Ferrari, äh, Roma
Shareholder Value
Eigentlich hatten wir ja das SUV von Ferrari erwartet. Doch die bereits fünfte Neuheit in diesem Jahr – nach F8 Tributo, F8 Tributo Spider, 812 GTS und SF90 Stradale – ist nun ein Portofino mit Dach, ein klassisches Coupé also, mit klassischem Front-Motor (auch wenn der sehr weit hinten sitzt) und klassischem Heckantrieb. Die Spreizung des Modellangebots geht mit dem Ferrari Roma also weiter, man kennt das von 712 Sondermodellen bei Lamborghini und all den sich sehr ähnlich sehenden McLaren und all den Aston Martin, die auch niemand mehr unterscheiden kann. Ferrari ist seit 2015 an der Börse kotiert, und die Shareholder konnten schon in der Vergangenheit so rein gar nichts mit der freiwilligen Selbstbeschränkung anfangen, stetiger Wachstum, immer mehr Umsatz muss das Ziel sein. «Wir bauen immer ein Auto weniger als der Markt verlangt», hatte Luca de Montezemolo einst gesagt, der ausserdem eine Obergrenze von 7000 Fahrzeugen pro Jahr sah, «die Exklusivität muss unbedingt gewahrt bleiben» (Zwischenfrage: wie heisst eigentlich der aktuelle CEO von Ferrari?). Mit dem Roma, der so etwas wie ein Einstiegsmodell ist und gegen Aston Martin Vantage, Porsche 911 Turbo S und McLaren GT antritt, sowie dem zukünftigen SUV strebt der Konzern mit Hauptsitz in Amsterdam nun aber Verkaufszahlen deutlich jenseits von 20’000 Exemplaren an (2018: 9251 – mit satten 69’000 Euro Betriebsgewinn pro verkauften Fahrzeug…).
Eben, der Ferrari Roma ist ein Portofino mit Dach, gleicher Radstand, gleicher 3,9-Liter-V8-Motor (mit ein paar Pferdchen mehr, 620 PS bei 7500/min), dieser immerhin mit dem neuen 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe aus dem SF90 kombiniert und deshalb ein bisschen schneller (0 auf 100 km/h in 3,4 Sekunden), ausserdem ein bisschen leichter (1472 Kilo). Er ist kein 2+2-Coupé, sondern wird als 2+ bezeichnet: noch will Ferrari nicht erklären, was man sich darunter vorstellen darf, wir nehmen an, dass die hinteren Notsitze als (sicher teure) Option bestellt werden können. Mit dem Design wollen die Italiener eine moderne Interpretation des unbeschwerten, genussfreudigen Lebensgefühls im Rom der 50er und 60er Jahren erfunden haben, «la dolce vita» – wir sehen mehr so einen rundgelutschten Drop, dem sämtliche Charakterlinien vollkommen fehlen. Beliebig, sagt man dem, könnte auch ein oder ein sein; dazu passt auch, dass er in Leasing-Silber präsentiert wurde (und mit üblen Photoshop-Bildern). Innen sieht man die Evolution der Ferrari-Cockpits der vergangenen Jahre, viel Lenkrad mit vielen Knöpfen, alles digitaler als auch schon, also: gefällig. Die Preise sind noch nicht bekannt, wir gehen davon aus, dass ein Portofino mit Dach weniger kosten wird als die offene Version, also: Einstiegsmodell.
Wir rätseln jetzt noch ein bisschen über den Namen des nächsten Ferrari. Dow Jones? Oder: Venezia – das würde gut zur stetigen Verwässerung des Modell-Programms passen. Mehr Ferrari, vor allem ältere Modelle, haben wir in unserem Archiv.
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