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Test Ford Mustang GT 5.0

Published in radical-mag.com

Der Ehrliche

Nein, man dürfte solche Fahrzeuge wie den Mustang nicht in der kalten Jahreszeit, die in der Schweiz etwa von September bis Mai dauert, im Testbetrieb haben; Winter-Gummis sind nicht das, was dieser Wagen verdient hat (auch optisch nicht). Denn erstens kommen die Reifen ja kaum je auf Temperatur – und zweitens machen sie auch keine Freud’, wenn sie es denn sind (auf Temperatur). Da eiert man dann halt mehr um den Bogen – dabei hat so ein 5-Liter-V8 mit über 450 PS doch schon so einiges an Grip nötig, sonst macht das alles nicht so richtig Spass. Aber weil wir in letzter Zeit ansonsten fast nur noch SUV zur Verfügung hatten, gönnten wir uns diese Abwechslung zur Unzeit.

Der Mustang wurde auf den Modell-Jahrgang 2019 aufgefrischt. Aussen ist es in erster Linie Make-up, eine gestraffte Front mit LED-Scheinwerfern und Lufteinlässen auf der Fronthaube, hinten ein grösserer Diffusor, der Platz schafft für den neuen Vierrohr-Klappenauspuff; innen ist der Fordschritt etwas intensiver, Sync 3 und ein grösserer Touchscreen, eine komplett digitale Instrumentierung (mit der sich das Analoge der ersten Mustang imitieren lässt), vor allem aber schönere Materialien und eine liebevollere Gestaltung. Modern ist weiterhin anders, es gibt noch reichlich Knöpfe und die Übersichtlichkeit hält sich ganz traditionell in Grenzen, doch so einen Ford Mustang kauft man sich ja auch nicht, weil man den jüngsten Design-Trends folgen muss. Und was man wirklich braucht, Drehzahlmesser und Geschwindigkeitsanzeige und allenfalls Tankuhr, das sieht man. Trotzdem wagen wir die Frage: warum ist die Darstellung auf dem grossen Screen weiterhin so, also ansehnlich ist das nicht, es hat mit den Plan-Quadraten auch irgendwie einen militärischen Touch. Die Sitze sind gut, anständiger Seitenhalt, die Platzverhältnisse für ein doch fast 4,80 Meter langes Fahrzeug nicht überragend, doch dafür gibt es für einen Sportwagen doch reichlich Kofferraum, mehr als 400 Liter Volumen sind in diesem Segment eher selten.

Zwar gibt es sechs verschiedene Fahr-Modi bei der jüngsten Generation des Mustang, mehr so für die Halbstarken und die Reifenhändler das Ding mit dem «Burn Out» – wer mal einen bretterharten Schlag ins Genick braucht, der sollte «Dragstrip» ausprobieren, da geht er dann grob über die Viertelmeile (und anscheinend in 4,3 Sekunden auf 100 – mit den Winterreifen allerdings eher nicht). «Normal» ist meist ganz ok, da gleitet er ruhig, friedlich auf bei 100 km/h noch quasi in der Leerlaufdrehzahl. Und schafft dann auch Verbräuche von klar unter 10 Litern. Bei uns durfte er zumeist in «Sport Plus» rennen, da tönt er dann auch besser, schaltet deutlich später (der V8 dreht tatsächlich bis 7400/min), ist spürbar härter abgestimmt in Federung/Dämpfung und auch der Lenkung (die aber bei mehr Einschlag irgendwann indifferent wird); den Tankstellen-Pächter freut das auch, es sind dann mehr so um die 12 Liter im Schnitt. Und wenn man all die Ponies zum Galoppieren bringt, dann werden es: noch mehr. Es muss aber erwähnt sein, dass man auch mit einem Verbrauch von 10 Litern nicht zu den Verkehrshindernissen gehört – und das ist löblich, denn eben: 5 Liter Hubraum, V8, über 1,8 Tonnen schwer.

