Fahrbericht Toyota Corolla GTI
Hachi-Roku
Es wird wohl für immer ein Rätsel bleiben, weshalb Toyota das meistverkaufte Automobil der Welt von Corolla in Auris umbenannt hat (und dann, als es alle als Auris kannten, wieder zurück in Corolla). Wir werden es auch nicht lösen, doch es sei hier zurückgeschaut in eine Zeit, als ein Corolla noch das meistverkaufte Auto der Welt war und als es auch noch kompakte Toyota gab, die tatsächlich über Heckantrieb verfügten. Der Toyota Corolla AE86, vorgestellt 1983 und gebaut bis 1987, war einer der letzten Vertreter dieser Spezies, sogar die Celica erhielt 1986 vorne angetriebene Räder, es blieb dann – zumindest bis 2002 – nur noch die Supra, und der war mehr als eine Stufe höher, vor allem als JZA80. Dann, ab 2012, gab es wieder einen «echten» Sportwagen im Toyota-Programm, und der spielte auch wieder mit der Zahl 86, als GT86. Kaufen wollte ihn fast niemand – und schaumermal, wie es der neuen Supra ergeht.
Doch erklären wir zuerst das (interne) Kürzel AE86. Das «A» kommt vom Motor (die Serie des 4A-Motoren), «E» steht für den Corolla, mit «8» wurde die fünfte Corolla-Generation gekennzeichnet (E80, eben von 1983 bis 1987), und die «6» steht für die Variante innerhalb dieser Modellreihe. In Japan erhielt der AE86 den Übernamen «Hachi-Roku», was für «Acht-Sechs» steht, was also bedeutet, dass der AE-Sechsundachtzig eigentlich ein AE-Acht-Sechs ist. Den GT86 als GT-Acht-Sechs zu bezeichnen, das wäre dann wohl aber etwas gar spitzfindig.
Wobei, es gab da auch beim AE86 jede Menge spezieller Bezeichnungen. In Japan gab es den AE86 als Corolla Levin (die wurden exklusiv in den «Toyota Corolla Store» verkauft) sowie als Sprinter Trueno (erkennbar an den Klapp-Scheinwerfern – und die gab es nur in den «Toyota Vista Store» zu kaufen). In Australien hiess der Corolla sowieso Sprinter, Trueno heisst dann spanisch «Donner», und Levin ist das alt-englische Wort für «Blitz». Um die Verwirrung noch ein bisschen weiter zu treiben: es gab auch noch den AE85, doch der war erstaunlicherweise kein anderes Modell, sondern verfügte über einen anderen Motor, einen 1,5-Liter anstatt das 1,6-Liters. Und dann kommen noch die Modell-Bezeichnungen in Europa dazu, in der Schweiz zum Beispiel wurde der AE86 mit Corolla Twincam angeschrieben und als Corolla GTI verkauft. In Deutschland hiess er Corolla GT, in den USA Corolla GT-S.
Doch wir wollen uns hier auf den legendären AE86 beschränken, jenes Modell mit dem 1,6-Liter-Vierzylinder mit zwei obenliegenden Nockenwellen und vier Ventilen pro Zylinder (intern als 4A-GE bezeichnet), der in der europäischen Ausführung 130 PS leistete und ein maximales Drehmoment von relativ bescheidenen 150 Nm schaffte (in Deutschland wurden 124 PS sowie ein maximales Drehmoment von 145 Nm bei 5200/min angegeben); mit Katalysator waren es dann offiziell nur noch 116 PS. Die Maschine verfügt zudem noch über das TVIS (Toyota Variable Intake System), was bedeutet, dass jeder Zylinder mit zwei Ansaugrohren ausgestattet ist: eines dieser Rohre ist jedoch mit einer Klappe verschlossen, die sich erst bei 4500/min öffnet. So wollte Toyota einen linearen Drehmomentverlauf erreichen, was auch gelang, doch eben, maximal 150 Nm garantieren jetzt nicht unbedingt für die brutale Durchzugskraft.
Es gab von diesem Motor auch noch eine Variante namens 4A-GZE, die bis zu 165 PS stark war, aber nie über die offiziellen Kanäle nach Europa kam; im Rennsport allerdings, wo der Corolla GTI (als Schweizer wollen wir uns auf die Bezeichnung beschränken) sehr beliebt war, wurde diese heisseste Variante häufig eingesetzt. Und einfach, damit es klar ist: ein Golf GTI hatte damals 110 PS. Er war zwar etwas leichter (860 Kilo gegen die mindestens 910 Kilo des Toyota), doch er hatte weder auf der Strasse und schon gar nicht auf der Rennstrecke auch nur den Hauch eine Chance gegen den Japaner. Aber der Volkswagen war ja auch frontgetrieben.
