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Test Ford Ranger Raptor

Published in radical-mag.com

Härtefall

Man muss sich das ja dann schon: antun wollen. Der Ford Ranger Raptor ist ein doch kauziger Kerl, wie wir ihn schon lange nicht mehr erlebt haben. Er ist riesig, er ist nur für eine sehr kleine Minderheit praktisch – und er hat auch ein paar erstaunliche Macken. Die waren uns bei den ersten Probefahrten in Marokko nicht so sehr aufgefallen (hier: der ausführliche Fahrbericht), doch beim Test in der Schweiz merkt man dann schnell, dass dieser Pick-up eigentlich gar nicht für die hierzulande so seidenfeinen Asphaltbänder gemacht ist, sondern so richtig schlechte Gassen, echten Dreck und tiefe Löcher braucht, um seine Stärken ausspielen zu können. Das liegt aber in erster Linie an seinen serienmässigen Reifen, 285er/17-Zoll-BF Goodrich All Terrain. Das Abrollgeräusch (auf Asphalt) ist ja noch so einigermassen erträglich, auf trockener Strasse geht es auch, doch was er gar nicht kann: Nässe. Da kommen dann über 2,5 Tonnen, verteilt auf 5,36 Meter Länge und 2,03 Meter Breite, sehr schnell, viel zu schnell ins Rutschen. Und wenn dann diese Fuhre in der Kurve zu flott abbiegen will, sprich: das Heck ausbricht, dann ist dann ziemlich mässig lustig. Wir haben auch den Bremsweg «gemessen», zu Fuss zwar nur, aber gut 50 Meter aus Tempo 100 sind halt mehr so in Richtung: ungemütlich.

Dabei: Es könnte ja so gut sein. Dass es ein Hersteller wagt, in diesen von E-Neuheiten und CO2-(Ab)Normen dominierten Zeiten einen Pick-up, aus dem man auf all die mächtigsten AudiBenzBMW-SUV herunterlächelt, auf den europäischen Markt zu bringen, das verdient schon Applaus. Es braucht sie, diese Fahrzeuge, die aus dem silbergrauen Einheitsbrei der Billigleasingangebote herausstechen, sonst benötigt man sie tatsächlich, diese Assi-Systeme, die vor dem Einschlafen am Lenkrad warnen. Und es ist auch so manches richtig gut an diesem (in Australien entwickelten) Ford, das Fox-Racing-Fahrwerk (ja, die Jungs haben reichlich Renn-Erfahrung – entsprechend hart ist das alles), das gegenüber dem auch nicht wirklich schwächlichen Ranger deutlich verstärkte Chassis, eine elektronische Hinterachssperre, ein vernünftiger Unterbodenschutz aus 2,3 Millimeter dicken Stahlplatten. Das alles braucht man in der Schweiz zwar nie, also, eben: nie, aber vielleicht will man ja mal nach Marokko. Dort machen ja dann auch die Reifen eine gute Figur, dort kann man die Watttiefe von 85 Zentimetern und die Bodenfreiheit von fast 30 Zentimetern vielleicht tatsächlich einmal brauchen. Genau wie die sieben verschiedenen Fahr-Modi, von denen fünf auf schwereres Gelände abgestimmt sind. «Baja» ist der Höhepunkt, da werden Maschine, Lenkung und Fahwerk auf «Sport» geschaltet, aber gleichzeitig die Sand/Schlamm-Kennung aktiviert, was feinstes Querfahren ermöglicht. Bloss: es fehlte uns das passende Gelände.

Aber eben, wir fahren hierzulande fast ausschliesslich nicht durch grobes Gelände. Aber wir fuhren den Raptor dafür ziemlich häufig an die Tankstelle. Ein Durchschnitt von 10,4 Litern mag für ein so schweres, aerodynamisch jetzt nicht wirklich vorteilhaft gestaltetes Fahrzeug zwar noch vernünftig erscheinen, doch eigentlich ist er es nicht. Denn unter der Haube des Ford arbeitet ja nicht ein V8 oder wenigstens der 3,5-Liter-EcoBoost, sondern ein 2-Liter-Diesel. Der mit 213 PS für einen Selbstzünder dank doppelter Aufladung gut im Saft steht, mit 500 Nm maximalem Drehmoment, das schon ab 1750/min zur Verfügung steht, auch reichlich Kraftreserven zur Verfügung stellt, aber halt trotzdem nicht so recht zum optischen Auftritt des Ford passen will. Und, eben, relativ durstig ist. Und auch nicht wirklich sportliche Fahrleistungen auf den Asphalt zaubert: Über 10 Sekunden für den Sprint 0 auf 100 km/h sind Werte, die man heute eigentlich nur noch bei Lastwagen sieht. Aber auch hier wieder: Im Matsch kann diese Maschine, die an die bekannte 10-Gang-Automatik gekoppelt ist, ihre Qualitäten wunderbar ausspielen, auch bei Schweizer Autobahn-Tempi schnurrt sie schön niedertourig vor sich her. Wer aber sportlichere Absichten hat etwa auf der Landstrasse, der wird nicht viel Spass empfinden. Denn da sind ja noch die Reifen. Und nein, der Sound ist auch nicht grossartig, aber das kann die Tuning-Branche sicher noch nachhelfen.

Die Sitze wären immerhin wie gemacht für eine Kurvenhatz, sie gehören überhaupt zu den besten, die wir in letzter Zeit erfahren durften. Überhaupt ist der Innenraum sehr anständig gemacht, vielleicht sogar fast zu edel (blaue Ziernähte) für diese Off-Road-Rampensau. Die Bedienung gibt auch keine Rätsel auf – was aber auch daran liegen könnte, dass wir noch so manchen Ford gefahren sind in den vergangenen Monaten. Sogar in den zweiten Reihe hat es genau Platz, was ja nicht für jeden Pick-up gilt; dafür glänzt ein «normaler» Ranger mit etwas mehr Zuladung. 57’650 Franken sind wahrscheinlich auch nicht zu viel Geld für dieses in so vielen Details wirklich mit viel Liebe und Können konstruierte Fahrzeug; er hat hierzulande auch keinerlei Konkurrenz. Aber wir hätten/hatten ihn definitiv lieber in Marokko als in der Schweiz.

Mehr Ford haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Test Ford Ranger Raptor erschien zuerst auf radicalmag.