Fiat Dino 2400
Das Brüderchen
Eigentlich war der Fiat Dino ja nur ein Mittel zum Zweck. Alfredo Ferrari, genannt Dino, prädestinierter Nachfolger und geliebter Sohn von Enzo Ferrari, hatte schon 1955 mit Hilfe von Vittorio Jano einen 1,5-Liter-V6-Motor konstruiert, den Ferrari in der Formel 2 einsetzen wollte. Dino, der an Muskeldystrophie erkrankt war, erlebte die Geburt «seines» Motors nicht mehr, er verstarb am 30. Juni 1956 im Alter von erst 24 Jahren. Enzo Ferrari, der grosse Patriarch, konnte den frühen Tod seines Sohnes nie überwinden. Mitte der 60er-Jahre nun brauchte Ferrari dringend einen neuen Antrieb für die Formel-2-Rennwagen. Der zwar schon betagte, aber unterdessen auch in vielen Rennen bewährte V6 passte da ganz hervorragend. Doch das Reglement verlangte, dass nur Motoren verwendet werden durften, die auch tatsächlich in Serie gebaut wurden, 500 Stück mussten es sein. Die Beziehungen zwischen Ferrari und Fiat waren in jenen Jahren schon einigermassen nah (so richtig nah wurden sie aber erst 1969, als Fiat 50 Prozent des Aktienkapitals von Ferrari übernahm), und da war schnell einmal die Idee geboren, dass der Dino-Motor doch in einem Fiat auf die erforderlichen Stückzahlen kommen könnte. Und es standen noch weitere italienische Firmen hinter dem Projekt, Weber etwa, und Cromadora. Bloss stand kein passendes Gefäss zur Verfügung. In einem Fiat 2300 hätte der Antrieb zwar Platz gehabt, doch das eher behäbige Teil wollte nicht so recht zur flotten Maschine passen. Und für einen aufgemotzten 850er war das Ding dann doch zu potent.
Bertone wurde beauftragt, ein Coupé zu zeichnen – und Pininfarina durfte sich an einem offenen Modell versuchen, und das erst noch mit längerem Radstand (2,55 Meter anstatt 2,26 Meter). 1966 wurde der Spider auf der Turiner Motor Show vorgestellt; das Coupé folgte dann im Frühling 1967 in Genf. Eigentlich hätte der Wagen in Erinnerung an Alfredo Ferrari schlicht «Dino» heissen sollen. Doch die mächtigen amerikanischen Händler wollten davon nichts wissen, sie hatten das Gefühl, als «Dino» lasse er sich nicht verkaufen. Weshalb er dann Fiat Dino heissen musste, ist nicht ganz klar, denn Fiat hatte in den USA Mitte der 60er-Jahre ja auch nicht unbedingt einen tollen Klang. Ausserdem (das war damals ja schon klar, zumindest Enzo Ferrari) würde es ja sowieso einen Dino geben, schon 1968, aber das ist dann wieder eine andere Geschichte, nämlich jene vom ersten Mittelmotor-Auto aus Maranello, besser bekannt als 206 GT/246 GT & GTS.
Die Dinge liefen eh nicht ganz so, wie sich Ferrari das vorgestellt hatte. Enzo hatte die Motoren – eine Stückzahl von 5000 Exemplaren wurde angestrebt – in Maranello fertigen wollen, auch zur Sicherung von Arbeitsplätzen. Doch Fiat holte die Produktion nach Turin. Man traute Ferrari anscheinend nicht zu, das Triebwerk in genügender Stückzahl produzieren zu können. In ihrer ersten Version leistete die 2-Liter-Maschine 160 PS bei 7200/min – eine mehr als nur anständige Leistung in jenen Jahren. Kleine Randbemerkung in diesem Zusammenhang: Beim 206 GT, der 1968 auf den Markt kam, fand Ferrari dann im gleichen Antrieb 180 PS. Das stimmte aber schlicht und einfach nicht. Es waren die gleichen 160 Pferde wie im Fiat Dino, denn der Motor wurde auf den gleichen Produktionsanlagen gebaut. Aber Ferrari nannte in jenen fernen Jahren eh manchmal etwas gar optimistische Leistungsangaben.
Ursprünglich war der Fiat Dino mit einer hinteren Starrachse ausgerüstet. Das war nicht ungewöhnlich zu jener Zeit, auch die viel sportlicheren Ferrari mussten noch mit solchen blattgefederten Achsen auskommen. Das sorgte dann nicht unbedingt für ein ausgewogenes Fahrverhalten, zumal das Fahrzeug etwas viel Gewicht auf der Vorderachse hatte, der Hinterwagen deshalb gerade beim Bremsen schnell etwas gar leicht wurde und dann schwer wieder einzufangen war. Doch als ab 1969 der 2,4-Liter-V6 in den Fiat Dino verpflanzt wurde, da wurde auch eine Einzelradaufhängung mitgeliefert (aus dem Fiat 130 wurde die Schräglenkerachse übernommen), und das Fahrvergnügen nahm dramatisch zu.
