Lamborghini Huracan LP580-2
Querulant
Fast wäre das Rendez-Vous noch geplatzt. Erst nach dem Mittag treffen der Fahrzeugschein und die Nummer doch noch in Sant’Agata ein. Das Schild wird rasch auf den roten Lambo montiert, dann drückt mir Rodrigo den Schlüssel in die Hand und meint: Tolé. Das sei die perfekte Strasse für den LP580-2: viele Kurven, kaum Verkehr. Die Anfahrt über die Weiten der Emilia Romagna in Richtung Süden zu den Colli Bolognesi ist bestens geeignet dafür, den Geist sowie die Reifen ein bisschen auf Temperatur zu bringen, viele rechtwinklige Abzweigungen, und hups, das geht ganz leicht ein bisschen quer, spielerisch, fröhlich. Und dann geht es den Berg hoch, die Gassen werden immer enger, der Verkehr immer weniger – und er fliegt, der Lambo. Buchstäblich, einmal hebt er, gefühlt, mit allen vier Rädern ab. Was aber nicht daran liegt, dass das Fahrwerk untauglich wäre, beim besten Willen nicht, es ist der Übermut und die wahre, pure, reine Freude am Fahren.
Ewig, nein, wahrscheinlich noch nie hatte ich so viel Vergnügen mit einem Lamborghini. Den Huracan haben wir bei der ersten Begegnung ja noch als den «schärfsten aller Audi» bezeichnet, was man in Sant’Agata nicht so gerne las, obwohl es doch unbedingt ein Lob war. Als LP580-2, also: nur heckgetrieben, mögen wir den Huracan nun als schlichtweg grossartig bezeichnen, ein Freudenspender, ein Sportwagen, wie ein Sportwagen sein muss: unvernünftig, grob, wild, schräg. Ohne Allradantrieb hat der Huracan seine wahre Bestimmung gefunden – und vielleicht müsste man in Sant’Agata einmal darüber nachdenken, ob vielleicht nicht das der richtige Weg sein könnte. Zumal es diese Variation vom Audi R8 ja nicht gibt.
(So ein kleines Schweinchen darf doch so ein Lambo schon sein, ich erinnere mich gern, aus eigener Erfahrung, an Countach und so, die charakterlich ja nicht über jeden Zweifel erhaben waren; der Miura, einst, galt ja so ein bisschen als gefährlich. Auch wollen die Italiener doch so ein bisschen «dirty» sein, nicht so Nasenwasser-Mainstream – und da passt das einfacher besser zum Image, wenn der Wagen sich nicht fährt wie der Familien-Kombi, oder?)
Das Spiel ist ja nicht neu, schon vom Gallardo gab es ja einen heckgetriebenen «Balboni», der so viel Erfolg hatte, dass die Anti-Allrad-Version auch fest ins Programm aufgenommen wurde; damals sogar noch mit manuellem Getriebe. Dieses gibt es beim Huracan nicht mehr, es heisst: zu wenig Kunden-Interesse, aber damit können wir leben, denn das 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe ist um etwa vier Welten besser als der automatisierte Schrott, der noch in den Gallardo (und leider auch: den Aventador…) eingebaut wurde (wird). Feststehende Paddels, riesige Ohren am Lenkrad – und das ist gut so, denn auf der Achterbahn des Lebens kann es der Lenkerin, dem Piloten im LP580-2 schon ein bisschen schwindlig werden; dann ist gut, wenn man weiss, woran man sich festkrallen kann. Denn ja, wenn Du die Arme über Kreuz hast, dann brauchst Du Orientierung. Und auch wenn ich mich damit jetzt vielleicht in die Warmduscher-Abteilung manövriere: es ist halt schon entspannter, dort, wenn Du am Hang stehst, wenn die ganze Fuhre bloss mit einem Zupf bewegt werden kann – und wenn Du, eigentlich einen Gang zu hoch, mehr auf der Drehmomentwelle denn auf der letzten Rille reitest.
