Test Porsche Cayenne Coupé Turbo S e-Hybrid
Der Geradeaus
13 Kilometer. Gut, es war frisch. Also: noch weit entfernt von kalt, deutlich über Null, aber halt unter der Optimal-Temperatur von 20 Grad. Porsche meint, dass 40 Kilometer möglich sein sollten, wir meinen, dass mit einer 240 Kilo schweren 14,1-kWh-Batterie auch etwa 80 Kilometer möglich sein sollten (siehe: Test Kia Niro PHEV – mit einigen wichtigen Zahlen…). Doch es waren dann: 13. Nicht nur einmal als Ausreisser, wir kamen in diesem bislang wahrlich nicht kalten Winter nie über: 13 Kilometer. Das Problem ist auch schnell erkannt: Der Akku ist schon leer, bevor er in der Schweiz zwischen Oktober und April überhaupt so ein bisschen warm werden kann. Die Frage ist dann aber: Wer braucht einen PHEV, der es mit gewaltigem Aufpreis (dazu kommen wir später noch) auf gerade einmal 13 Kilometer Reichweite bringt? Sind die vom Werk angegebenen 3,9 Liter Verbrauch nicht schlicht und einfach: äh, ja. Wir kamen auch mit diesen rein elektrischen 13 Kilometern auf einen durchschnittlichen Verbrauch von 13,1 Litern; das Werk verkündet 4,8 bis 5,4 Liter nach WLTP.
Einverstanden: Aus pekuniären Gründen werden Turbo-S-e-Hybrid-Kunden nicht über diesen Mehrverbrauch jammern. Und wahrscheinlich ist die Umwelt einem Cayenne-Coupé-Piloten auch mehr so in Richtung von: Grünkohl. Vielleicht macht sich Aufschrift «e-Hybrid» vor dem Golf-Club ganz gut, so ein bisschen Greta ist ja ganz ok – zumal der Auskenner ja weiss, dass «Turbo S» bei Porsche immer den Gipfel des Leistungsspektrums darstellt. Im Cayenne arbeiten doch stolze 680 PS Systemleistung und eine Wand von 900 Nm maximalem Drehmoment daran, die Passagiere einigermassen standesgemäss voranzubringen. 3,8 Sekunden auf 100, 295 km/h Höchstgeschwindigkeit – und das bei einem Leergewicht von über 2,6 Tonnen. Ach ja, das «sportlichere» Cayenne Coupé wiegt fast 50 Kilo mehr als die klassische SUV-Variante.
Es ist schon komplett jenseits, wie das Trumm beschleunigt – wie es sich auf der deutschen Autobahn anfühlt, das hat Fabian ja schon eindrücklich beschrieben, hier. Für die Schweiz ist so ein Turbo S e-Hybrid übermotorisiert, man berührt das Fahrpedal kaum, und schon wird man allein vom 4-Liter-V8-BiTurbo innert einem gefühlten Wimpernschlag über die Vorgaben der Gesetzgeber katapultiert. Doch auch am Berg, in engeren Kurven, da ist er so ein bisschen eine Spassbremse: Er ist einfach zu schwer, er drängt dann schon mit Macht nicht dorthin, wohin man eigentlich möchte. Selbstverständlich wird er von der Elektronik und Allradantrieb in der Spur gehalten, man muss sich auch nicht wirklich Sorgen machen, doch Physik bleibt Physik – und sein beträchtliches Gewicht kann der heftigste Cayenne nicht verheimlichen. Geradeaus hingegen – ui. Und die Bremsen (vorne 420 Millimeter!) – unglaublich.
Und was er halt auch hervorragend kann: Gleiten auf der Langstrecke. Es herrscht eine wunderbare Ruhe in diesem Wagen, von der Mechanik kriegt man gar nichts mit, die 8-Gang-Tiptronic schaltet jederzeit perfekt, zu hören sind einzig die Abrollgeräusche der Reifen. Im Normal-Modus ist das Fahrwerk so komfortabel ausgelegt, dass der Cayenne sich fährt wie eine Limousine – da man fragt sich dann, für was es noch einen Panamera gibt bei Porsche. Wie diese grossen SUV überhaupt immer weniger Abenteuer und immer mehr die wahre Oberklasse darstellen.
Der Cayenne ist und bleibt auch als PHEV und als Coupé der Sportwagen unter den grossen SUV. Zwar ist die Sitzposition hoch, doch im Vergleich zu anderen grossen Wagen aus dem gleichen Segment fühlt man sich nicht wie auf Stelzen. Beim Coupé stehen nur vier Sitzplätze zur Verfügung, doch die hinteren Passagiere müssen sich trotz flacherem Auslauf des Dachs nicht über mangelnden Kopf- oder Knieraum beklagen; die Frage ist da wohl mehr, ob man optisch Gefallen findet an diesen zwei Balkonen auf dem Dach und am Heck findet. Und ja, das Coupé ist zwar minimal länger, bietet aber deutlich weniger Kofferraum als der bewährte Cayenne (500 anstatt 645 Liter; maximal 1440 statt 1605 Liter); Zuladung 485 Kilo statt 510 Kilo). Doch man sitzt bei einem Wagen mit diesen Fahrleistung sowieso lieber hinter dem Lenkrad – und freut sich über die das erfreulich übersichtliche Cockpit, den riesigen Touchscreen über der Mittelkonsole. Auf jener hat Porsche reichlich Funktionstasten angebracht, das braucht ein wenig Gewöhnung, bis man auch immer alles findet; wir haben zum Beispiel die Verstellung der Lautstärke immer wieder am falschen Ort gesucht. Auch auf dem Lenkrad sind doch reichlich Dings untergebracht.
Der Cayenne kostet in der Schweiz ab 101’200 Franken, für den mit 550 PS ganz nett motorisierten Turbo sind 187’100 Franken fällig, der Turbo S e-Hybrid ist mit mindestens 228’200 Franken angeschrieben; das Coupé kostet je nach Modell zwischen 4500 und 8500 Franken zusätzlich (verstehe das, wer will…). Unser Testwagen kam auf einen Gesamtpreis von 259’220 Franken – und das ist dann doch viel, sehr viel Geld. Und wir wissen jetzt nicht, ob der Aufpreis von mehr als 40’000 Franken für den Hybrid-Antrieb sich wirklich lohnt, eigentlich: eher nicht. Die elektrische Reichweite ist eher kümmerlich, das Mehrgewicht doch beträchtlich. Wer viel auf der deutschen Autobahn unterwegs ist und Freud’ hat an dieser extremen Beschleunigungsorgie, der mag den «e-Hybrid» vielleicht schätzen, doch ansonsten sehen wir wenig Sinn. Gleiches gilt übrigens auch für die Coupé-Variante.
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