Die Fiat Dino mit dem 2-Liter-Motor wurden alle bei Fiat gebaut, sowohl das Bertone-Coupé wie auch der Pininfarina-Spider. Es waren feine Wagen, die ersten, die über eine elektronische Zündung verfügten. Der 2,4-Liter wurde dann noch einmal deutlich aufgebessert. Die Bremsen kamen von Girling (und wurden auch von De Tomaso für den Pantera und Lamborghini für den Miura verwendet), das manuelle 5-Gang-Getriebe von ZF (und wurde auch von Aston Martin verbaut). Der 2,4-Liter-V6 kam auf edle 180 PS. Als Spider brachte er etwa 1250 Kilo auf die Waage (als Coupé waren es gut 100 Kilo mehr), und das ermöglichte die gute Zeit für den Sprint von 0 auf 100 km/h in weniger als acht Sekunden. Eine Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h wurde gemessen. Das Coupé musste sich mit 205 km/h begnügen. Man sagt allerdings, dass die 2-Liter-Versionen bissiger gewesen sein sollen, weil sie etwa 150 Kilo Gewicht weniger rumschleppten, doch das konnten wir nicht nachprüfen.
Wir hatten das Vergnügen mit einem 2,4-Liter-Modell aus dem Jahre 1973, dem auf diesen Fotos gezeigten roten Spider, und waren sehr positiv überrascht, wie viel Fahrfreude dieser Wagen bieten kann. Er liegt ausgezeichnet – was man nicht von allen Sportwagen aus den 70er-Jahren behaupten kann. Er bremst anständig, was damals auch nicht üblich war – und dann ist da noch dieser Sound, der grandios ist. Es ist nicht das Kreischen der Acht- und Zwölfzylinder-Ferrari-Motoren; das Geräusch ist mehr sonor, auch wenn man die Maschine auf 6000/min dreht, was sie locker erträgt. Gerade im Spider kommt diese Geräuschkulisse bestens zur Geltung, und sie passt gut zum Fiat Dino, der ja kein Sportwagen sein will, sondern mehr ein kräftiger Tourer. Die Schaltung ist etwas hakelig, und wir sind es heute nicht mehr gewohnt, dass die Lenkung derart schwergängig ist, auch bei höheren Geschwindigkeiten. Doch man gewöhnt sich schnell daran – und gern. Denn man sitzt auch gut in diesem wunderbaren Fiat, dem begehrenswertesten wohl neben dem famosen Achtzylinder, dem Otto Vu. Und an diesem schönen Novembernachmittag, an dem wir unsere Ausfahrt unternommen haben, wird uns nicht einmal kalt, auch deshalb nicht, weil sich unser Herz für diesen Wagen erwärmt hat. Das Cockpit ist einfach, aber schön, weil mit echtem Holz, und wer nach den Schalter für Lüftung und Heizung sucht, wird neben der Handbremse fündig.
Die grösste Begehrlichkeit muss heute der 2,4-Liter-Spider wecken. Nur gerade 424 Stück wurden gebaut (insgesamt waren es bis 1973 7651 Exemplare, vom Coupé und Spider zusammen, und deutlich mehr Coupé), und zwar in Maranello, zusammen mit den Dino 246 GT und GTS; damit ist der Fiat Dino dann wirklich zum «Ferrari des kleinen Mannes» geworden. Heute gilt das nicht mehr unbedingt. Ein billiges Vergnügen ist so ein Fiat Dino nicht. Auch der Unterhalt kann mächtig ans Portemonnaie gehen, obwohl die Verarbeitung dank Hilfe von Fiat besser ist als bei den Ferrari jener Jahre. Rost ist ein Problem (Radläufe, Schweller, Bodenbleche, ganz besonders beim Spider), ausserdem gibt es nur noch wenige Exemplare, die in der Originalfarbe lackiert sind. Die meisten wurden – oft dilettantisch – auf das typische Ferrari-Rot umlackiert. Die Motoren sind ziemlich unproblematisch, abgesehen vom Zündverteiler, der meist schon nach 50’000 Kilometern den Geist aufgab. Der Kettenspanner ist eine andere Problemzone.
Mehr Fiat haben wir in unserem Archiv – und natürlich auch mehr Ferrari. Der Spyder wurde uns zur Verfügung gestellt von der Oldtimer Galerie in Toffen.
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