Honda Gold Wing 2018
Die Ferne lockt
Eine Gold Wing war schon immer eine Motorrad-Kategorie für sich. Bereits bei ihrer Lancierung 1975 versprach sie mit ihrem, für damalige Begriffe erhabenen, Vierzylinder-Boxermotor mit 1000 Kubik entspanntes Reisen. Die typische Verkleidung bekam sie aber erst beim ersten Redesign 1980 verpasst. Seither ging es bezüglich Motorisierung und Ausstattung kontinuierlich in Richtung grösser und mächtiger. 2001 kam der vorläufige Höhepunkt mit dem neuen 1,8-Liter-Sechszylinder. Seither wurde nur noch an Details rumgeschraubt und die Ausstattung verbessert. Doch Gold-Wing-Fahrer denken sowieso in anderen zeitlichen Dimensionen. Sei dies bei der Länge der Modellwechsel-Zyklen als auch bei der zumutbaren Verweildauer auf dem Motorrad während eines normalen Reisetages. Mal schnell übers verlängerte Wochenende zu einem Gold-Wing-Treffen nach Stockholm ist da durchaus okay. Aber sie machen es, weil es mit einer Gold Wing schlicht und einfach auch sehr gut geht.
Bei jedem Entwicklungsschritt stand bei der Modifizierung von Motor, Verschalung und Sitze die Verbesserung der Langstreckentauglichkeit im Mittelpunkt. Das ging bislang immer mit mehr Hubraum, Gewicht und Grösse einher. Die neue Gold Wing 2018 setzt nun eindrücklich einen Schlussstrich unter diesen jahrzehntelangen Trend. Sie ist schlanker, leichter, wendiger und mit neu 125 PS nur ein Hauch von sechs PS stärker geworden. Doch der 1,8-Liter Sechszylinder ist und bleibt in seiner Erhabenheit von 170 Nm Drehmoment bei 4500/min ein perfekter Antrieb fürs Dahincruisen auf der Autobahn, egal ob alleine oder vollbepackt zu zweit. Da sind bei Bedarf immer ausreichend Reserven vorhanden.
Wesentlich grösser ist der Unterschied im Vergleich zum Vorgängermodell bei der Agilität. Dafür sind einerseits das deutlich unter 400 Kilogramm gesenkte Gewicht und andererseits das neue Chassis mit einer neuen Aufhängung des Vorderrads mit Doppel-Längslenkern verantwortlich. Diese schluckt Unebenheiten aller Art souverän weg. Und in den Kurven wirkt die neue Gold Wing geradezu jugendlich agil. Was nicht zuletzt auch mit der etwas nach vorne gerutschten Sitzposition zu tun. Gleichwohl ist der Windschutz hinter der etwas schmaleren Scheibe, die sich per Knopfdruck verstellen lässt, nach wie vor tadellos und damit der Sound aus den integrierten Boxen tatsächlich ordentlich geniessbar. Überhaupt präsentiert sich die Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik mit Bluetooth-Anbindung und Apple-Car-Play-Kompatibilität auf dem neusten Stand. Ein auf dem sieben Zoll TFT-Display grosszügig dargestelltes Navigationssystem ist zudem bei allen drei in der Schweiz angebotenen Modellen serienmässig.
Die getestete Topversion verfügt zudem serienmässig nebst Airbag auch ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, bei dem per Knopfdruck oder automatisch geschaltet werden kann. Je nach Wahl des Fahrmodus – „Sport“, „Econ“, „Tour“ oder „Rain“ – verändern sich zusätzlich zur Abstimmung des elektronischen Fahrwerks und der Traktionskontrolle auch die Schaltpunkte. So fährt der Motor in „Sport“ die Gänge deutlich länger aus als in „Tour“. Doch dieses sportliche Gehetze mag nicht so recht zur Gold Wing passen. Da gefällt das sanfte Dahinschweben im früh schaltenden, weich gefederten „Econ“-Modus wesentlich besser. Einen kleinen Abstrich gilt es bei der ansonsten rundum gelungenen Neuauflage des Fernstrecken-Klassikers wegzustecken. Durch die schlankere Linienführung gibt es nur noch 110 Liter Stauraum fürs Gepäck, was 40 Liter weniger sind als früher, aber immer noch okay.
Honda Gold Wing Tour DCT
Motor: Sechszylinder-Boxermotor
Hubraum: 1833 ccm
Leistung: 93 kW / 126 PS
Drehmoment: 170 Nm / 4500 U/min
Sitzhöhe: 745 mm
Gewicht fahrfertig vollgetankt: 383 kg
Testverbrauch: 5,8 l/100 km/h
Einstiegspreis: ab Fr. 26 370.-
Testmotorrad: DCT-Topversion Fr. 36‘850.-
Wir bedanken uns bei Daniel Huber für diesen Text. Mehr Motorräder finden sich in unserem Archiv.
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