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Der erste Porsche

Published in radical-mag.com

Gute Verbindungen in die Schweiz

Silbern – urprünglich war er mit grösster Wahrscheinlichkeit schlicht und einfach: grau – glänzt der Wagen auf dem Hauptplatz in Gmünd vor dem Hotel «Alte Post», wo einst die Porsche-Mitarbeiter einkehrten und wo Professor Porsche seinen Stammtisch hatte. Er ist winzig, der erste Porsche, Chassisnummer 356/001, nur 3,86 Meter lang, 1,67 Meter breit, 1,25 Meter hoch, weniger als 600 Kilo schwer. Der Roadster verfügte ursprünglich über einen Mittelmotor, eine Maschine aus dem VW Käfer, 1,1 Liter Hubraum, aber immerhin 35 PS stark; alle späteren 356 und selbstverständlich auch die 911 wurden dann von einem im Heck eingebauten Motor angetrieben. Das Motorengeräusch klingt vertraut, das typische Boxer-Rasseln – wild ist anders. Walter Layer, ein Meister aus der Werkstatt des Porsche-Museum, sitzt am Steuer – wir dürfen mitfahren auf jener Strecke, auf welcher Porsche am 27.05.1948 eine letzte Abnahmefahrt durchführte. Und sind schon auf den ersten Metern überrascht, wie agil der kleine Wagen ist. Einverstanden, Layer kennt die Nummer 1 wie wohl kaum ein anderer, er kennt die Probleme («er mag es nicht, wenn er zu langsam hinter einem anderen Fahrzeug herkriechen muss») und die technischen Schwierigkeiten («der erste und zweite Gang sind nicht synchronisiert») – und so treibt er das wertvolle Einzelstück mit einem Lächeln durch die schöne Landschaft bei Gmünd. Auch bergauf kennt der 356/1 keine Probleme, in den Serpentinen rutscht das Heck sehr bald («die Reifen war damals so unglaublich schmal»), aber auch das hat Layer im Griff – bergab lässt er allerdings reichlich Respektabstand auf den Vordermann, die Bremsen sind nicht ganz so, wie man sich das heute gewohnt ist. (Die Bilder unten stammen aus Gmünd.)

Im Mai 1945 war der 2. Weltkrieg endlich zu Ende, Deutschland kapitulierte. Damit ging für das Konstrukteursbüro von Ferdinand Porsche der wichtigste Auftragsgeber der vergangenen Jahre verloren – dies für eine Firma, die sich zwischen 1931 und 1945 stark entwickelt hatte, von einst 12 auf fast 600 Mitarbeiter. 1944 hatte das Unternehmen den Befehl erhalten, Stuttgart zu verlassen, man hatte sich neben Zell am See bei Salzburg für Gmünd in Kärnten entschieden. Gmünd lag völlig abseits, keine Zugverbindung, keine wintersichere Verbindung zum Norden, keine Zulieferer. Einfach nichts, ausser einem kleinen verträumten Dorf in einer sehr schönen Landschaft. Fast die Hälfte der Belegschaft wurde im November 1944 innerhalb weniger Wochen von Zuffenhausen nach Gmünd verlegt. Man bezog die Anlage einer Sägemühle mit diversen Holzbauten. Offiziell hiess es «Karnerauer Werke», aber bei den Mitarbeitern wurde nur von den «Vereinigten Hüttenwerken» gesprochen. Für die meisten Mitarbeiter musste damals klar gewesen sein, dass der Krieg für Deutschland nicht mehr zu gewinnen und es nur noch eine Frage der Zeit war, bis dieser grausame Spuk ein Ende fand. Nach der Kapitulation schlossen die meisten deutschen Firmen in ähnlicher Situation ihre Tore und schickten die Mirabeiter nach Hause. Nicht aber die Firma Porsche. Es wurde mit fast 200 Mitarbeitern versucht zu überleben; man besann sich auf alte Ideen, die noch irgend in einer Schublade lagerten. Traktoren und andere landwirtschaftliche Geräte waren schon immer ein Lieblings-Thema von Professor Porsche gewesen – und so wurde daran weiter gearbeitet. Es entstand in dieser schwierigen Nachkriegszeit ein Schlepper für Allgaier, Seilwinden (Typ 335), Kleinwasserkraftwerke (Typ 285, Hydromotor) und andere nützliche Gerätschaften. Manche dieser Produkte wurden über die Landwirtschaftliche Genossenschaft Klagenfurt vertrieben oder auch direkt verkauft. Auf Ende 1946 konnte die Belegschaft auf 222 Mitarbeiter erhöht werden und es wurden zusätzliche Gebäude (Baracken) instandgestellt und bezogen.

