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Ferrari 250 GT SWB Bertone

Published in radical-mag.com

Die Speziellen

Bertone, gegründet schon 1912, stieg unter dem Sohn des Firmengründers Giovanni vor dem zweiten Weltkrieg zu einer der ersten Adressen unter den italienischen Karosserieschneidern auf. Giuseppe, besser bekannt als «Nuccio», war aber in erster Linie ein Verwalter (er hatte Buchhalter gelernt), doch er hatte ein ausgezeichnetes Händchen dafür, die grössten Talente in seine Firma zu holen. Da war zuerst Franco Scaglione (1952 bis 1960), dann Giorgetto Giugiaro (1960 bis 1965), schliesslich auch noch Marcello Gandini (1965 bis 1979) – drei der grössten Namen unter den Designern. Auch Giovanni Michelotti und sogar Sergio Pininfarina arbeiteten für Bertone. Doch darum soll es hier gar nicht gehen, sondern mehr darum, weshalb Bertone so selten für Ferrari gearbeitet hat – und weshalb trotzdem zwei der wichtigsten Ferrari-Design-Modelle in Grugliasco bei Turin entstehen konnten.

Zu einer ersten Zusammenarbeit kam es 1951, da baute Bertone auf Basis eines Ferrari 166 ein hübsches Cabriolet. Doch das war eine Zeit, als sich so ziemlich alle italienischen Meisterschneider an den Ferrari versuchen durften – und kurz darauf wurde Pininfarina zum bevorzugten Designer von Enzo Ferrari. Pininfarina war es ja auch, der die Ferrari 250 GT SWB Berlinetta einkleidete, ein Meisterwerk, wie man heute weiss. Und doch sind zwei Einzelstück des «passo corto» auch bei Bertone entstanden. Das erste Fahrzeug war ein ganz frühes Exemplar, Chassisnummer #1739 GT – es heisst, Enzo Ferrari persönlich habe das Chassis, das für einen Werks-Rennwagen vorgesehen gewesen war, an seinen Freund Enrico Wax überschrieben.

Enrico Wax war in jenen Jahren einer der reichsten Italiener, seine Firma Wax & Vitale importierte reichlich Alkohol nach Italien, und der «Dottore» gab das damit verdiente Geld dann fleissig wieder aus, gerne auch für auf ihn zugeschneiderte Ferrari. Wie nun Wax aber zu Bertone kam und wie der Auftrag für einen ganz speziellen Aufbau beim erst 21-jährigen Giorgetto Giugiaro landete, das ist nicht bekannt. Wax wollte aber sicher nicht noch ein Rennfahrzeug, wie es die 250 GT SWB Berlinetta ja eigentlich – und wie es Giugiaro gelang, die wilde Sportlichkeit des Wagens in sehr gepflegte Eleganz zu verwandeln, darf als Meisterwerk bezeichnet werden. Es gibt viele Details, die sich sich im späteren Bertone-Entwürfen auch wiederfanden – und das Interieur war so schön, dass es Ferrari für die späteren «Lusso»-Modelle des 250 GT SWB gleich adapierte. Grossartig ist auch die gewaltige Motorhaube, quasi der ganze Vorderwagen konnte aufgepklappt werden. Ursprünglich, bei seiner Präsentation auf dem Genfer Salon 1960 (noch ohne Motor), verfügte der Wagen über einen weissen Spezial-Lack (Bianco Perlato), den Wax selber zu Bertone brachte; das Dach bestand aus gebürstetem Stahl. Speziell die SNAP-Auspuffanlage (die später noch so manchen 250 GT SWB zierte) – und die roten Zylinderköpfe. Die Bezeichnung «EW» war ein deutlicher Hinweis auf den Auftraggeber. Zuletzt wurde der Wagen 2013 in New York von RM Sotheby’s für 7’040’000 Dollar versteigert.

Zwei Jahre später zeigte Bertone einen weiteren Entwurf auf Basis einer 250 GT SWB Berlinetta in Genf, Chassisnummer #3269. Nuccio Bertone hatte sich das Chassis selber gekauft, wohl deshalb, weil er Enzo Ferrari beweisen wollte, dass auch Bertone für Ferrari eine gute Adresse war. Er soll sich mit Giugiaro an den Zeichentisch gesetzt haben, weil er eine klare Vorstellung hatte, aggressiver sollte das Fahrzeug sein, mehr an die Rennwagen erinnern – und deshalb erhielt es wohl auch die «sharknose», wie sie die damaligen Formel-1-Rennwagen aus Maranello auch hatten. Es entstand wieder ein sehr harmonischer Entwurf – und wieder war das Design zukunftsweisend, viele Elemente flossen später in andere Bertone-Fahrzeuge ein. Nuccio Bertone war so stolz auf sein Fahrzeug, dass er es selber fuhr.

3269 ging danach durch viele Hände: Italo Musico, Mailand (1963); Gerda Anna Speckenheuer, Mailand (1965); M. Gastone Crepaldi, Mailand (1966); Peter Civati, Redondo Beach, Kalifornien (1966); Bill Karp, Los Angeles, Kalifornien ( 1967); Lorenzo Zambrano, Monterrey, Mexiko (1980). Zuletzt versteigert wurde das Fahrzeug 2015 in Pebble Beach von Gooding & Co. – und für stolze 16,5 Millionen Dollar verkauft.

Später dann gab es weitere Ferrari von Bertone; mehr Ferrari haben wir in unserem Archiv. Und direkt zur Geschichte der Ferrari 250 GT SWB Berlinetta geht es: hier.

Der Beitrag Ferrari 250 GT SWB Bertone erschien zuerst auf radicalmag.