Nett ist der «Quiet Mode» für die Nachbarn. Als «Normalo» gaukelt der Mustang dem Piloten vor, dass er ganz nett ist. Doch eigentlich stimmt das gar nicht, denn trotz elektronischem Fangnetz und Diff-Sperre kann der Hintern ganz schön nervös werden (zumindest mit den Winterreifen). Wählt man aber bewusst die sportliche Variante, dann ist man automatisch alerter, dann wird solch ein ausbrechendes Heck wohl kaum zur Überraschung, sondern ist dann mehr so: provoziert. Und das kann er dann halt schon sehr gut, der Amerikaner, da kann man auch mal im Parkhaus um ein paar Säulen wedeln. Oder den Kreisel-Ausgang erst nach einer Zusatzrunde im Drift nehmen. Auf der Landstrasse hält er bei ruhiger Hand und kontrolliertem Fuss bestens die Spur, das ist kein Vergleich zu den früheren Modellen mit der Starrachse, da darf man den Mustang nun als erwachsen bezeichnen. Was er mit seinen 55 Jahren ja mittlerweile auch ist. Und deshalb haben sie ihm wohl auch standfeste und fein dosierbare Bremsen mit auf den Weg gegeben.

Nicht total überzeugt hat uns die 10-Gang-Automatik. Es liegt wohl in der Natur der Sache, dass da etwas zu häufig geschaltet wird, schliesslich wollen ja alle Gänge mal mittun, Gleichberechtigung ist ja allerorten ein Thema. Doch manchmal, grad, wenn man etwas flotter unterwegs ist, dann sucht der Mustang schon etwas gar bemüht nach der richtigen Fahrstufe. Will man prompt viel Leistung abrufen, dann haut er gleich ein paar Stufen runter, merkt dann, dass es zu viel gewesen sein könnte, justiert sich neu – und dann kann der Spass durchaus schon vorbei sein. Man wird das am besten händisch überbrücken, doch dann fragt man sich halt, warum man nicht gleich die Variante mit dem manuellen Getriebe bestellt hat. Auch ist der Ford auf den Hinterbeinen etwas bockig, eine etwas geschmeidigere Abstimmung des Fahrwerks würde ihm da guttun. An den Winterreifen lag es nicht, wir hatten diese Beobachtung schon im ersten Fahrbericht gemacht, als der Mustang auch auf Sommerpneu Bodenunebenheiten nicht so sehr goutierte; Elektronik kann halt auch nicht alles.

Den Ford Mustang gibt es aktuell ab 48’900 Franken zu kaufen, dies mit dem 2,3-Liter-EcoBoost und manuellem Getriebe. Für den 5-Liter-Mustang mit der 10-Gang-Automatik sind dann 62’400 Franken fällig, was uns immer noch als sehr fairer Preis erscheint, denn die Ausstattung ist schon ziemlich komplett (zum Preisvergleich: neuer Porsche 911 mit ebenfalls 450 PS). Dafür darf man jetzt nicht die edelsten Materialien erwarten und auch nicht eine Verarbeitung wie aus Ingolstadt; unter den Sportwagen ist auch der aufgefrischte Mustang mehr so der Zweihänder. Aber genau das macht ihn auch sympathisch, er ist ehrlich, will nicht mehr darstellen, als er tatsächlich bieten kann – und macht halt auch genau deshalb Freud’. Und weil man ihn fährt. Und nicht von Algorithmen chauffiert wird. Ausserdem: wir wissen jetzt nicht von vielen Fahrzeugen, die zu diesem Preis ein solche Leistung abliefern.

Wir werden uns in den nächsten Wochen auch noch so ganz langsam durch die Mustang-Geschichte schleichen. Mehr Ford gibt es vorerst in unserem Archiv.

Der Beitrag Test Ford Mustang GT 5.0 erschien zuerst auf radicalmag.