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Test Maserati Quattroporte SQ4

Published in radical-mag.com

Spüren, fühlen

Und doch, es ist eben anders. Es kann gut sein, dass so eine S-Klasse, auch ein 7er oder sogar ein A8 in den Details wahrscheinlich perfekter sind als der Maserati Quattroporte. Aber in all den deutschen Premium-Produkten wird man nie – so im Geist – noch an die Lederhandschuhe von Juan Manuel Fangio denken, sich nie den Gummiabrieb und Benzinduft eines 250F in Monte Carlo vorstellen, auch nicht fabulieren wollen, wie es wohl gewesen sein muss, als die Gebrüder Maserati damals ihre Wägelchen zusammen bastelten in den 20er und 30er Jahren. Ja, da fährt Geschichte mit, Heritage, und man kann, muss das förmlich riechen in einem Maserati, man spürt es – und es tut gut, es ist ein schönes Gefühl. Es kann dies ein Maserati besser, nein, anders, intensiver, viel emotionaler vermitteln als die deutschen Qualitätsprodukte.

Nein, es ist nicht so, dass der Maserati nur von seiner Geschichte lebt, beim besten Willen nicht. Da haben die Italiener schon ein sehr, sehr anständiges Automobil auf die Räder gestellt mit der sechsten Generation des Quattroporte, die erst kürzlich aufgefrischt wurde, ihrer Kinderkrankheit entledigt, mit mehr Assi-Systemen versehen, auf den jüngsten Stand der Technik auch in Sachen Connectivity gebracht. Das muss heute ja alles sein, und das können die Italiener so gut wie alle anderen, das Zeugs kommt ja von den Zulieferern, es muss ja nur noch angepasst und eingebaut werden. Die Unterschiede sind da gering, vielleicht kann so ein Abstandsradar in einer S-Klasse noch ein bisschen, bisschen mehr als jener im Quattroporte, ist noch einen Software-Up-Date weiter, 17.8.32, doch die Unterscheide kann wohl nur der verantwortliche Ingenieur benennen, wir als Nutzer merken das nicht. Es funktioniert, können wir vermelden – und schön ist, dass so ein Maserati halt auf Schweizer Autobahnen quasi Vorfahrt hat, da hält man sich brav mit dem Tempomat ans Limit, und doch hüpfen alle von der Strasse vor lauter Ehrfurcht.

Aber er sieht halt schon auch nach etwas aus, der Quattroporte. Gut, das sind 5,4 Meter Auto, da ist man bei der allfälligen Konkurrenz dann schon in der Langversion bei diesem Gardemass. Erstaunlich ist, wie einfach sich dieser Koloss aber trotzdem über Bergstrassen wuchten lässt – und das sehr, sehr flott. Die DNA eines Maserati sagt ja ganz deutlich: race, und ja, auch da spielt halt die lange Geschichte in diesen Wagen hinein, die Abstimmung des Fahrwerks ist sicher auf der sportlicheren Seite (auch im komfortabelsten Modus), die Lenkung ist sehr feinfühlig und präzis – man bewegt den Maserati ganz anders als andere grosse Limousinen. Beste Einstellung am Berg: Sport, aber das Skyhook-Fahrwerk auf Comfort. Dann schaltet er schneller, dann macht er den richtigen Lärm, hüpft aber nicht über die Gasse; dann ist der Italiener quasi auf dem Niveau eines Porsche Panamera, so rein fahrtechnisch. Der Sound ist aber böser, dreckiger: so richtig grossartig. Dabei hatten wir ja nicht einmal den GTS mit 530 PS, sondern «nur» den S mit 410 PS. Wir wissen auch nicht, wie die Italiener das machen, da gibt es ja wohl auch gesetzliche Vorgaben, aber irgendwie scheinen sie diese nicht zu interessieren. Was wir ja schon bei einigen Alfa Romeo, 4C, Giulia QV, bemerkt hatten.

