Pontiac Firebird (1967-1969)
Trostpreis
Man muss sich das nicht unbedingt so vorstellen, dass innerhalb des General-Motors-Konzern alles Friede, Freude, Eierkuchen war Mitte der 60er-Jahre. Nach dem Krieg war GM zwar schnell zum grössten Autohersteller der Welt gewachsen, war schon in den 50er-Jahren der zweitgrösste Arbeitgeber der Welt (nur der sowjetische Staat beschäftigte noch grössere Massen), und 1955 durfte der Konzern erstmals mehr als eine Milliarde Dollar an Steuern bezahlen. Der Erfolg hatte viele Väter, und noch war GM nicht zur Bürokraten-Maschinerie verkommen, sondern förderte die Talente. Mit dem Ergebnis, dass sich die Jungs auch mal an die Gurgel gingen. (Bilder unten: der wahrscheinlich erste Serien-Firebird von 1967, 001 also.)
Eine der schillerndsten Figuren war Elliot Marantette, genannt «Pete» Estes. Pete hatte keine grossartige Schulbildung, er arbeitete in einer Molkerei, bevor er durch Zufall zu General Motors kam, dort zum Ingenieur ausgebildet wurde und eine grossartige Karriere machte. Er begann bei Oldsmobile, wurde 1956 Chefingenieur bei Pontiac und 1961 dann Chef von Pontiac, wo er unter anderem den GTO zur Welt brachte. 1965 wechselte Pete zu Chevrolet als Chef.
Noch aussergewöhnlicher ist die Figur des Herrn John DeLorean. DeLorean hatte eine ausgezeichnete Schul- und Hochschulbildung, arbeitete zuerst bei Chrysler, ab 1958 dann bei Packard, doch schon bald wechselte er zu Pontiac, wo Pete Estes sein Chef wurde. De Lorean war der starke Mann hinter dem Pontiac GTO, dem (wahrscheinlich) ersten aller «muscle cars», der 1964 auf den Markt kam und sofort zum Erfolg wurde. Als Estes 1965 zum Chevrolet-Chef ernannt wurde, konnte DeLorean den Pontiac-Chefsessel übernehmen. Er war der «golden boy» von GM, mit 40 schon Boss einer der «divisions». Das hatte vor ihm noch niemand geschafft.
Doch es war unter anderem Estes, der darauf achtete, dass die Bäume für DeLorean nicht in den Himmel wuchsen. John hatte schnell gemerkt, dass Ford mit dem Mustang ein grossartiger Erfolg gelungen war, und er wusste genau, wie der GM-Konkurrent aussehen sollte. Er schickte seine Studie des Pontiac Banshee ins «pony car»-Rennen, doch im 14. Stock des GM-Hauptquartiers stiess er damit auf taube Ohren. Es war vor allem Estes, der keinen «pony»-Pontiac wollte, mit dem Argument, dass ein solches Fahrzeug die Corvette von Chevrolet zu sehr bedrängen würde. Es war dann sogar so, dass Chevrolet den Camaro basteln durfte – und DeLorean verpflichtet wurde, das Konzept, die Plattform und sogar grosse Teile des Design zu übernehmen, falls er für Pontiac auch einen Mustang-Konkurrenten haben wollte. (Bilder unten: der (wahrscheinlich) zweite Serien-Firebird von 1967, 002 also.)
DeLorean, 1,93 Meter gross, schäumte. Doch er konnte nichts machen – und tat das Beste, was noch möglich war. Obwohl er keine freie Hand hatte beim Design, wurde der Firebird, den DeLorean nach dem Turbinenauto Firebird XP-21 (1953) benannte, das aggressivere Auto. Der geteilte Frontgrill, die sauber integrierten Front-Kotflügel und die vom GTO inspirierten Heckleuchten liessen den «Feuervogel» besser aussehen als den Camaro. Und trotzdem – nicht nur die Presse, auch die geneigte Kundschaft sah den Pontiac Firebird so ein bisschen als «consolation prize» für den sonst so sieggewohnten DeLorean.
Die ersten Camaro standen am 29. Septmeber 1966 bei den Händlern, die ersten Firebird kamen erst am 23. Februar 1967 auf den Markt. Aber immerhin schaffte es DeLorean, den Firebird gleich in seinem ersten Produktionsjahr als Pace Car bei den 500 Meilen von Indianapolis zu lancieren; blöd nur, dass der Camaro das schon ein Jahr vorher durfte. Und der Firebird verkaufte sich ziemlich gut: Obwohl er kein komplettes Produktionsjahr hatte, schaffte es der Firebird 1967 noch auf 82’560 Exemplare. Allerdings, zum Vergleich: Der Camaro kam auf 221’306 Stück (allerdings mit einem sanft verlängerten Verkaufsjahr), der Mustang auf 472’121 Exemplare. Der gleichzeitig mit dem Camaro lancierte und auf dem Ford Mustang basierende Mercury Cougar kam auf 150’893 Stück.
