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Bristol-Arnolt

Published in radical-mag.com

Kleider machen Leute

Stanley H. Arnolt, genannt «Wacky», hatte nach dem 2. Weltkrieg in Chicago sein Geld mit dem Import und Verkauf von europäischen Autos verdient. Und anscheinend muss es jede Menge Kohle gewesen sein, denn Mr. Arnolt erweckte schon Anfang der 50er Jahre nie den Eindruck, als ob er ernsthaft arbeiten müsse, sondern ganz in seiner Liebe zu aussergewöhnlichen Automobilen aufgehen konnte. Man schrieb das Jahr 1952, als Wacky in Turin auf dem Auto-Salon Giovanni Bertone traf: es sollte ein für beide Seiten fruchtbares Treffen sein. Denn Arnolt, ein Mann der Tat, sah sofort die Möglichkeiten, die ihm Bertone und sein junges Team (Giovanni Michelotti, Franco Scaglione!) bieten konnten.

Schon 1953 kam ein erstes Fahrzeug aus der Zusammenarbeit zwischen Bertone und Arnolt auf den Markt, der Arnolt Continental Sportster, besser bekannt als Arnolt-MG. Er basierte auf dem MG TD Roadster, verfügte aber über eine moderne Ponton-Karosserie, entworfen von Michelotti. Es war ein hübsches Wägelchen – aber furchtbar langsam, die Fahrleistungen (54 british horse power) entsprachen in keiner Form dem Aussehen. Geplant gewesen war eine Serie von 200 Fahrzeugen, doch nach 103 Exemplaren, 67 Coupé und 36 Convertibles, war Ende Feuer; MG stellte die Lieferung von Fahrgestellen ein. Ob «Wacky» nicht bezahlt hatte oder die Klagen über die mangelnden PS die Engländer zu sehr verärgerten, das ist nicht bekannt: offiziell hiess es, MG brauche alle Teile selber, weil der Erfolg des TD so grossartig gewesen sein will. Bertone, das heisst: Scaglione, verkleidete als nächstes einen Aston Martin DB2/4, insgesamt 7 Stück, 6 Roadster und ein Coupé (die alle noch exisitieren). Doch auch Aston Martin war nicht glücklich mit den Aktivitäten von «Wacky», schon nach dem dritten Exemplar wurde Arnolt verboten, weitere Fahrzeuge umzubauen. Für sich selber bestellte Wacky bei Bertone einen Bentley, der auf einem R-Type-Continental-Chassis stand – und liess ihn gülden lackieren.

«Wacky» hatte ein Problem. Er hatte Bertone einen Auftrag über mindestens 200 Fahrzeuge versprochen, und die Italiener bestanden auf dem Vertrag. Also brauchte Arnolt dringend ein neues Chassis. Und kam so auf: Bristol. Irgendwann kamen in der englischen Nachkriegszeit irgendwie alle auf Bristol (und ja, diese Geschichte erzählen wir dann auch noch – wir brauchen aber noch gute Bilder…), denn bei Bristol gab es nicht nur ein gutes Chassis, sondern auch einen guten Motor. Dieser hatte zwar auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel (deswegen hier empfohlen zur Lektüre: die Geschichte des wunderbaren BMW 328), doch der Reihen-Sechszylinder mit 2 Liter Hubraum war mit seinen 130 PS auch in den frühen 50er Jahren noch konkurrenzfähig. Arnolt schlug zu, er bestellte das Chassis 1953 des 404, das wiederum eine verkürzte Variante des Bristol-Standardchassis war. Und weil «Wacky» geizig war, nein: weil «Wacky» das neue Fahrzeug in den USA günstiger anbieten wollte als die Bristol, erhielt der 404 Bremsen und Getriebe aus dem günstigeren 403.

