Ferrari Testarossa
Rotkäppchen
Selbstverständlich ist der Titel «Rotkäppchen» für eine Story zum Ferrari Testarossa etwas gar einfach. Aber die Geschichte ist ja auch zu schön, deshalb soll für einmal das Naheliegende auch verwendet werden. Wobei: wie es denn nun wirklich war, darüber gehen die Meinungen auseinander. Am wahrscheinlichsten erscheint die Version, die der einstige Produktionsleiter Sergio Scaglietti erzählt. Er sei eines schönen Tagen zu Enzo Ferrari gegangen, um ihm mitzuteilen, dass keine schwarze Farbe mehr vorhanden sei, um die Zylinderköpfe zu bemalen. Ferrari habe gefragt, was denn noch an Lager sei. Rot, war die Antwort. Darauf soll der «Commendatore» geantwortet habe, er soll die Dinger dann halt rot lackieren: «Und dann nennen wir sie Testa Rossa.»
Ja, könnte so gewesen sein. Vielleicht auch nicht. Denn welcher Ferrari nun wann als erster Erster Rot im Motorraum trug, darüber streitet die Fachwelt heftig. Das erste auch offiziell so genannte Rotkäppchen, der 500 TRC mit dem 2-Liter-Vierzylinder-Motor, trat im Juni 1956 in Monza zu seinem ersten Rennen an. Peter Collins/Mike Hawthorn konnten gleich beim ersten Auftritt gewinnen. Der Wagen, rund 180 PS stark, gehörte optisch zu den schönsten Rennwagen der 50er Jahre – obwohl er, um dem Reglement zu genügen, sogar über ein Stoffverdeck verfügte. 19 Exemplare wurden gebaut – und sie hatten alle eine eigenartige Chassisnummer, die auf MDTR endete, für «Mondial Testa Rossa». Richtig berühmt wurden dann aber erst die Ferrai 250 Testa Rossa, doch das ist eine ganz andere Geschichte.
Nun ist es aber so, dass es schon 1954 erste Fahrzeuge gab mit dem roten Schrumpflack auf den Ventildeckeln, der die Ferrari zu Testa Rossa, Rotkäppchen, machte – damit die Kunden die leistungsgesteigerten Versionen aus dem Werk erkennen konnten. Wer da mehr zu diesem Thema beitragen kann, ist herzlich eingeladen, die Diskussion zu eröffnen.
Und eigentlich geht es in dieser Story ja gar nicht um jene frühen Testa Rossa (in zwei Worten geschrieben), sondern um den Testarossa (in einem Wort), der ab 1984 als Nachfolger des Ferrari 512 BB (und BBi) in Produktion ging. Und eigentlich war ausser dem Namen auch gar nicht so viel neu. Am Motor wurde wieder einmal etwas geschraubt, es gab neu vier Ventile pro Zylinder, der 4,9-Liter-V12 kam auf 390 PS bei 6300/min und ein maximales Drehmoment von 490 Nm bei 4500/min. Höchstgeschwindigkeit 290 km/h, Sprint von 0 auf 100 in 5,3 Sekunden.
Die wichtigsten Unterschiede zum BB/BBi: anstatt eines einzelnen Kühlers in der Front hatte der Testarossa deren zwei vor den Hinterrädern. Das machte die Karosserie deutlich breiter – und verschaffte dem Ferrari seine sehr speziell gestalteten Seitenschlitze (die nicht allseits geliebt wurden). Der Radstand wuchs um 6,4 Zentimeter auf 2,55 Meter, was dem Testarossa gerade bei höheren Geschwindigkeiten deutlich mehr Stabilität verlieh.
Ja, er war ein gutes Automobil, der Testarossa, wahrscheinlich der beste Sportwagen jener Jahre. Aber er war halt auch das wahre Symbol der «Yuppies» der 80er und 90er Jahre, der Ausdruck von: Geld. Dazu passte auch sein Auftritt in der 3., 4. und 5. Staffel von «Miami Vice». Auch für Ferrari war der Testarossa ein goldenes Kalb, bis 1991 wurden 7177 Exemplare gebaut – er dürfte eines der kommerziell erfolgreichsten Ferrari-Modelle aller Zeiten gewesen sein. Was aber wiederum einen Einfluss hat auf die heutigen Preise – so ein Testarossa ist eine der günstigsten Möglichkeiten, ein V12 aus Maranello zu fahren. Aber auch die Rotkäppchen-Preise steigen derzeit in einem atemberaubenden Tempo.
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