Shelby Cobra CSX2000
Nullnummer
Von Zusammenhängen haben wir schon geschrieben, beim Ford GT40, davon, wenn die Dinge zusammenkommen, wenn sich lose Ende verknüpfen, wenn die Folgen eigentlich logisch sind. So ist das ja meist, im Leben, in der Geschichte. Doch es gibt auch in der Automobil-Geschichte jene seltenen Momente, wenn etwas ganz Neues beginnt. Und genau darum geht es bei der Shelby Cobra CSX2000.
Es sei eingestanden: wir wissen nicht so genau, wie die Geschichte ablief. Es gibt da schon ein paar Fragezeichen. Zwar haben wir vor vielen Jahren einmal ausführlich mit Carroll Shelby persönlich über die Entstehungsgeschichte der Cobra gesprochen. Aber als er auf gewisse unklare Details angesprochen wurde, meinte er lakonisch, er müsse das jeweils auch selber in der einschlägigen Literatur nachlesen.
Carroll Shelby war immer ein schräger Vogel. Obwohl riesig und auch nicht ganz schlank (und, wie man sagte, etwas gebranntem Wasser nicht abgeneigt), war er einer der besten Rennfahrer seiner Zeit. Der als Rennanzug gerne einen Overall benutzte, wie ihn die Arbeiter auf den Hühnerfarmen in seiner texanischen Heimat bei der Arbeit trugen. Ab Ende der 40er-Jahre und dann vor allem in den 50er-Jahren gewann der Texaner mit Jahrgang 1923 und dem ewigen Cowboyhut zahllose Rennen in den USA, vor allem in der Serie der SCCA (Sports Car Club of America), die damals besten Motorsport bot. Shelby bewegte vor allem Allard und Jaguar, aber auch ein paar Ferrari, und Mitte der 50er-Jahre kam er auch nach Europa, um wieder auf einem englischen Produkt, Aston Martin, weiterhin sehr erfolgreich zu sein. Der Höhepunkt seiner Karriere war sicher sein Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans, wo er 1959 zusammen mit Roy Salvadori auf einem Aston Martin DBR 1/300 auf den ersten Rang fuhr. Doch schon zwei Jahre später, im Alter von 37 Jahren, musste er seinen Helm an den Nagel hängen. Herzprobleme seien es gewesen, die seine aktive Karriere beendeten.
Aber wahrscheinlich hatte das ja auch etwas Gutes. Hätte Shelby noch länger und mit Erfolg fahren können, wäre vielleicht nie eines der unglaublichsten und wahnsinnigsten Fahrzeuge aller Zeiten auf die Strasse gebracht worden. Arbeitslos war Carroll Shelby Anfang der 60er-Jahre, nach seinem Rücktritt, zwar nicht. Seinen Lebensunterhalt konnte er von der Vertretung für Goodyear-Rennreifen einigermassen bestreiten. Auch seine Rennfahrer-Schule auf dem Riverside Raceway in Kalifornien lief nicht schlecht. Zudem hatte er noch einen Vertrag als Berater des damals grossartigen Magazins «Sports Car Graphics». Aber Shelby war schlicht und einfach – langweilig. Er wollte General Motors seine Idee von einem «all-american sportscar» andrehe. Doch Chevrolet hatte gar keine Interesse daran, man war mit der Corvette gerade sehr erfolgreich. Aber ein paar Strassen weiter rannte Shelby offene Türen ein: Ford hatte – endlich – den Wert von Rennsport-Aktivitäten erkannt, und gab damals so ziemlich jedem, der ein Projekt hatte, eine Chance. Und auch Geld.
Doch Carroll Shelby hatte klare Vorstellungen. Er war ja nicht einfach einer der vielen Bastler, die damals allerorten ihr Glück versuchten, sondern ein erfahrener Rennfahrer, der genaue Vorstellungen hatte, wie ein Sportwagen konstruiert werden musste, der sowohl auf der Rennstrecke wie auch auf der Strasse Erfolg haben sollte. Und so wusste der Zeit seines Lebens bestens vernetzte Texaner auch, dass Ford gerade eine neue Motoren-Generation im Test hatte, darunter ein 4,3-Liter-V8 (260 cubic inches), der dank einer neuen Giess-Technik und einem deshalb dünnwandigeren Zylinderblock ein sehr geringes Gewicht aufwies. Er konnte den Chef der Ford-Stock-Car-Abteilung, Dave Evans, überreden, ihm einige dieser Motoren zu überlassen, die er dann mit Hilfe des Hot-Rod-Spezialisten Dean Moon in alte Austin-Healey-Chassis einbaute. Nichts war mehr mit «all-american sportscar», aber auch aus dem Healey-Projekt wurde nichts. Doch es gab da ennet dem Teich (von Detroit aus gesehen) noch einen anderen englischen Hersteller, der grossen Bedarf an einem anständigen Motor hatte: AC. Die Engländer hatten in den 50er-Jahren wunderbare Wagen gebaut, leichte, offene Zweisitzer mit rundum Einzelrad-Aufhängung, denen zumeist Bristol-Reihen-Sechszylinder eingebaut wurden, die noch auf dem alten BMW-Triebwerk basierten. Ford gefiel die Idee von Shelby, in diese AC einen dicken V8 einzubauen. Und so erhielt er Anfang 1962 noch einmal einen dieser neuen Ford-Achtzylinder, diesmal gleich verbunden mit einem 4-Gang-Getriebe von Borg Warner.
