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Test Ford Fiesta ST

Published in radical-mag.com

Freudenspender

Man kann ja nun geteilter Meinung sein beim Thema «downsizing» der Motoren. Auf dem Papier ist es klar: kleinere Motoren sollten weniger verbrauchen, allein schon deshalb, weil sie leichter sind. Und auch die Logik von weniger Brennraum gleich weniger Füllmenge ist irgendwie auch noch so einigermassen klar. In der Realität nun aber, dort draussen auf der Strasse, da zeigt sich aber zumeist das Gegenteil: weil kleinere Motoren auch intensiver gefordert werden, mehr von ihrer Leistung aufgerufen wird, liegen die «echten» Verbrauchswerte meist höher. Nicht nur als jene auf dem Papier, sondern auch im Vergleich zu ähnlich starken, aber grossvolumigeren Maschinen. Gerade in der Schweiz, wo halt manchmal noch ein Hügel oder gar ein Berg zwischen A und B im Wege steht, vermochten uns die kleineren Motoren bislang nicht wirklich zu überzeugen. Und nein, auch den neuen Ford Fiesta ST würden wir jetzt – trotz moderner Zylinderabschaltung – nicht als Verbrauchswunder bezeichnen wollen, sechs Liter sollten es sein, fast neun wurden es dann im Schnitt. Doch wir müssen das auch gleich relativieren: rollt man einfach einher, friedlich über die Landstrasse, Tempomat 120+ auf der Autobahn, dann geht es auch mit sechs und ein paar zerquetschten Litern. Aber dafür ist er halt nicht gemacht, der Fiesta ST, die Freud’ liegt woanders.

Er ist so schön: bissig. Der Dreizylinder mit 1,5 Liter Hubraum, der weiterhin 200 PS schafft und sein maximales Drehmoment von 290 Nm zwischen 1600 und 4000/min zur Verfügung stellen kann, knurrt so schön, dagegen wirkt manch ein aufgeladener Vierzylinder öd in Sachen Sound. Die Geräuschentwicklung wird zwar künstlich generiert, manchmal sprotzt und knallt der ST auch etwas übertrieben, doch lieber so als langweilig. Dafür bringt er seine Leistung mit einer erfreulichen Leichtigkeit, da ist kaum ein Turboloch zu spüren, er zieht immer sauber ab – und man kann sich gut vorstellen, dass er tatsächlich in 6,7 Sekunden von 0 auf 100 sprintet. Und dies trotz eines Leergewichts von 1,2 Tonnen, was für ein Fahrzeug mit 4,07 Metern Länge, 1,73 Metern Breite und 1,47 Metern Höhe nicht gerade wenig. Dazu verfügt er noch über dieses so herrlich knackige 6-Gang-Getriebe mit den kurzen, bestens definierten Wegen, damit spielt man dann auch gern.

Dass Ford Fahrwerk kann, das haben wir schon öfter erwähnt. Der neue Fiesta ST hat jetzt auch noch verschiedene Fahr-Modi (Normal, Sport, Track), doch das ist nicht wirklich von Belang, es gelingt ihm nämlich eine bei einem Kleinwagen bisher wohl einmalige Kombination von straffer Sportlichkeit mit noch mehr als ausreichendem Komfort. Während man bei anderen «hot hatches» oft auf die Zähne beissen muss, damit die Plomben auch drin bleiben, schafft es der Fiesta souverän, sowohl auf der Langstrecke wie auch bei der Kurvenhatz vorne dabei zu sein. Uns interessierte selbstverständlich vor allem letzteres, zumal wir ja mit dem Performance-Paket unterwegs sein durften, welches ein mechanisches Sperrdifferential von Quaife beinhaltet. Serienmässig extrem direkt ist die Lenkung ausgelegt.

Es gibt nun zwei Möglichkeiten (nachdem man sich für den Modus «Track» entschieden hat; das ESP lässt sich komplett ausschalten, aber das ist gar nicht nötig). Erstens: Man wirft den Fiesta ST in typischer Fronttriebler-Manier mit gut Überschussgeschwindigkeit in die Kurve, geht kurz vom Fahrpedal – und freut sich, wie gut die neue Verbundlenkerachse das Heck durch die Biegung bringt (obwohl der Fiesta dann anscheinend oft nur auf drei Rädern unterwegs ist). Oder, eigentlich noch besser: Man fährt das sauber, stabilisiert den Wagen vor dem Scheitel – und freut sich dann noch viel mehr, wie fein er sich dank der Sperre aus der Kurve beschleunigen lässt. Das ist hohe Schule, was der Ford da bietet, richtig viel Fahrspass, da kann ein Polo GTI nicht mithalten (und beim Clio muss man wohl noch etwas warten, bis dann wieder eine RS-Fuhre kommt). Weil es aber so viel Spass macht, man das immer und immer wieder erleben möchte, steigt dann halt der Verbrauch auch in Höhen, die einem dann etwas nachdenklich stimmen. Etwas verstehen wir allerdings nicht ganz: der ST hat erstaunlich hohe Rückstellkräfte in der Lenkung, das heisst, sie drängt mit etwas gar viel Kraft in die Mittelstellung zurück, das kann durchaus iritieren.

Das ST-Kleid tut dem neuen Fiesta auf jeden Fall gut. Während die «normalen» Fiesta schon etwas gar bieder sind, wirkt der ST verspielt, fröhlicher – ohne gleich eine fiese Bulldogge sein zu wollen wie manch ein anderer sportlicher Kleinwagen. Auch innen ist das alles ganz ok, er macht nicht auf Premium, wo kein Premium sein muss; dass uns die Darstellung auf dem Touchscreen nicht sonderlich begeistert, das haben wir schon bei anderen Berichten über Ford-Modelle geschrieben, dafür wollen wir ebenfalls einmal mehr die Sprachsteuerung loben. Und auch wenn der Berichterstatter jetzt nicht gerade als Spargel bezeichnet werden darf: die engen Recaro-Sportsitze sind ausgezeichnet, perfekter Seitenhalt, auch auf langen Strecken eine Wohltat. Hinten sitzt man nicht gerade fürstlich, der Einstieg ist (beim Dreitürer) eher beschwerlich und die Sicht nach draussen auch nicht gerade beglückend. Dafür gibt es einen für das Segment überdurchschnittlich grossen Kofferraum mit einem Volumen von 292 Litern (bei abgeklappten Rücksitzen: 1093 Liter) – und hübsches Alu-Pedale, auf die man mit Freude drauftritt.

Mit 26’100 Franken als Basispreis ist der Ford Fiesta ST durchaus vernünftig eingepreist. Man kann ihn dann auch noch als ST+ mit mehr Komfort-Features bestellen, so man solches denn braucht, doch wir würden anstatt eher das Performance Paket für einen sauberen Tausender empfehlen, davon hat man grad am Berg und auf der kurvigen Landstrasse mehr. Unter den «Giftzwergen» erscheint uns der Ford aber derzeit sowieso als das beste Angebot, da kommt es auf ein paar Franken nicht an. Ausserdem: viel mehr Auto braucht es eigentlich nicht, wer braucht denn 500+ PS, wenn schon 200 derart fröhlich sind?

Mehr Ford haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Test Ford Fiesta ST erschien zuerst auf radicalmag.