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Donkervoort D8 GTO – Erinnerungen

Published in radical-mag.com

#Supertest2015 (3)

Kürzlich, in einem meiner liebsten Restaurants, dem «Emmenhof» in Burgdorf: eine Tarte Tatin. Keine grosse Sache, eigentlich, ein selbstverständlich selbstgemachter Blätterteig, Äpfel, Zucker. Und doch etwas vom Grossartigsten, was es gibt – wenn der Koch etwas kann, wenn er Verständnis und das Händchen hat für die richtige Mischung zwischen süss und sauer, für das Spiel der Konsistenzen, für die richtigen Grundprodukte. Den Apfel liebt, weiss, nach was er schmeckt. Darum geht es doch: das richtige Produkt, perfekt zubereitet. Das darf auch ganz einfach sein, ein ganz frischer Fisch, gebraten, etwas Olivenöl. Ein anständiges Stück Fleisch. Ein gutes Brot.

Donkervoort, gegründet 1978 in den Niederlanden von Joop Donkervoort. Die Holländer bauten von Anfang an Roadster auf Basis des Lotus Seven – und machen das, eigentlich, auch heute noch. Der erste Donky, der S7 (bis 1982), war eine reine Kopie, ab den Modellbezeichnungen mit D (ab 1988) gab es dann mehr Eigenleistung, den D8 (ab 1993) gibt es heute noch. In der schärfsten Variante als D8 GTO, seit 2013. Der ist 35 Zentimeter länger als ein herkömmlicher D8, also: 3,74 Meter, und 15 Zentimeter breiter, also: 1,85 Meter. Und wiegt trotzdem weiterhin nur gut 700 Kilo (um genau zu sein: als Touring 730 Kilo, als Performance 695 Kilo). Wir plaudern hier über den Performance, also: 380 PS aus dem bekannten 2,5-Liter-Fünfzylinder von Audi, 475 Nm maximales Drehmoment ab 1750 Nm, gemäss Werksangaben in 2,8 Sekunden auf 100 km/h und maximal 270 km/h schnell. Leistungsgewicht: 1,82 Kilo pro PS. Wollen wir zum Vergleich noch den Bugatti Veyron als Supersports heranziehen? Nein, lassen wir das lieber, zwar kann auch ein feister Sonntagsbraten ganz lecker sein, doch wenn er so ungefähr 10x mehr kostet.

Und damit kommen wir wieder auf das Fleisch zurück, die Tarte Tatin und den Koch. Man nimmt also einen anständigen Motor (und der Audi-Fünfzylinder ist ein ebensolcher) und ein klassisch manuelles 5-Gang-Getriebe, baut ein bisschen Chassis (Stahlrohrrahmen mit ganz viel Carbon-Komposit) und Fahrwerk und Karosserie (Kohlefaser-Komposit) drumherum, alles nur vom Besten, selbstverständlich – und fertig ist. Vorspeise, Hauptgericht und Dessert in einem, elektronisches Assistenz-Gewurstel wäre Beilage, also: unnötig (ok, es gibt ABS, Renn-Version, davon spürt man eigentlich: nichts, auch dann nicht, wenn man so richtig den Anker wirft). Wir haben es hier mit der puren, reinen, unverfälschten und folglich schönsten Form des Fahrens zu tun. Der Pilot ist der Chef, allein sein Können und sein Talent und vielleicht noch ein bisschen sein Mut machen den Donky schnell. Sagen wir es so: die verwendete Produkte sind erstklassig, der Koch – also: die Ingenieure von Donkervoort – ist es ebenfalls.

Ganz klar: Mit dem GTO ist man schnell sehr schnell. Er ist viel einfacher zu fahren als die beiden anderen «radicals» im #Supertest2015, der KTM X-Bow GT4 und der Radical RXC Turbo. Man setzt sich rein – und man ist auf Anhieb: jenseits. Und dann, wenn man gemerkt hat, wie einfach, wie locker, wie souverän der Donky zu bedienen ist, wenn man den Respekt vor 1,82 Kilo Leistungsgewicht so ein bisschen abgelegt hat und mutiger wird und auch an sein Talent glaubt, dann ist man: überirdisch (in den Augen des Gesetzes: unterirdisch). Freude am Fahren? Oh, ja. Mit etwa zwölf Ausrufezeichen!