Wir wissen es nicht, aber es könnte beim Studium dieser Zahlen gewesen sein, als der dichte Haarschopf von DeLorean sehr, sehr grau wurde. Er schaffte mit den 69er Grand Prix und GTO nochmals zwei Höhepunkte der US-Autogeschichte. Er wurde am 15. Februar 1969 noch einmal befördert, zum Chef von Chevrolet (Estes wurde Vize-Präsident des GM-Konzerns), er verdiente viel Geld (600’000 Dollar im Jahr), doch er schien nicht mehr besonders motiviert. Man sah ihn häufiger an den Spielen der San Diego Chargers und New York Yankees (er war an beiden Teams beteiligt) sowie zusammen mit Film-Mogulen als in Detroit. Am 2. April 1973 nahm die GM-Karriere des John DeLorean ein abruptes Ende (und Estes wurde ein Jahr später Konzern-Chef). Was danach kam – die DeLorean Motor Company und der DMC-12, dann einer der absurdesten Gerichtsfälle aller Zeiten, Konkurs, der DMC2, seine Uhren – das ist zwar Stoff für eine ganze Reihe von Büchern, aber uns fehlt hier der Platz. (Aber selbstverständlich haben wir eine schöne Geschichte dazu, hier).
War der Firebird denn nun wirklich nur ein Trostpreis? Mitnichten. Damals waren noch nicht Synergien das oberste Prinzip des Automobilbaus. Oldsmobile, Buick, Chevrolet, Cadillac und natürlich auch Pontiac durften innerhalb des GM-Konzerns ihre ganz eigenen Motoren konstruieren. Und Pontiac war bekannt dafür, die eher sportliche Schiene zu fahren. Wobei, die Basismotorisierung des Firebird war eine wahre Tristesse, ein 3,8-Liter-Reihen-Sechszylinder mit etwa 115 PS – das riss nun wirklich niemanden vom Stuhl. Aber kontinuierlich ging es aufwärts, bis zum 6,6-Liter-V8 mit 325 PS, wie er auch im GTO eingebaut war. 1968 wurde dann bereits etwas nachgelegt, der Basismotor war ein 4,1-Sechszylinder, der immerhin 175 PS schaffte; gegen oben war eine «Ram Air»-Option erhältlich, mehr Luft, schärfere Nockenwellen. Auf dem Papier waren es weiterhin nur 325 PS, doch das Triebwerk drehte deutlich höher, also dürfte die maximale Leistung auch höher gelegen haben.
Doch wir wollen hier von den 69er plaudern, dem wohl besten Jahrgang nicht nur für den Firebird. Der Wagen wurde optisch leicht überarbeitet, vor allem an der Front und im Innenraum. Es gab auch ein neues «Ram Air IV»-System, das ergab dann neu 345 Pferdchen, ziemlich konservativ geschätzt. Doch «big news» für 1969 war etwas ganz anderes: Trans Am. Diese Bezeichnung gab zwar Ärger mit dem SCCA (Sports Car Club of America), der die Rechte an diesem Namen besass, und Pontiac wurde vom Richter verdonnert, dem SCCA für jeden verkauften Trans Am fünf Dollar zu überweisen. 1969 war der Betrag noch gering, denn es wurden nur gerade 697 Trans Am verkauft, davon acht Cabriolets. Doch mit dem Trans Am wurde eine weitere der amerikanischen Auto-Ikonen geboren.
Eigentlich war es ja nur ein so genanntes «Performance and Appearance Package», das der Kunde für satte 725 Dollar erstehen konnte; das Basis-Modell kostete 1969 nur gerade 2821 Dollar. Das Trans-Am-Paket gab es nur für die bösen Maschinen, die 6,6-Liter-V8, entweder mit Ram-Air III (335 PS) oder Ram-Air IV (345 PS). Es bestand einerseits aus optischen Verfeinerungen (doppelte Luft-Hutze auf der Motorhaube, Heck-Spoiler, zusätzliche Luft-Einlässe an den Seiten, weisse Lackierung mit blauen Streifen). Andererseits gehörte auch ein verbessertes Fahrwerk dazu: ein paar Millimeter näher am Boden war der Aufbau, zusätzliche Stabis wurden montiert. Das Handling, im Vergleich zu anderen amerikanischen Wagen eh nicht eine Schwäche des Firebird, wurde damit deutlich verbessert. Einen Über-Firebird, vergleichbar mit dem ZL-1 von Camaro oder den Boss 302 oder Boss 429 vom Ford Mustang – den gab es nie. Zwar war eine 5-Liter-Rennmaschine, die auch in der Trans-Am-Meisterschaft mitfahren durfte, vorhanden, doch diese wurde nie in ein Serienfahrzeug eingebaut.
Dass die nur gerade acht Trans-Am-Cabrios von 1969 heute sensationelle Preise bringen, das ist klar. Unter einer Million Dollar geht gar nichts. Die anscheinend sieben überlebenden Exemplare gehören zu den teuersten «pony cars», die es gibt. Die Coupés sind nicht ganz so grob bewertet. RM Auctions verkaufte den hier gezeigten 69er-Trans-Am kürzlich für rund 80’000 Dollar. Aber es gibt noch andere Raritäten. Das eine Cabrio, das wir hier zeigen, das irgendwie blaue Exemplar, kam einst bei RM Auctions auf 286’000 Dollar. Es handelt sich hierbei um eines der 17 gebauten Cabrios mit dem «Ram Air IV»-Motor.
Mehr feine Amerikaner haben wir in unserem Archiv.
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