Gut, er hat nur 580 PS, der LP580-2, 30 Pferde weniger als sein allradgetriebener Bruder. Auch das maximale Drehmoment haben sie zurückgefahren, um 20 Nm auf 540 Nm; es gibt aber allgemein immer noch reichlich, schon bei 1000/min sind es über 400 Nm, damit kann man leben. Dafür ist der LP580-2 aber 33 Kilo leichter; nein, nicht, dass man es wirklich merken würde, aber es gefällt uns halt der Gedanke, dass es weniger als 1400 Kilo sind, die der Lambo da auf die Strasse bringt, also, so in etwa: ein Golf. Gewichtsverteilung im Hecktriebler: 40 vorne, der Rest logischerweise hinten. Und es sei dazu bemerkt, dass er den Grip sehr, sehr lange auf den Boden bringt, man den Wagen schon sehr bewusst zu einem Ausbruch der Gefühle zwingen muss. Wie schon beim «normalen» Huracan gilt auch für den Hecktriebler: der Fahrmodus «Strada» ist komplett unnötig, da rutscht er sogar ein wenig vorne weg, es muss «Sport» sein, eigentlich immer, denn bei «Corsa» wird es dann blitzartig kritisch, wenn das Heck seine eigenen Wege gehen will, das geht eigentlich wirklich nur auf der abgesperrten Strecke. Übrigens, und wen wundert’s: die Lenkung ist von einer herrlichen Präzision. Baumusterbedingt.
Oben in Tolé finde ich dann noch eine andere Gasse, bergab, eine herrliche Achterbahn. Und da zeigt der Lambo dann gleich nochmals, dass er halt schon ganz oben mitspielt im Sportwagen-Segment. Die Stasse ist in einem katastrophalen Zustand, aber das stecken Federung und Dämpfung sehr sauber weg; die Bremsen sind grosses Kino, sehr bissig, falls gefordert, ansonsten wunderbar fein zu dosieren. Dann schätzt man auch das enge Gestühl (wobei es ja im Huracan so gar nicht beengt ist, ansonsten) und die gute Sitzposition (die um Längen besser ist als im Aventador…). Und ja, bergab sind die programmierten Fehlzündungen feinste Musik – genau wie bergauf das Brüllen des V10 die Gehörgänge liebevoll kitzelt. Ja, der Sound: V10 ohne Zwangsbeatmung, das ist unbedingt feiner als V8 mit Turbo und auch besser als sechs Zylinder als Boxer. da hat Lamborghini jetzt irgendwie das Näschen vorne, auch gegenüber Maranello (dazu kommt dann noch was…) und Stuttgart (dazu haben wir erst gerade etwas geschrieben…).
Innen ist der Huracan moderner als alles, was sonst noch in dieser Kategorie mitfährt; das riesige Digital-Display im Armaturenbrett kennt man vom neuen Audi A4 und auch aus dem Passat, doch im Lambo gefällt es uns am besten, auch das wilde Farbenspiel passt zum extrovertierten Charakter des Italieners. Da leuchtet dann der Drehzahlmesser gelb über die ganze Breite, und wenn er bei 8000/min aufschlägt, dann ist das für alle Sinne eine Offenbarung. Die Verarbeitung hat unterdessen wohl das von Audi angestrebte Niveau erreicht; was uns aber ein wenig erstaunt, sind die vielen Knöpfchen auf der Mittelkonsole. Das widerspricht nicht nur dem Trend zur Vereinfachung und der in Ingolstadt so hochgelobten Ergonomie, sondern wirft auch die Frage auf: wann genau sollte man denn Zeit haben im LP580-2, sich auf solche Dinge zu konzentrieren? Ich nehm nämlich lieber nochmals die Bergstrasse hoch nach Tolé. Und oben dann einen Espresso.
Ab 215’350 Franken kostet so ein LP580-2, rund 35’000 Franken weniger als der 610er 4WD mit dem Safety-Paket. Mit diesem Preis räubert er auch klar im Revier von Porsche – und ja, da ist er eine Alternative zum 911 GT3 RS. Nicht nur preislich, auch in Sachen Fahrfreude. Allgemein stehen wir ja nicht so sehr auf das Einsteiger-Basis-Modell, doch bei Lamborghini ist die günstigste Version unser sehr bescheidenen Ansicht nach die beste. Weil so richtig «radical».
(Wir haben ein bisschen mit der GoPro gespielt im Huracan. Einfach mal so ein bisschen gefilmt; wir haben noch keine Ahnung davon, wie wir das verarbeiten können, ob wir das überhaupt wollen. Doch vielleicht geben die Videos, einmal ein Rundgang und eine Bergfahrt und eine Bergabfahrt, ja noch ein bisserl mehr Eindrücke vom Lamborghini. Und wir plaudern gern über Ideen…)
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