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Alfa Romeo 1900L Coupé – #01089

Published in radical-mag.com

Kurzes Vergnügen

Die Carrozzeria Ghia, wahrscheinlich 1916 gegründet von Giacinto Ghia in Turin, gehört sicher zu den grossen Namen unter den italienischen Design-Büros. Und Ghia hat eine grosse, aber auch sehr wechselvolle, manchmal tragische Geschichte hinter sich. In den Anfangsjahren waren die Turiner eine kleine, feine Manufaktur, es entstanden schöne Kleider für den Alfa Romeo 6C 1500, Berühmtheit erlangte aber vor allem das Sport-Coupé auf Basis des Fiat 508 Balilla. 1944 verstarb der Firmengründer an einem Herzinfarkt, als er die Ruinen seiner zerbombten Fabrik besichtigte. Es übernahmen Mario Boano und Giorgio Alberti, 1951 kam Luigi Segre als Geschäftsführer dazu. Segre und Boano zerstritten sich bald über die Ausrichtung, Boano ging, Segre übernahm, holte sich 1957 Pietro Frua ins Haus, schmiss Frua wieder raus – und hinterliess bei seinem Tod 1963 in erster Linie ein Chaos. 1965 kaufte Ramfis Trujillo, Sohn des ehemaligen Diktators der Dominikanischen Republik, das Unternehmen, 1967 übernahm dann Alejandro de Tomaso, 1970 schliesslich Ford.

So chaotisch das auch aussieht, so chaotisch war es wohl auch. Gleichwohl arbeiteten einige der bekanntesten Designer für und mit Ghia, neben Segre und Frua auch noch Giovanni Savonuzzi, Giorgetto Giugiaro und Tom Tjaarda. Und es stammen einige berühmte Fahrzeuge aus diesem Haus, die Supersonic zum Beispiel, die Dauphine und die Caravelle von Renault, aber natürlich auch der VW Karmann Ghia und jene US-italienischen «Hybride», bei denen Ghia sogar im Markennamen stand, der Dual Ghia und sein Nachfolger, der Ghia L6.4.

Unter den vielen kreativen Köpfen von Ghia war wohl Giovanni Savonuzzi der wildeste. Geboren 1911 in Ferrara, studierte Savonuzzi in Turin und arbeitete zuerst für die Flugzeug-Abteilung von Fiat. Was seine Vorliebe für Aerodynamik erklären dürfte. Er kam nach dem Krieg als technischer Direktor zu Cisitalia, in gleicher Position ab 1953 bei der Carrozzeria Ghia – und schuf dort die wohl aussergewöhnlichsten Kreationen, die schon erwähnten «Supersonic» etwa, aber auch die noch viel extreme «Gilda» (dazu erzählen wir dann irgendwann noch etwas) sowie verschiedene Alfa Romeo 1900. Bei Ghia kam er auch in Kontakt mit Chrysler, wechselte 1957 über den grossen Teich, arbeitete unter anderem am Turbinen-Programm der Amerikaner, blieb bis 1969 in den USA. Bis 1977 arbeitete Savonuzzi dann noch als Chef der Entwicklungsabteilung für Fiat.

Bei Ghia entstand eine lange Reihe der Alfa «Millenove» (eine Übersicht gibt es hier), am bekanntesten sind sicher die «Supergioiello». Aber auch Giovanni Savonuzzi durfte sich austoben – aber nicht alles scheint wirklich gelungen. Wahrscheinlich trugen elf der 1900 Kleider von Savonuzzi, zehn Exemplare auf dem kurzen Radstand, das Fahrzeug hier, AR1900L 01089, mit langem Radstand. Ursprünglich blau, wurde der Alfa an einen Kunden in New York ausgeliefert, der Rest seiner Geschichte ist unbekannt. Im vergangenen Sommer wurde er in Monterey von RM Sotheby’s für 184’800 Dollar versteigert, jetzt muss er schon wieder weg, RM Sotheby’s, Miami 2025, Schätzpreis 200’000 bis 250’000 Dollar. Gefahren wurde er übrigens keinen Meter.

Mehr schöne Fahrzeuge finden Sie in unserem Archiv.

Der Beitrag Alfa Romeo 1900L Coupé – #01089 erschien zuerst auf radicalmag.