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Volvo PV444

Published in radical-mag.com

Der Buckel

Selten besass eine Automobilausstellung wirtschaftlich und zugleich gesellschaftlich grössere Bedeutung: Während noch der Zweite Weltkrieg wütete, präsentierte Volvo am 1. September 1944 in der Königlichen Tennishalle von Stockholm bereits das Pkw-Programm für die friedlichen Jahre des wirtschaftlichen Wiederaufschwungs. In Anwesenheit von Kronprinz Gustav Adolf und des schwedischen Ministerpräsidenten Per Albin Hansson eröffneten die Volvo-Gründerväter Assar Gabrielsson und Gustaf Larson die Ausstellung mit dem Volvo PV444 als Premierenstar. Schwedens erstes Modell für die Massenmotorisierung sollte nicht vor 1947 in Grossserie gehen, aber schon jetzt war die Begeisterung der Bevölkerung für den schicken Volvo im amerikanischen Aero-Design grenzenlos. Jeder 40. Schwede besuchte die zehn Tage dauernde Ausstellung – für Autosalons bis heute ein rekordverdächtiges Resultat. Das war erst der Anfang, brach der Volvo PV444 doch später alle bestehenden Volvo-Verkaufsrekorde.

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Es gibt sie, die raschen Entscheidungen, die das Schicksal eines Automobilkonzerns dauerhaft verändern können. Die Volvo-Unternehmensgründer trafen sie im März 1944, als ihnen das erste Holzmodell eines kleinen Volvo im Massstab 1:1 präsentiert wurde. Fast 40 Entwicklungsingenieure hatten an dem Fahrzeugkonzept mit zweitüriger, modischer Stromlinienkarosserie gearbeitet, die beim Holzmodell schwarz lackiert war und lediglich durch silberne Farbflächen die Fenster andeutete. Nach 20-minütiger Prüfung des Concept Cars beschlossen Gabrielsson und Larson den Bau der neuen Modellreihe unter der Bezeichnung Volvo PV444. «PV» stand dabei für Personvagn und «444» für 4 Zylinder, 40 PS, 4 Sitze.

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Technisch setzte der Volvo PV444 auf die damals noch avantgardistische Konstruktionsweise mit selbsttragender Karosserie und vorderer Einzelradaufhängung, dazu einen grosszügigen Radstand von 2,60 Metern, der genügend Platz für eine ganze Familie gewährte. Ebenso wie der robuste 1,4-Liter-Vierzylinder stand die solide Karosseriekonstruktion für eine lange Lebenserwartung – zugleich aber auch für innovative Sicherheit. Mit dieser Volvo-Kernkompetenz schrieb der Volvo PV444 gleich mehrfach Geschichte, etwa bei der Präsentation der ersten rückwärts gerichteten Kindersitze zum Schutz der kleinsten Fahrzeugpassagiere oder der Einführung des ersten Dreipunkt-Sicherheitsgurtes im weiterentwickelten Modell Volvo PV544. Die Wirkung dieser demonstrierte Volvo während einer Sicherheitskonferenz im März 1961 am lebenden Objekt: Der «Buckel» überschlug sich und der Fahrer stieg unverletzt aus.

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Während die zeitgleich vorgestellte viertürige Sechszylinder-Limousine Volvo PV60 gehobenen Ansprüchen gerecht werden sollte, wurde der zweitürige Volvo PV444 als erschwingliches Massenmodell konzipiert. Damit nicht genug. Der als «Friedensfahrzeug und schwedische Schönheit» beworbene Volvo wurde bei der Premierenshow in Stockholm zum sensationell günstigen Preis von 4800 Kronen angeboten – so viel kostete der allererste Volvo ÖV4 «Jakob» 1927. Das Angebot war zwar kaum kostendeckend, aber ein überaus grosser Marketingerfolg: Die Menschen standen Schlange, um wenigstens einen kurzen Blick auf den noch nicht fahrfähigen Prototypen zu erhaschen. Jeden Tag wurde ein Volvo PV444 verlost, vor allem aber wurden 2300 Kaufverträge unterschrieben. Und als das erste Serienauto am 3. Februar 1947 ausgeliefert wurde, lagen bereits über 10’000 Bestellungen vor. So konnte Volvo das selbst gesteckte Ziel von 8000 geplanten Fahrzeugen schon vor Serienstart übertreffen.

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Was am Anfang kaum jemand für möglich gehalten hatte, gelang nun in nur wenigen Jahren: Mit dem Modell Volvo PV444 wurde Volvo ein weltweit erfolgreicher Grossserienhersteller. Waren bis dahin maximal 2000 Einheiten von einer Modellreihe gebaut worden, wurden vom Volvo PV444 bis 1958 insgesamt 195’959 Fahrzeuge ausgeliefert. Zusammen mit dem vorsichtig modernisierten Modell Volvo PV544 waren es bis Oktober 1965 sogar exakt 440’000 Einheiten.

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Die ersten kompakten Volvo katapultierten den schwedischen Konzern nicht nur auf dem Heimatmarkt an die Spitze der Zulassungsstatistik, der mit 103 konkurrierenden Pkw-Marken damals als internationalster Pkw-Markt der Welt galt. Sie setzten sich auch auf allen bedeutenden Exportmärkten durch, wovon insgesamt 160’000 exportierte Volvo PV444 und Volvo PV544 künden. Vor allem eroberten die «Family Sports Car» Nordamerika als wichtigsten Exportmarkt für Volvo. Am 15. August 1955 traf die erste Lieferung Volvo PV444 in Los Angeles ein, nur ein Jahr später war Volvo bereits zweitgrösste Importmarke in Kalifornien. Möglich wurde dieser Erfolg auch durch leistungsgesteigerte Versionen mit Motoren aus dem Volvo Sport P1900, bei denen die Vierzylinder statt der anfänglichen 44 SAE-PS nun bis zu 85 SAE-PS freisetzten.

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Auch im deutschsprachigen Raum war es der Volvo PV444, der mit markanter «Buckel-Form», flotten Fahrleistungen, vor allem aber seiner robusten und vorbildlich sicheren Konstruktion die schwedische Marke populär machte. Zunächst durch grössere Lieferungen an in Deutschland stationierte amerikanische Armeeangehörige und über unabhängige Importeure, ab 1958 durch die neu gegründete Volvo GmbH in Frankfurt am Main. Im gleichen Jahr gewann Gunnar Andersson die Rallye-Europameisterschaft auf einem Volvo PV444 und demonstrierte so die anhaltende Überlegenheit der bereits 14 Jahre alten Baureihe. Weshalb dem ebenfalls 1958 vorgestellten Volvo PV544 Detailmodifikationen wie eine ungeteilte Frontscheibe,  ein fünfter Passagiersitz (deshalb die «5» im Namen) und nochmals mehr Leistung genügten, um den Erfolg des Kultmodells weitere sieben Jahre fortzuschreiben.

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Mehr Volvo haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Volvo PV444 erschien zuerst auf radicalmag.