Also, der S: 3-Liter-V6 mit Zwangsbeatmung, besagte 410 PS, 550 Nm maximales Drehmoment zwischen 1750 und 5000/min. Das soll das 2-Tonnen-Auto in weniger als 5 Sekunden von 0 auf 100 hauen und maximal über 280 km/h schnell machen (eben, nicht vergessen, das ist nicht das Top-Modell, denn das will weiterhin die schnellste viertürigen Limo der Welt sein, 310 km/h…); die Angaben erscheinen uns etwas optimistisch, auch wenn der Quattroporte seine Kraft als Q4 sauber auf den Boden bringt. Es ist eine ziemlich aufwendige Konstruktion, dieser Allrad von Maserati, funktioniert hauptsächlich über eine Mehrfach-Kupplung, wird aber hinten auch noch unterstützt von einem LSD (nein, kann man nicht einnehmen, limited slip differential). Die Kraftverteilung auf die einzelnen Räder – bis zu 50 Prozent nach vorne, am liebsten aber 100 Prozent hinten) geschieht innert 100 Millisekunden, das geht dann halt auch Schnee und Eis bestens. Auch in diesem Bereich brauchen sich die Italiener nicht zu verstecken, nicht einmal vor einem «quattro» (der allerdings ja längst nicht mehr das ist, was er einmal war). Gut: kaum Einflüsse auf die Lenkung sind zu verspüren. Und dann haust Du wieder auf den Pinsel, die sowieso famose und von Maserati noch feiner abgestimmte 8-Gang-Automatik von ZF knallt dann auch zwei Gänge runter, und der Express zieht herrlich durch und los, mit gewaltigem Getöse.

Dort am Berg zeigte der Bordcomputer dann nach 80 Kilometern einen Durchschnittsverbrauch von 25,2 Litern an. Später dann, beim friedlichen Gleiten über die Schweizer Autobahn, kam der Quattroporte unter 10 Liter, 9,7 waren es, um genau. Die Wahrheit, denken wir, liegt etwa dort, wo wir dann im Test im Durchschnitt waren, also bei 11,9 Litern. Denn so richtig ausreizen kann man die Qualitäten eines solchen Maserati leider viel zu selten. Sonst passiert dann noch das, was letzte Nacht in Schweden geschah (siehe auch: #lastnightinsweden).

Innen, ja, innen. Einerseits ist das alles ja sauber gemacht, sehr schönes Leder (gegen einen happigen Aufpreis), nette Carbon-Einlagen (auch gegen mehr Geld)., gut und liebevoll verarbeitet. Aber dann hat es halt auch wieder fiesen Plastik an unnötigen Stellen, das muss man nicht verstehen, das ist auch bei anderen italienischen Produkten so. Ja, ergonomisch gibt es sicher noch Luft nach oben beim Quattroporte, gerade das Bediensystem ist weiterhin nicht über alle Zweifel erhaben. Aber man kann das alleweil verzeihen, indem man sich auf das Fahren konzentriert. Und auf die Dinge, die schön und gut sind, das Lenkrad zum Beispiel. Oder die Uhr. Zum Beispiel die Sitze, die sowohl guten Seitenhalt bieten wie auch auf langen Strecken bequem sind. Hinten übrigens auch, das haben die Passagiere viel Freude an fast ausgestreckten Beinen (wenn die Beine nicht Model-Länge haben). Dass es dazu auch noch einen massiven Kofferraum gibt, versteht sich bei diesem langen Fahrzeug von selbst.

Geld, ja von Geld muss man halt in diesem Zusammenhang auch noch schreiben. So ein Maserati Quattroporte S Q4 kostet in der Basis 131’300 Franken. Bei unserem Testwagen waren es dann schon 156’124 Franken, mit denen er angeschrieben war. Das ist viel Moos. Aber jetzt muss man das einmal mit der deutschen Konkurrenz vergleichen – und dann ist der Italiener halt ein Schnäppchen. Sehr, sehr viel Auto fürs Geld. Und dazu noch ein schönes Auto, eines, das auffällt, eines, das man nicht an jeder Ecke sieht, eines, das viel mehr kann als man erwarten würde. Gut, der Wiederverkauf ist ein sehr schwieriges Thema, der Werterhalt bewegt sich bei einer S-Klasse auf einem anderen Niveau, doch so ein Maserati ist sowieso mehr eine Entscheidung des Herzens, des Bauchs als so ganz rein rationaler Mist. Fangio fuhr damals, 1954, als Fangio zum zweiten Mal Weltmeister wurde, fuhr er übrigens sowohl Mercedes wie auch Maserati; bloss, an seine Zeit mit dem Stern erinnert sich eigentlich niemand mehr. Und seinen grössten, aussergewöhnlichsten Sieg, jenem auf der Nordschleife im Jahr 1957, schaffte er selbstverständlich auch – auf Maserati.

Mehr Maserati haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Test Maserati Quattroporte SQ4 erschien zuerst auf radicalmag.