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Ferrari-Prototypen

Published in radical-mag.com

Der Verkauf der Muletti

Erst kürzlich haben wir die schöne Geschichte von Anatoly Arutunoff gelesen, wie ihm Enzo Ferrari Mitte der 70er Jahre in einem persönlichen Brief einen Formel-1-Rennwagen angeboten hatte. 40’000 Dollar, gut, das war damals noch gutes Geld, aber es handelte sich wohl um den 74er-F1, mit dem Niki Lauda gefahren war. Arutunoff hätte zwar das Kleingeld gehabt, aber er lehnte trotzdem dankend ab, weil er damals gerade Ärger hatte mit einem anderen Ferrari. Ja, er bereut es.

Und was wollen wir damit erzählen? Ferrari hat, wie es aussieht, seine eigenen Schätze schon immer verkauft. Wohl auch deshalb, weil man sich nie ein eigenes Museum leistete – «il Commendatore» war ein Geizkragen, wie er im Buche steht, er sagte auch einmal, dass er sich nie einen Ferrari kaufen würde, die seien ihm viel zu teuer. Aber alles zu Geld machen, was nicht bei Drei auf den Bäumen war, das war sicher sein Ding. Das war – und ist anscheinend – ein gutes Geschäft. Aber auch eines, das in absoluter Diskretion ablaufen sollte. Man kauft, geniesst – und schweigt. Deshalb sind wir jetzt doch ein bisschen erstaunt, denn es kommen bei Mecum Mitte August gleich vier Prototypen unter den Hammer, die diese Öffentlichkeit wohl nie gesucht haben.

Was wir wissen: Mister V. konnte drei Prototypen des LaFerrari kaufen, M4, MP1 und PS1. Und dazu noch einen Prototypen eines F12tdf, MP4. Wie genau er dazu kam, das versuchen wir gerade noch herauszufinden; wir wissen allerdings, dass er sie als Paket zum Verkauf anbot. Und viel, richtig viel Geld dafür verlangte. Ein Schweizer Händler wäre bereit gewesen, dafür auch richtig tief in die Tasche zu greifen, doch immer, wenn man sich quasi schon einig war, wurde die Gier des Besitzers noch ein bisschen grösser. Es soll sich dabei um einen Australier handeln, der schon im Kunstgeschäft einen groben Schuh rauszog, weil er sich als der Künstler ausgab, den er eigentlich vertreten sollte (Name der Red. bekannt).

Es sind die «drei D», die das Geschäft bei den richtig teueren Automobilen bestimmen: Death (klar), Divorce (kann sehr teuer werden) – und Distraction. Letzteres kann man positiv deuten, man hat die Lust verloren, sich ein anderes Hobby oder eine frische Geliebte zugelegt. Aber es geht durchaus auch ganz anders: man wird durch andere Baustellen «abgelenkt». Zum Beispiel durch Löcher, die in der Portokasse per sofort gestopft werden müssen. Mister V. mit seinen vier Ferrari-Prototypen war auf jeden Fall über Nacht klamm, sehr klamm, so klamm, dass die Fahrzeuge gepfändet werden mussten (es könnte daran gelegen haben, dass er im Kunst-Business sehr, sehr plötzlich keinen guten Namen mehr hatte). Und jetzt, über ein involviertes Finanz-Institut, das wohl mässig erfreut ist, bei Mecum unter den Hammer kommen. Dass die Fahrzeuge nur mit einer «Bill of Sale» verkauft werden, deutet darauf hin, dass da die eine und auch andere Formalität nicht erfüllt ist. Eine gute Frage ist auch, ob sich die Fahrzeuge überhaupt in den USA befinden, denn in die ganze Geschichte ist auch noch ein sehr bekannter englischer Ferrari-Dealer involviert.

Das mag ein Glücksfall sein für all jene, die das Spaziergeld haben, sich einen der vier Prototypen (oder gleich alle) unter den Nagel zu reissen, alles sauber zu regeln. Viel Freude daran werden sie an den Ferrari trotzdem nicht haben, jedes dieser «muletto» ist zwar fahrbar, aber halt nicht auf öffentlichen Strassen, nur auf der (eigenen) Rennstrecke. Es gibt die entsprechenden Zertifikate von Ferrari Classiche, doch die sind in diesem Fall das edle Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind (wie so oft). Ach ja, der Begriff «muletto» geht ja auch auf Ferrari zurück, denn da gibt es noch die unschöne Geschichte rund um das allererste Auto, den 125 von 1947, der mit grösster Wahrscheinlich zu einem späteren Zeitpunkt eine neue Chassisnummer sowie einen neuen Aufbau erhielt. Als der Kunde die Rechnung in der Hand hielt und sah, worum es sich bei seinem als neu gekauften Auto in Wirklichkeit handelt, soll er ausgerufen haben: «Muletto!»

Doch darum geht es eigentlich gar nicht, sondern: Was trieb und treibt Ferrari, diese Prototypen zu verschachern? Bei Enzo, damals, war es klar, er finanzierte sich so seinen über alles geliebten Rennsport. Doch warum geben die Italiener heute drei (oder noch mehr) Prototypen des LaFerrari her, die eigentlich in ein Museum gehören würden, weil sie ja wunderbar die technische Entwicklung dieses Modells aufzeigen können? Herrscht noch immer der Geiz von «il drago» in Maranello? Und fast noch interessanter: Was haben die Italiener alles verschachert?

Erst kürzlich war schon einmal ein LaFerrari-Prototyp auf dem Markt, M6, angeboten über RM Sotheby’s, bei einem Schätzpreis von 1,4 bis 1,8 Millionen aber nicht verkauft (Bilder oben). 2017 hatte RM auf einer Auktion in Maranello bereits #194925 versteigert, jenen LaFerrari, der im Werk als Ausstellungsstück diente. Und nicht fahrbar ist. Aber trotzdem für deutlich über 2,1 Millionen Dollar losgeschlagen werden konnte (Bilder unten). 2007, anlässlich der «Leggenda e Passione»-Versteigerung in Maranello, kamen ein F40-Prototyp, ein 288-GTO-Prototyp und ein Pininfarina-Design-Modell unter den Hammer, wohl direkt ab Werk.

Interessant ist auch die Geschichte eines der drei Prototypen des Ferrari 365 GTB/4, Chassisnummer 11001, der vom Werk wohl schon lange vor der Präsentation des «Daytona» auf dem Pariser Salon im Oktober 1968 an den amerikanischen Importeur Luigi Chinetti verkauft worden war. Ein spannendes Fahrzeug, vorne noch sehr 275 GTB/4 (von dem auch der Motor stammte), hinten aber schon fast 365 GTB/4. Chinetti verkaufte den «Muletto», kaufte ihn später wieder zurück, stellte ihn 1970 auf der New York Auto Show aus, verkaufte ihn wieder. Das Fahrzeug stand später auch lange Jahre in der Turning Wheel Collection der Familie Stieger – und wird Mitte August von RM Sotheby’s in Monterey versteigert (bislang noch ohne Schätzpreis). Wer also ein bisschen Erspartes hat, kann sich am Pebble-Beach-Wochenende gleich fünf Ferrari-Prototypen kaufen – das ist doch ein guter Grundstock für eine ganz spezielle Sammlung.

Photos: RM Sotheby’s, Mecum. Wir haben selbstverständlich noch viele andere (klassische) Ferrari in unserem Archiv.

Der Beitrag Ferrari-Prototypen erschien zuerst auf radicalmag.