Man muss es so sehen: der Corolla GTI war damals etwas vom Schärfsten, was es für ein noch vernünftiges Entgelt zu kaufen gab. Vorne verfügte er über eine McPherson-Einzelradaufhängung, hinten gab es zwar nur eine Starrachse, doch die war in einer Multilink-Konstruktion immerhin sehr aufwendig gebaut; vorne und hinten gab es Stabis, dazu kam noch ein Sperr-Differential, bei Toyota als LSD bezeichnet. Belüftete Scheibenbremsen – vorne 234 Millimeter, hinten 231 Millimeter – gehörten in jenen Jahren auch nicht unbedingt zur Standard-Ausrüstung für bedeutend stärkere Autos. Geschaltet wurde über ein manuelles 5-Gang-Getriebe (T50), auf Wunsch war eine Automatik erhältlich, doch das interessierte wohl ausserhalb der Vereinigten Staaten wohl niemanden.
Den Hype um den AE86 haben sicher auch die unzähligen Privatpiloten rund um die Welt ausgelöst, die mit ihren Corolla für wenig Geld grosse Erfolge erzielen konnten. Doch eigentlich ging die ganze Geschichte von Japan aus, von einem Manga namens «Initial D», das es allerdings erst seit 1995 gibt. Es wird die Geschichte von Takumi Fujiwara erzählt, der mit seinem AE86 (es handelt sich dabei um einen Sprinter Trueno, also den mit den Klapp-Scheinwerfern) Strassenrennen fährt und mit traumhaften Drifts seine Konkurrenten in die Schranken weist. Es gibt diese Serie auch als Anime und als Film, und jedes Kind kennt sie in Japan. Es gibt in Japan noch weitere sehr berühmte AE86, und manch einer ist mit einem 5-Ventiler-Motor ausgestattet. Diese sollen bis zu 230 PS stark sein. (Wen es interessiert, der soll einmal auf Google eingeben: Keiichi Tsuchya. Oder: Katsuhiro Ueo.)
Wir fuhren einen ganz klassischen Corolla GTI, Schweizer Ausführung, sehr original, bestens erhalten. Und waren überrascht, wie gut dieses doch bald 40-jährige Gefährt abgeht, wie geschmeidig es sich fahren lässt. Der Motor ist sehr drehfreudig, er braucht etwas Drehzahl, doch das ist bei der Bauweise mit den zwei obenliegenden Nockenwellen durchaus verständlich. Der Drehmomentverlauf ist tatsächlich erfreulich gleichmässig, und wer den Corolla ein bisschen bei Laune hält, der kommt bestens wieder aus den Kurven raus. Die Lenkung ist präzis (da hilft auch, dass das Corolla Coupé sehr übersichtlich ist), auch das 5-Gang-Getriebe erfreut mit relativ kurzen Schaltwegen. Und perfekten Übergängen. Wir sind ja vor kurzem auch einen Golf GTI der ersten Generation gefahren, doch das ist kein Vergleich, der Toyota macht viel, viel mehr Fahrspass, allein schon dank Heckantrieb. Und geht sicher auch bedeutend besser. Und er macht auch mehr, schöneren Lärm, aber das dürfte auch mit dem fetten Endrohr zusammenhängen, das an unserem Exemplar montiert war.
Wir haben dann nur noch auf einem Parkplatz kurz ein paar Driftversuche unternommen, naja, es war ja nicht unser Auto. Aber wir waren überrascht, wie einfach sich das Ding dabei beherrschen liess. Hatten dann aber bald schon Mitleid mit den Reifen. Doch es ist uns jetzt auch klar, warum eine ganz besondere Szene so stark interessiert ist an den AE86. Und warum es kaum mehr feine, schöne Exemplare zu kaufen gibt, obwohl die Produktionszahlen ja doch ziemlich hoch waren. Es ist auch davon auszugehen, dass die Preise für saubere Stücke in den nächsten Jahren weiter ansteigen werden.
Innen herrscht halt die volle (Plastik-)Härte. Aber die Sitzposition ist gut, entspannt, der Schaltknüppel schön weit hinten. Gut, das OMP-Lenkrad ist auch nicht original, aber es passt halt bestens zum Charakter dieses 4,2 Meter langen, nur 1,63 Meter breiten und 1,34 Meter hohen Geräts. Wir haben uns fast so ein bisschen verliebt. In einen Toyota…
Photos: Walter Pfäffli. Mehr Toyota haben wir in unserem Archiv.
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