein ist zu klein. Nein, es ist nicht so, dass der Honda Civic Type R ein Säufer wäre, in der Schweiz rollten wir mit 8,5 Liter im Schnitt. Doch wenn man auf der deutschen Autobahn den schweren Fuss hat, dann muss man halt alle 300 Kilometer wieder zur Tanke. Und schon ist die feine Reisegeschwindigkeit wieder dahin. Und das Navi wieder komplett verwirrt, weil es die mit anständigem Tempo angebremste Abfahrt verpasst hat. Ja, das Bediensystem ist auch sonst nicht ganz frei von Rätseln, die Logik des Aufbaus erschliesst sich dem Piloten nicht auf Anhieb, aber wir gehören ja noch zur Generation der Automobilisten, die sich auch ohne dies Gedöns fortbewegen können.

Doch sonst: der Honda ist richtig, richtig gut. Rund 5000 Kilometer haben wir in zwei Wochen runtergerissen, einmal Süd-Nord-Süd auf der deutschen Autobahn – und «radical» ist schlicht und einfach begeistert. Er ist ein Tier, ein ganz böses Reptil, er macht eigentlich alles darnieder – weil man halt den Bogen bei 250+ voll durchzieht, weil er unglaublich Druck macht beim Beschleunigen, weil er bremst wie eine Wand. Wir sind ja sonst nicht so die Längsdynamiker, aber wir hatten noch nie so viel Freud‘ an einem Wagen wie am Type R auf der Autobahn. Und nein, er ist da nicht zu laut, Fahr-Modus auf «Comfort», und dann ist er ganz brav, fast schon komfortabel – und immer noch schnell, schnell, schnell.

Die Sitze: perfekt, sehr guter Seitenhalt und doch bequem. Die Sitzposition: perfekt. Lenkrad und Schalthebel liegen perfekt zur Hand, man will die Dinger eigentlich gar nicht mehr aus der Hand geben. Sorry, aber das ist das beste (manuelle) Getriebe, das es im Moment gibt, die Schaltwege sind kürzest, die Anschlüsse perfekt (was daran liegt, dass der 2-Liter-Turbo nicht nur 320 PS bei 6500/min abdrückt, sondern halt auch 400 Nm maximales Drehmoment ab 2500/min zur Verfügung stellt). Die Maschine ist sehr drehfreudig (für einen Turbo sowieso), die Kraftentfaltung (trotz Turbo) sehr linear – unter 2000/min ist allerdings ziemlich tote Hose. Aber unter 2000/min fährt man so einen Type R eh nicht. Auch der Sound ist ganz erfreulich, zumindest für einen Vierzylinder-Turbo, doch es dürfte schon noch ein bisschen mehr Lärm sein (das ist für uns der einzige Punkt, den der in etwa gleich teure Hyundai i30 N besser beherrscht…); optisch macht die Auspuffanlage mit den drei Endrohren aber schon was her.

Auf der Autobahn ist er also gut. Von der Rennstrecke hatten wir schon im ersten Fahrbericht erzählt, also: hier. Auf unseren Lieblingsstrecken am Berg erfreut der Honda dann mit ausgezeichneter Lenkpräzision – und der Fähigkeit, trotz Frontantrieb unfassbar viel Grip auf die Strasse zu bringen. Der Japaner ist ausgezeichnet ausbalanciert, wird hinten auch dann nicht leicht, wenn man massiv auf den riesigen Brembos steht, lässt sich auch auf der Bremse schön einlenken – und haut dann beim Rausbeschleunigen beeindruckende Kraft auf den Asphalt. Das ESP braucht dabei gar nicht einzugreifen – dazu tragen selbstverständlich auch die Reifen viel bei (auf unserem Testwagen: Continental SportContact 6, 245/30 ZR 20), vor ein paar Jahren hätten die Strassen-Gummis solche Orgien noch gar nicht verarbeiten können. Und so haut man den Type R von Serpentine zu Serpentine, das Lächeln wird immer breiter – und der Porsche-Fahrer müsste schon viel von seinem Gerät verstehen, wenn er folgen hätte wollen. Wollte er aber nicht. Am besten fährt man dann die Grundeinstellung «Sport», die ist ausgezeichnet – der «R»-Modus ist zu hart, zu künstlich. Aber wer Track-Days fährt, der kann es vielleicht brauchen. Ja, man kann das mit dem Honda bestens, eigentlich ist es fast ein bisschen schade, wenn man es nicht tut mit diesem Gerät. Man darf davon ausgehen, dass man ihn auch auf der Nordschleife zukünftig öfter zu sehen bekommt, da braucht man nicht mehr gross zu basteln für ein richtig gutes Track-Tool. Bei den vorderen Reifen dürfte der Spass allerdings ins Geld gehen.

Haben wir eigentlich schon irgendwo geschrieben, dass der Civic Type R nur gerade 1380 Kilo wiegt (das sind 200 Kilo weniger als der Hyundai i30 N…)? Das ist ein herausragender Wert, denn der Honda ist ein stattliches Fahrzeug, 4,56 Meter lang, er bietet dazu auch noch 478 Liter gut nutzbaren Kofferraum (maximal, bei abgeklappten Rücksitzen, sind es fast 1600 Liter). Falls jemand hinten sitzen möchte, so wird er dort auch anständige Platzverhältnisse vorfinden. Und hat einen Vorteil: er sieht den Honda Civic Type R nicht von aussen. Ach, wie wollen wir es ausdrücken: Man gewöhnt sich halt auch nach intensivem Kontakt mit diesem Wagen nicht an sein Design. Fragt sich, was gewisse Elemente sollen, zum Beispiel die riesigen Fake-Luftauslässe hinten. Immerhin ist der gewaltige Heckspoiler unterdessen so hoch, dass man ihn nicht mehr im Rückspiegel sieht. Man halt also ungetrübte Aussicht auf alle, die dem Japaner nicht folgen können. Und das sind: viele.

Liebling, wir müssen reden. Und zwar über: Geld. Es gibt den Honda Civic Type R ab 37’300 Franken, den Hyundai i30 N ab 36’990. Ein Golf GTI, 230 PS, kostet mindestens 39’100 Franken, also ohne Ausstattung, aber da ist man selber schuld, wenn man überhaupt noch daran denkt, diese Spassbremse bewegen zu wollen; vergleichbar ist er beim besten Willen nicht mehr, die Zeit hat ihn nicht bloss überholt, sondern gleich überrundet. Beim Honda ist das Verhältnis von Preis zu Leistung ganz einfach: hervorragend. Und wir wagen nach diesen 5000 Kilometern auch noch die Voraussage: das hält. Vielleicht nicht für immer, aber es hält gut, die Verarbeitung des Honda macht einen erstklassigen Eindruck. Wir hätten ihn auch noch länger behalten, gerne.

Mehr Honda haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Test Honda Civic Type R erschien zuerst auf radicalmag.