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Cizeta V16T

Published in radical-mag.com

64 Ventile

Über die Karriere von Claudio Zampolli könnte man einen Roman schreiben. Eine Netflix-Serie würde vielleicht noch besser passen. Was der heute 80-jährige Italiener alles erlebt hat, nun denn, gerade seine spätere Karriere ist nicht über jeden Zweifel erhaben, da geht es um Diebstahl, Betrug, Eifersucht. Am Anfang stand ein Maschinenbau-Studium, erste Jobs als Testfahrer bei Lamborghini im Team von Paolo Stanzani (ja, Miura, dann auch Countach); zu Beginn der 80er Jahren wanderte Zampolli in die USA aus, importierte feinste italienische Ware auf Rädern, machte sich einen guten Namen mit Reparaturen und Restaurationen. Und es entstand bei ihm der Wunsch, einen eigenen Supersportwagen zu konstruieren; es musste etwas Grossartiges sein, besser, wilder, heftiger als der Porsche 959 und der Ferrari F40.

Zampolli sammelte unfassbare Kompetenz um sich. Oliviero Pedrazzi wurde zum Chefkonstrukteur ernannt; er hatte vorher bei Lamborghini dem Zwölfzylinder Manieren beigebracht (und schuf später die Maschine für den Bugatti EB110). Achille Bevini kümmerte sich um das Fahrwerk, Ianose Bronzatti um das Chassis; beide hatten sie vorher ebenfalls für Lamborghini gearbeitet. Der vielleicht wichtigste Mann war aber Giancarlo Guerra, der bei Scaglietti schon die 250 GTO von Hand gedengelt hatte und später in Sant’Agata für eine geordnete Produktion gesorgt hatte. Als Designer verpflichtete Zampolli den wahnsinnigen, wunderbaren Marcello Gandini. Der hatte zufällig gerade noch einen Entwurf für den neuen Lamborghini Diablo in der Schublade, der in Sant’Agata auf wenig Liebe gestossen war.

Zu den besten Kunden im Shop von Zampolli in Los Angeles gehörte auch Giorgio Moroder. Der italienische Film-Musik-Komponist (Midnight Express, Flashdance etc.) fuhr damals einen Countach, war zufrieden mit dem Service – und kaufte sich deshalb bei Cizeta Motors ein (Ci-Zeta, italienisch ausgesprochen für die Anfangsbuchstaben von Claudio Zampolli), brachte das Geld, das für den Bau eines ersten Prototypen nötig war. Und was da kam, das war: besser, wilder, heftiger als alles andere, was es damals – das erste fahrbare Modell entstand 1989 – auf der Strasse gab. Klar, da war das Design von Gandini – der Wagen war zwar nur 4,49 Meter lang und 1,12 Meter hoch, aber schon damals 2,06 Meter breit. Das hatte einen Grund: der von Pedrazzi konstruierte 16-Zylinder wurde quer vor der Hinterachse eingebaut, das T in der Bezeichnung steht also für «transversale», nicht für Turbo.

Die Maschine war ein Wunderwerk. Im Grundsatz verband Pedrazzi zwei 3-Liter-V8 aus dem Lamborghini Urraco zu einem gemeinsamen Liehctmetallblock, doch das war grober Aufwand, der da betrieben wurde: 64 Ventile, vier Zylinderköpfe, zwei Steuerketten, zwei Einspitzsysteme, insgesamt acht obenliegende Nockenwellen. Aus 6 Litern Hubraum kamen frei saugende 540 PS, geschaltet wurde über ein manuelles 5-Gang-Getriebe, die Kraft ging frei von Hilfssystemen an die Hinterräder – der erste Cizeta-Moroder V16T ging in 4,5 Sekunden auf 100 km/h und erreichte theoretisch 328 km/h Höchstgeschwindigkeit. Als das Fahrzeug 1989 auf der Los Angeles Motor Show vorgestellt wurde, gingen auch gleich reichlich Bestellungen ein, obwohl der Preis mit 650’000 Dollar relativ absurd war. Doch schon 1990 zog sich Moroder aus dem Unternehmen zurück, überliess Zampolli alle Anteile, nahm aber den einzigen Cizeta-Moroder V16T mit. Genau dieser Wagen wurde damals von verschiedenen Fachmagazinen getestet – und konnte in jeder Beziehung überzeugen, vor allem das Fahrverhalten (doppelte Dreieckquerlenker hinten und vorne) und die Verarbeitungsqualität wurden gelobt (auch von Gordon Murray, der Zampolli deshalb sogar einen persönlichen Brief schrieb). Als Minuspunkt wurde das Gewicht von 1,7 Tonnen vermerkt. Diese Masse war eigentlich erstaunlich, die Karosserie bestand bis auf das Stahldach ausschliesslich aus Aluminium, der Gitterrohrrahmen aus Chrommolybdän.

Das Ende war aber absehbar, bevor die Produktion überhaupt anlief. Die ersten Cizeta wurden erst 1993 ausgeliefert, insgesamt sollen es neun Stück gewesen sein, davon drei Sypder (einige Quellen sprechen davon, dass nur sechs Stück überhaupt einen Motor erhielten). Das sehr gute Stück, das wir hier zeigen, trägt die Chassisnummer #101 (obwohl es das sechste gebaute Exemplar war), wurde ursprünglich vom Sultan von Brunei bestellt (der noch einen Cizeta besass), kam aber nie bei ihm an, sondern blieb aus unerfindlichen Gründen in Singapur stehen. Dort wurde es von Curated aufgespürt; der amerikanische Händler beschreibt #101 als den am besten erhaltenen Cizeta überhaupt.

Der Cizeta V16T gehört unbedingt auch in unsere neue Reihe «erfolglose Hyper/Super-Cars» – und zu «Die Aussergewöhnlichen». Noch mehr interessante Fahrzeuge gibt es selbstverständlich in unserem Archiv.

Der Beitrag Cizeta V16T erschien zuerst auf radicalmag.