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Erlebnis Rover P6 3500

Published in radical-mag.com

Wunderlichkeiten

Gerne mache ich mir ein Bild vom Motorraum. Dafür muss ich aber jeweils zuerst die Motorraumentriegelung finden, was dann immer wieder zu komischen Situationen führt, wenn da ein erwachsener Mann neben dem Auto kniet und irgendwo im Fussraum des jeweiligen Automobils rumfummelt. Klar, meist ist das kein Problem, Griff nach links unten, ziehen. Aber beim Rover P6 war da nichts, auch nicht rechts unten, auch nicht im Beifahrer-Fussraum, was es bei englischen Fahrzeugen dann und wann gibt. Vorne, im Kühlergrill: auch nichts. Im Netz, so auf die Schnelle, auch keine Informationen. Ich musste dann tatsächlich den Mechaniker anrufen, aber das musste ich sowieso, denn zum ersten Mal seit vielen Jahren war ich ohne Benzin liegengeblieben.

Rover, ab 1884 erstmals mit Fahrrädern beschäftigt, ab 1904 im Automobilbau, hatte den P6 1963 als Nachfolger des P5 auf den Markt gebracht, zuerst als 2000. Der verfügte über einen neu entwickelten 2-Liter-Vierzylinder mit rund 100 PS, das war damals eine beachtliche Leistung – und der mit vielen innovativen Sicherheitsfeatures ausgestattete Rover wurde 1964 prompt zum ersten «Car of the Year» überhaupt gewählt. Mich haben diese Rover schon als Kind fasziniert, vor allem, weil sie das Reserverad auf dem Kofferraumdeckel trugen. Damals wusste ich noch nicht, dass diese aussergewöhnliche Lösung aus der Not geboren war: Die 4,59 Meter langen P6 hatten einen winzigen Kofferraum. Was wiederum der aussergewöhnlichen Konstruktion geschuldet war, aus Sicherheitsgründen war der Benzintank hinter die Rücksitze gewandert. Und es gab eine eigenartige Verbundachse hinten, sie war geteilt und durch ein Drehschubgelenk verbunden, was die Platzverhältnisse definitiv nicht verbesserte.

Es gab noch mehr – vielleicht typisch englische – Wunderlichkeiten. Lustig etwa die Begrenzungsleuchten auf den vorderen Kotflügeln, sie sollten es dem Fahrer erlauben, die Fahrzeugbreite (1,68 Meter…) besser einzuschätzen. Auch die vordere Aufhängung war ungewöhnlich, mit längs angeordneten Dreieckslenkern oben, die als Winkelhebel auf horizontal angeordnete Schraubenfedern wirkten, und Dreiecksquerlenkern unten; das sollte Platz sparen, denn die Briten gingen davon aus, den P6 mit einer Gas-Turbine ausrüsten zu können. Der Motorblock des Vierzylinders war auf beiden Seiten offen, eine altertümliche Konstruktion, was auch für einen rauen Lauf und viel Lärm sorgte; später gab es auch noch eine Version mit Doppelvergaser und 124 PS. Ab 1968 kam dann die Variante mit dem 3,5-Liter-Achtzylinder auf den Markt.

Das haben wir schon mal erzählt in der Geschichte zum ersten Range Rover. Also: Buick hatte diese Maschine 1963, nach nur drei Jahren Bauzeit, auf die Müllhalde ausgelagert. Er war komplett aus Alu und nur 144 Kilo schwer und bis zu 200 PS stark, aber mit 3,5 Liter Hubraum einfach zu zwergenhaft für den amerikanischen Markt. Denn Hubraum wurde damals gerade (und zu Recht) das Mass aller Dinge. Gut, es heisst auch noch, dass die Produktionskosten zu hoch und die Robustheit zu gering gewesen seien. Hätte Buick-Mutter General Motors geahnt, was Rover mit diesem Alu-Achtzylinder noch so alles anstellen würde, hätte man ihn in Detroit wohl nicht so einfach weggegeben. Die Engländer macht die Maschine zuerst tauglich für den P5, dann kam er in den P6, zuerst mit 150 PS, dann noch mit 141, ab 1971 im S dann handgeschaltet mit 154. Der Verbrauch gehörte sicher nicht zu den Stärken des Rover, der zu seiner Zeit aber zu den leistungsstärksten Limousinen in Europa gehörte, fast 190 km/h schnell war.

Das habe ich nicht versucht, diese 190 km/h. Aber so ein bisschen durch die Landschaft, das ist noch schön. Vorne brabbelt, gut vernehmbar, der Achtzylinder, die Kraftübertragung übernimmt eine 3-Gang-Automatik von Borg-Warner, die nicht sehr sanft schaltet, dafür kurz nach dem Losfahren schon in die höchste Stufe wechselt. Wild wird es also eher nicht, aber das passt gut zum Charakter des Rover, der mehr als nur komfortabel ist, eher so: weich. Die Rollen-Lenkung von Marles ist auch nicht die präziseste, aber das ist egal, dafür sitzt man bequem. Erstaunt bin ich über eine interessante Mischung von vertikalem Tacho und Rundinstrumenten, die bestens in einen kernigen Roadster passen würden. Die zweite Serie, die 1971 eingeführt wurde, hatte dann nur noch Rundinstrumente – und war anscheinend noch rostanfälliger waren als die erste Serie. Unser Exemplar, das von der Oldtimer Galerie Toffen zur Verfügung gestellt wurde, am 22. März 2025 zur Versteigerung kommt und Jahrgang 1970 hat, scheint damit keine Probleme zu haben; in der Lackierung sieht man allerdings ein paar Unterschiede. Auch nicht weiter wichtig, man schaut ja sowieso nur auf das Reserverad auf dem Kofferraumdeckel.

Wissen Sie denn, wo die Motorraumentriegelung sein könnte? Mehr interessante Klassiker haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Erlebnis Rover P6 3500 erschien zuerst auf radicalmag.