Gran Turismo?
Eine Diskussion
McLaren benennt sein jüngstes Modell schlicht: GT. Doch hinter dem kurzen Namen stecken ganz viele Überlegungen, Analysen zu den Wünschen der (potentiellen) Kundschaft, Vergleichsfahrten mit (allfälligen) Konkurrenten, eine saubere Strategie (auch, was die Aufpreispolitik betrifft…). Bei der Fahrvorstellung des wirklich schönen Automobils (der Bericht folgt ab dem 17. September, es besteht noch ein Embargo) kam dann aber auch die Frage auf: was ist das denn nun überhaupt, ein GT, ein Gran Turismo? Das würden wir nun gerne mit unserer Leserschaft diskutieren.
Wikipedia (ja, da schauen wir auch rein) definiert das so: «GT-Fahrzeuge im ursprünglichen Sinn unterschieden sich von den spartanischen reinen Sportwagen durch mehr Komfort, einen größeren Innenraum und eine höhere Tauglichkeit, mit ihnen über lange Strecken bequem reisen zu können». Man kann da auch noch weiter zurückschauen, in eine Zeit ohne Automobile, auf die «Grand Tour», «eine seit der Renaissance obligatorische Reise der Söhne des europäischen Adels, später auch des gehobenen Bürgertums, durch Mitteleuropa, Italien, Spanien und auch ins Heilige Land» (wieder von Wikipedia). Auch wenn diese «grosse Reise» in Zeiten von Flugscham und Greta vielleicht nicht mehr ganz so opportun ist, so gibt es doch immer noch reichlich Menschen, die eine lange Fahrt im Automobil zu einem ganz bestimmten Ziel (oder auch nicht) als etwas Schönes, Freudvolles betrachten.
Heute trägt quasi jede zweite Modellbaureihe den Zusatz GT, es gibt koreanische Kompaktwagen und französische Kombis als GT. Es gab GT mit Zusätzen, am berühmtesten wohl der VW Golf GTI und der Ferrari 250 GTO und der Alfa Romeo GTA und Nissan GT-R und, ach. Aber das ist eine Frage, die uns hier umtreibt: Welche Fahrzeuge würde man denn heute als «echte» Gran Turismo bezeichnen: Bentley Continental GT? Aston Martin DB11? Ist ein BMW M5 ein Gran Turismo? War ein Citroën C6 eigentlich auch ein GT? Sind die aktuellen Ferrari zu laut, um für die «grosse Reise» zu taugen?
Und dann ist da noch die andere Frage: Rennsport. McLaren zeigte auf der Präsentation seines GT als Sinnbild für die Gran Turismo ein Bild einer 63er Ferrari 250 GT SWB Berlinetta, Chassisnummer 4065, also ein «Lusso» (und folglich weniger für die Rennstrecke geeigenet). Doch gerade diese Ferrari 250 GT brachten noch eine interessante Komponente in diese GT-Geschichte: Man fuhr mit diesen Wagen unter der Woche zur Arbeit (sofern die Besitzer überhaupt arbeiten mussten) und abends stilvoll vor das Restaurant (zur Not auch mit Kindern) – und konnte am Wochenende auf der Rennstrecke auch noch irgendwelche Pötte gewinnen (sogar bei den 24 Stunden von Le Mans). Gehört diese Komponente auch zu einem «echten» GT?
Ach, die Geschichte der Gran Turismo. Wahrscheinlich das erste Fahrzeug, das diese Bezeichnung trug, war ein Alfa Romeo 6C 1750 im Jahre 1929. Und ja, damals fuhr noch auf eigener Achse zur Mille Miglia, Targa Florio, zu dem 24 Stunden von Le Mans, dort das Rennen und am Montag dann wieder heim (falls der Wagen noch konnte). Die erste moderne Interpretation nach dem 2. Weltkrieg waren dann sicher die Lancia Aurelia (wie der Alfa von Vittorio Jano konstruiert…). Und dann gab es kein Halten mehr. Aber darüber liesse sich auch noch trefflich diskutieren: welches sind denn die schönsten Gran Turismo? Einige davon finden sich sicher in unserem Archiv. Die Diskussion wollen wir gerne auf unserer Facebook-Seite führen.
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