Dann ging Bertone ans Werk, besser geschrieben: Franco Scaglione. Der hatte sich schon zu Berühmtheit gezeichnet mit dem ersten BAT-Modell für Alfa, und was er für Arnolt entwarf, sah den Alfa mehr als nur ein bisschen ähnlich (und wer auch die Front der Corvette C3 zu sehen glaubt, der liegt wahrscheinlich auch nicht ganz falsch). Doch Scaglione hatte ein Problem: der BMW-, entschuldigung, Bristol-Sechszylinder baute sehr hoch. Doch der Bertone-Designer fand eine wunderbar einfache Lösung: in der Mitte hob er die Motorhaube stark an (und baute dann sogar noch eine Lufthutze obendrauf), liess sie dann weit herunterfallen, um die vorderen Kotflügel dann wieder weit nach oben zu ziehen. Bertone fertigte im Herbst 1953 zuerst einmal zwei Stück des Bristol-Arnolt, die im Ende Oktober 1953 auf der Earls Court Motorshow gezeigt wurden. Anscheinend fanden die Fahrzeuge Gefallen, denn «Wacky» entschied sich sofort für eine Produktion.

Die war dann nicht ganz einfach. Arnolt hätte seine kleinen Sportwagen – so ein Bristol-Arnolt ist zwar immerhin 4,24 Meter lang, aber nur gerade 1,73 breit und 1,12 Meter hoch – gerne ganz in Alu eingekleidet, doch er entschied sich dann doch für Stahlblech, weil Alu damals in den USA noch kaum bekannt war (und Arnolt schielte ja in erster Linie auf den amerikanischen Markt). Die Chassis samt Motor wurden bei Bristol produziert, dann mit der Bahn nach Turin verfrachtet, wo Bertone den Aufbau fertigte, und schliesslich nach Chicago verschifft, wo Arnolt den Wagen den letzten Schliff verabreichte. Es wurde aber ein zähes Geschäft: zwischen 1953 und 1959 wurden gerade einmal 142 Stück hergestellt, der Abverkauf dauerte länger, das vorletzte Exemplar wurde erst 1963 verschachert, das letzte, mit einigen optischen Änderungen, sogar erst 1968.

Dazu gab es auch noch eine erstaunliche Modell-Vielfalt: die einfachste Version hiess Competition und verfügte anstatt über eine Frontscheibe bloss über einen Windabweiser (Basispreis: 3995 Dollar). Stossstangen gab es auch nicht, und auch kein Verdeck. Es folgte das eigentliche Serienmodell, genannt «The Bolide», der hatte dann immerhin ein Stoffverdeck (Basispreis: 4245 Dollar). Noch besser ausgestattet war die De-Luxe-Variante, die Stossstangen hatte, lederbezogene Sitze und so etwas wie ein Armaturenbrett (Basispreis: 4995 Dollar). Und schliesslich gab es auch noch ein Coupé, das ab 1956 angeboten wurde. Dieses war dann aber deutlich schwerer als die 1100 Kilo, die für die offenen Versionen genannt wurden – und mit einem Basispreis von 5995 Dollar auch deutlich teurer.

Es heisst, es seien bloss sechs dieser Coupé gebaut worden, und sicher ist, dass zwei Bristol-Arnolt komplett in Alu ausgeführt wurden. Sicher ist ebenfalls, dass bei einem Fabrikbrand ein Dutzend Fahrzeuge ein Raub der Flammen wurden; nicht sicher ist, wie viele dieser Fahrzeuge später wieder aufgebaut wurden. Es heisst, dass heute noch 85 dieser Bristol-Arnolt existieren, die Preise sind (noch) nicht in exorbitanten Höhen, ab etwa 250’000 Dollar werden Exemplare (ohne Geschichte) angeboten. Wichtig ist: die Bristol-Arnolt waren immer Bristol-Arnolt, ab Werk wurden nie andere Motoren eingebaut (also auch keine Chevrolet- oder Pontiac-Maschinen). Vor allem die amerikanischen Fachmagazine waren absolut begeistert von den Bristol-Arnolt. «Sports Car Illustrated» meinte 1956, der englisch-italienisch-amerikanische Sportwagen verfüge über das «vielleicht beste Fahrverhalten aller bisher getesteten Autos». Ein Competition-Modell schaffte den Sprint von 0 auf 60 Meilen in beachtlichen 8,7 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 112 Meilen. Besonders gelobt wurden auch die Bremsen.

Mehr schöne Exoten haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Bristol-Arnolt erschien zuerst auf radicalmag.