Doch jetzt wird es kompliziert. Wir hatten das mal so geschrieben: «Es brauchte viel Arbeit und Können der Engländer, den Ford-Motor ins AC-Chassis zu bringen. Doch an einem Wintermorgen des Jahres 1962 (trüb soll es gewesen sein, sagt die Legende, doch einen genauen Tag will sie nicht definieren) soll Shelby persönlich mit über 240 km/h die Hangar-Gerade in Silverstone entlang gebrettert sein. Selbstverständlich war Shelby von seinem ersten Auto, dem CSX 0001 (Carroll Shelby Experimental Nr. 1), begeistert. Der Wagen wurde sofort in die USA verschifft – und auch gleich noch neu benannt, aus welchem Grund auch immer, in CSX 2000. Hier wird es in der Geschichte etwas eng, zeitlich. Also: Shelby erhielt den Motor Anfang des Jahres 1962 in Detroit, brachte ihn nach England, liess ihn in das AC-Chassis einbauen, brachte den fertigen Wagen wieder in die USA – und schon am 5. Februar 1962 konnte er nach einer Präsentation des Fahrzeugs einen Vertrag mit Ford unterzeichnen, der ihm die Lieferung von Motoren und Getriebe garantierte. Dies unter der simplen Bedingung, dass rechts und links der Haube jeweils ein Sticker mit der Aufschrift «Powered by Ford» angebracht werden musste.»
Shelby war zwar ein Teufelskerl und wirklich schnell auf der Strasse, aber wie genau will er das geschafft haben? Und es gibt in der einschlägigen Literatur auch die Version, dass Shelby einen AC ohne Motor in Kalifornien hatte. Dass dort der Ford-Motor eingebaut wurde. Dass dort die ersten Probefahrten stattfanden, nicht in England – dafür im betrunkenen Zustand, wie Dean Moon sich erinnern will. Was so rein vom zeitlichen Ablauf her deutlich logischer wäre. Aber eben – wie war es wirklich? Gibt es Literatur, auf die man sich verlassen will?
Was aber verbürgt ist: Ende Februar war der CSX 2000 in Kalifornien, wo ihm Dean Moon die jüngste Version des 260er-Motors einbaute. Dave Evans wollte den Wagen unbedingt auf der Ford-Oster-Show in New York ausstellen, und dabei hatte das Auto noch nicht mal eine Lackierung – geschweige denn einen Namen. Lackiert wurde er in Knallgelb, allerdings so schlecht, dass die Farbe sich in kürzester Zeit in ein flockiges Weiss mit Violett-Tönen verwandelte. Aber dafür hatte Shelby den perfekten Namen für den Wagen: Cobra. Im Traum, erzählte er später gerne, habe er diese Eingebung gehabt, und sie auch gleich noch visualisieren können: eine grosse, schlanke Kobra quer über die Motorhaube. Das New Yorker Publikum liebte den Wagen, Ford gab sofort das Einverständnis für die Produktion.
Das mit der Farbe ist eine andere wunderbare Anekdote. Dean Moon wollte CSX2000 in Gelb haben. Doch weil die Journalisten von «Sports Car Graphic» schon unterwegs waren und die Lackierung eh nicht gut, wurde sie wieder runtergeschrubbt bis auf das blanke Alu. Und so wurde er dann auch für das Magazin abgelichtet. Dann wurde die Cobra wieder lackiert, zuerst in Gelb (siehe oben), mindestens einmal auch in Blau. Es war ja so: Shelby hatte während der ersten fünf Monate seines neuen Unternehmens genau dieses eine Fahrzeug zur Verfügung. Und damit mussten Testfahrten gemacht werden. Und Journalisten, die Ford-Menschen sowie potenzielle Kunden begeistert. Nicht auszurechnen, was aus Cobra geworden wäre, hätte jemand das Ding zu Schrott gefahren. Und die Sache mit den verschiedenen Farben war auch ein guter Clou, so merkte niemand, dass es nur dieses eine gute Stück gab.
Diese allererste Cobra steht zum Verkauf, nachdem sie nun während Jahren in der Shelby-Sammlung war. Sie wird am 19. August von RM Sotheby’s in Monterey versteigert. Einen offiziellen Schätzpreis gibt es nicht – es handelt sich hier um ein Monument der Automobil-Geschichte. Denn man muss es schon klar sehen: Ohne die Cobra wäre die Welt der Sportwagen eine andere.
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