Doch der Reihe nach: Man setzt sich rein, findet auch mit 1,90 Meter und dem einen und wahrscheinlich auch anderen Kilo zu viel sofort eine ausgezeichnete Sitzposition. Ok, zu Beginn hat man sanfte Befürchtungen, dass der Hintern vielleicht den Asphalt streifen könnte, doch man weiss ja eigentlich, dass dem nicht so sein wird. Es hat zwar manch ein Knöpfchen und Schalterchen auf dem Armaturenbrett (aus Carbon), doch um die braucht man sich nicht weiter zu kümmern, man findet das Licht und den Blinker da, wo man solche Sachen erwartet, mit dem wohl kürzesten Schalthebel ever ist man schon in der ersten Sekunde gut Freund‘, das Spiel von Kupplung und Gas und Brems ist eh das gleiche wie in einem Citroën C4 Cactus. Kein Problem mit der Kupplung, nicht wie im KTM und im Radical, einfach: losfahren. Die Übersicht ist eh die grossartigste in einem Automobil, man sieht die vorderen Räder, und hinten ist eh quasi hinter dem Sitz schon Schluss. Er hat zwar ein Dach, doch: never ever. Diese offenste Form des Fahrens trägt einen grossen Teil zum Spass bei.

Friedlich, ohne Hüpfen, ohne Ruckeln rollt man im 2. Gang mit 50 km/h durchs Dorf. Dann das entsprechende Schild, ein beherzter Tritt aufs Fahrpedal – und dann bleibt man zuerst einmal quasi stehen. Weil die hinteren Räder einfach durchdrehen – vor lauter Freud, vor lauter Kraft. Irgendwann greift der Gummi, und dann, ja: dann. Unfassbar: er marschiert einfach. Keine Wankbewegung in den Kurven, nichts. Perfekte Lenkung. Wunderbare Bremsen. Unglaubliches Durchzugsvermögen. Erfreulich komfortabel. Bitte, die Strasse soll nie enden, ganz viele Kurven seien ihr gegeben, irgendwann am Nordkap oder dann am Absatz des italienischen Stiefels werde ich eine Zigarette rauchen. Und durchatmen. Das Adrenalin sich wieder setzen lassen. Einen gebratenen Fisch verspeisen.

Was überrascht: wie einfach der GTO zu fahren ist. Selbstverständlich hat das Heck einen heftigen Drang, die Vorderräder zu überholen, doch das kündigt sich schönst an, man spürt es früh, kann mit dem Fahrpedal korrigieren oder am Lenkrad – genau so soll es ja sein. Lastwechsel kennt er nicht, der Donky, er bleibt alleweil lammfromm. Und bietet auch genau deshalb so viel Fahrfreud‘, weil man sich sicher fühlt, nicht überfordert. Er kann immer noch: mehr. Und knallt deshalb in den Händen von professionellen Piloten auch Rundenzeiten auf die Rennstrecke, die sonst nur ernsthafte Rennwagen schaffen. Und nein, wir sprechen hier nicht von Porsche 911 GT3RS oder Lamborghini Aventador, die tun gegen den Holländer: keinen Stich. Haben wir es eigentlich schon geschrieben, das mit den 695 Kilo? Gut. Denn man kann es nicht oft genug erwähnen.

Was auch überrascht: die unglaublich saubere Verarbeitung des GTO. Nein, Donkervoort ist längst keine Bastelabteilung mehr, da wird extrem ernsthaft und vor allem sauber gearbeitet. Sehr schöne Materialien, Karbon allerorten, feines Alcantara, liebevoll zusammengefügt, höchste Qualität. Gut, solches darf man für einen Grundpreis von 135’000 Euro (ohne MwSt.) auch erwarten, und trotzdem: schön.

Wahrscheinlich ist der Donkervoort GTO (zusammen mit dem Radical RXC Turbo) die ultimative Fahrmaschine, es gibt derzeit nichts Wahnsinnigeres, Wunderbareres mit Strassenzulassung, keinen Porsche, keinen Ferrari, sicher keinen Lambo und erst recht keinen Bugatti. Er macht keine Kompromisse (etwa: kein Kofferraum) und sicher keine Gefangenen, er ist die Reduktion auf das wahrhaft Wesentliche. Und darum geht es doch irgendwie, nicht nur beim Essen, überhaupt: im Leben.

(Wir fuhren den Donkervoort GTO im Rahmen des #Supertest2015 der österreichischen «auto revue». Er gehört mit dem KTM X-Bow GT4 und dem Radical RXC Turbo, die wir schon beschrieben haben, zur Trilogie der wahrhaften «radicals». Wir geben dann noch eine Einschätzung der drei Fahrzeuge von uns, bald. Mehr wunderbare Automobile gibt es auch in unserem Archiv.)

Der Beitrag Donkervoort D8 GTO – Erinnerungen erschien zuerst auf radicalmag.