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Indian Springfield Dark Horse

Published in radical-mag.com

Make Indian Great Again!

In einer Zeit, in der alle grossen Motorradmarken ihre Ahnengalerien durchforsten, um in Anlehnung an einstige Erfolgsmodelle neue Bikes im Retro-Look auf den Markt zu rollen, da hat der aktuelle Indian-Motorcycles-Besitzer allein schon mit dem Namen und dem Logo die halbe Miete eingefahren. Einzig um diese beiden Dinge ging es dem US-Konzern Polaris 2011 beim Kauf der Indian-Markenrechte. Der Snowmobil-Hersteller hatte bereits mit der Lancierung der Marke Victory 1997 die nötigen Erfahrungen im Bau von Motorrädern mit grossen V2-Triebwerken gesammelt. Doch für den wirtschaftlichen Erfolg fehlte Victory der historische Unterbau und die Produktion wurde 2017 eingestellt, was die Position von Indian Motorcycles innerhalb des Konzerns zusätzlich gestärkt hat.

Was Triumph und Norton in England sind Harley-Davidson und Indian in den USA, wobei die 1901 gegründete Indian Motorcycles sogar noch älter als das Urgestein in Milwaukee ist. Indian war in den Zwanziger- und Dreissiger-Jahren gar der grösste Motorradhersteller der Welt. So sind die klassischen Polizei-Motorräder in den alten Schwarz-Weiss-Gangsterfilmen zumeist Indian-Modelle, deren Gashebel im Übrigen auf der linken Seite des Lenkers angebracht war, damit die rechte Hand frei für das Schiessen mit dem Revolver blieb, so eine der so wichtigen Marken-Mythen. Unbestritten sind dagegen die Innovationsverdienste von Indian wie zum Beispiel die Einführung des ersten Elektrostarters 1914 oder die Pionier-Arbeit bei der Entwicklung von Vierzylinder-Motoren für Motorräder in den Dreissigerjahren. Leider deuteten nach dem Zweiten Weltkrieg die damaligen Indian-Bosse die Zeichen der Zeit falsch, was zusammen mit dem einsetzenden Auto-Boom 1953 zum zwischenzeitlichen Aus für die Motorräder mit dem Indianerkopf auf dem Tank führte.

Seither gab es ein halbes Dutzend halbpatziger Revitalisierungsversuche, bis sich 2011 Polaris der Sache annahm. Bereits zwei Jahre nach dem Kauf der Markenrechte präsentierte die neu gegründete Indian Motorcyles selbstsicher drei neue Modellreihen: Chief Classic, Chief Vintage und Chieftain. Diese beliessen es nicht einfach beim gekonnten Einsatz der typischen Merkmale von einst wie den grossen, weit nach unten reichenden Schutzblechen, dem grossen Tankemblem oder dem Indianerkopf auf dem Frontschutzblech, sondern setzten auch beim Herz eines jeden Motorrads an, dem Motor, einen vielversprechenden neuen Meilenstein. Selbstverständlich handelte es sich dabei um einen klassischen V2-Motor namens «Thunder-Stroke» (Donnerschlag), der mit seinen 111 Kubik-Inch (1811 ccm) ein Hauch grösser war als der damals grösste 110-Kubikinch-Motor von Harley-Davidson. Entwickelt wurde das hoch gelobte Triebwerk im Übrigen im bernischen Burgdorf bei der Firma Swissauto. Seither sind weitere Baureihen mit kleineren Motoren dazu gekommen, aber das Herzstück der Marke bleibt der grosse «Thunder Stroke».

Dieser poltert auch in der gefahrenen Indian Springfield Dark Horse. An diesem schnörkellos geradlinigem Motorrad ist alles mächtig und massiv. Da sucht man vergeblich nach schnödem Plastik. So sind Tank und Schutzbleche aus solidem Metall. Die schieren Abmessungen mit einer Länge von 2583 Millimetern und einer Breite von 990 Millimetern sind beeindruckend. Dazu kommt ein Gewicht von vollgetankt 388 Kilogramm. Und das bei einem Motorrad im typischen Bagger-Style, also ohne feste Frontverkleidung und mit tiefem, fettem Heck inklusive zwei Seitenkoffern. Passend zum Namenszusatz «Dark Horse» ist das ganze Bike in mattes Schwarz getaucht, einzig der Motor glänzt in schwarzem Lack, womit auch das Indianerkopf-Emblem schön zur Geltung kommt. Vorne thront auf dem Schutzblech über dem 19 Zoll-Vorderrad das gläserne Indianerkopf-Positionslicht. Die grosse Historie dieser Traditionsmarke wird auch bei der Springfield Dark Horse gekonnt zur Schau gestellt.

Gleichwohl hält bei der Technik die Moderne Einzug. So gibt es beim Jahrgang 2019 neben ABS und Tempomat neu auch drei elektronisch gesteuerte Fahrmodi: «Standard», «Sport» und «Tour». Um einer Überhitzung vorzubeugen, stellt zudem beim V2-Triebwerk im Stillstand automatisch der hintere Zylinder ab. Von diesem Aus- und Einschalten spürt und hört man aber nichts. Die während der Fahrt frei wählbaren Motor-Mappings sind von der Ausprägung her erstaunlich unterschiedlich. Geht es in «Tour» gemütlich träge zur Sache, hängt die grosse Indian in «Sport» extrem direkt am Gas. Überhaupt lässt sich dieses mächtige Bike erstaunlich sportlich bewegen. Das gilt nicht nur für den Antrieb, sondern insbesondere auch für die grosszügige Schräglagenfreiheit, die für diese Art von Motorrad so einzigartig ist. Die neuen Besitzer von Indian Motorcycles scheinen definitiv aus den Fehlern der Vorgänger gelernt zu haben. Sie beliessen es nicht einfach beim äusseren Schein, indem sie bei den neuen Modellen gekonnt die klassischen Design-Elemente der Traditionsmarke zum Leben erweckt haben, sie unterlegten das Ganze mit einer modernen, zeitgemässen Motorrad-Technik. Damit sieht die neue Springfield Dark Horse nicht nur gut aus, sondern macht auch in Fahrt mächtig Spass.

Indian Springfield Dark Horse

Motor: Luftgekühlter V2-Motor (49°)
Hubraum: 1811 ccm

Leistung: 64 kW / 86 PS

Drehmoment: 151 Nm / 3000 U/min

Sitzhöhe: 660 mm

Gewicht fahrfertig vollgetankt: 388 kg

Testverbrauch: 6,2 l/100 km/h

Einstiegspreis: ab Fr. 30’990.-

Wir danken Daniel Huber für diesen Text. Mehr Motorrad gibt es in unserem Archiv.

Der Beitrag Indian Springfield Dark Horse erschien zuerst auf radicalmag.