Im Sommer 1947 entstanden erste Konstruktions-Zeichnungen mit der Konstruktions-Nr. 356, dies noch unter der Bezeichnung «VW Zweisitzer Sportwagen»; die ersten Skizzen dafür mussten schon vor diesem Datum entstanden sein. Gitterrohrrahmen, Mittelmotor (Typ VW ), Leichtmetall-Karosserie; das Getriebe, die Hinterachse, die Vorderachse, die Lenkung, die Räder und die Bremsen stammten vom Volkswagen.

Dr. Karl Rabe war einer der wichtigsten Mitarbeiter von Professor Ferdinand Porsche, sie hatten sich schon 1913 bei Austro-Daimler kennengelernt; Rabe folgte Porsche auf allen seinen Karriere-Stationen und wurde 1931 zum Chef-Konstrukteur des neu gegründeten Konstruktionsbüros in Stuttgart ernannt. Der Österreicher führte ein ausführliches Tagebuch, wie etwa dieser Eintrag vom 6. Juni 1948 zeigt: «Wir haben bis 13.00 Uhr Besprechungen wegen Typ 356 und essen gemeinsam im Hotel „Post“ (Nudelsuppe, Wiener Schnitzel, Cremeschnitten, Rotwein). Um 14.30 Uhr werden die Besprechungen mit Herrn von Senger fortgesetzt». Seine Aufzeichnungen sind wichtig, denn sie ergeben ein sehr genaues Bild der Arbeiten, die erste Erwähnung des «Typ 356-VW-Sportwagen stammt vom 11.07.1947: « Aufbau-Entwurf, Zeichnungen für das Karosseriemodell». (Es könnte sein, dass der «356» schon früher erwähnt wird, doch leider haben wir keinen Zugriff auf die entsprechenden Aufzeichnungen von Rabe, die Red.) Und so geht es munter weiter, am Donnerstag, 24.07.1947 notiert er: «Ich arbeite an Zeichnung 1 : 5 für VW-Sport». Und am 10.12. dann: «Herr und Frau Dr. Piëch sind heute in Klagenfurt, morgen Treffen in Klagenfurt wegen VW Sport (Typ 356)».

Die Arbeitsbedingungen in der Nachkriegszeit waren sehr schwierig, es fehlte an allen Ecken und Enden. Rabe schreibt am 11.07.1947 in den Tätigkeitsbericht für die alliierte Kommission an den Senior Military Government Officer, Klagenfurt und an die Vermögensverwaltung Bezirkszweigstelle Spittal an der Drau: «Das Wohnungsproblem in Gmünd ist untragbar. Der Großteil der Arbeiter ist in kleinen Holzbehelfsheimen, in betriebseigenen Baracken und in von der RAB gepachteten Baracken in Eisentratten untergebracht. Die Arbeiter versichern über den Betriebsrat, dass sie einen zweiten Winter in den Holzbaracken nicht mehr mitmachen. Wohnungsbauten mit Heraklith und Wärmschutz können nicht durchgeführt werden, da es an Material fehlt. Seit Wochen warten wir auf den Bezugschein für Dachpappe. Es regnet nicht nur in die Wohnungen, sondern auch in den Betrieb. Die Verpflegung in der Werksküche kann unter den derzeitigen Verpflegungsverhältnissen als annehmbar bezeichnet werden. Die Bemühungen, ein reichlicheres Essen zu verabreichen, scheitern an der Ernährungslage. Weder Behörden noch sonstige Stellen können Zusatz-Lebensmittelzuteilungen geben. Für viele der Arbeiter reicht das Mittagessen quantitativ nicht aus». Auch die Finanzlage sowie die Beschaffung von Material waren ein Problem: «Die Großlieferanten verlangen durchwegs Anzahlungen auf Bestellungen, die erst in Monaten geliefert werden, Rohmaterial ist bei Übernahme zu bezahlen. Diese Vorlagen stellen an die Liquidität des Betriebes große Anforderungen, da die Fertigstellung der Produkte vom Rohmaterial bis zum Endprodukt Monate in Anspruch nimmt». (Die folgenden Bilder von 356/001 stammen aus der Schweiz, @Dirk-Michael Deckbar)

Gegen Ende Jahr zieht das Tempo dann aber trotzdem an. Am 29.12.1947 schreibt Rabe: «Ich erhalte um 17.00 Uhr Besuch von Dr. Höfer und Herrn von Senger/Zürich. Wir haben bis 18.30 Uhr eine Besprechung wegen VW Sport». Zwei Tage später geht es schon weiter: «Um 11.00 Uhr kommt Herr von Senger zu mir, wir sprechen über VW-Sport und machen einige Skizzen zur Karosserie-Form» Doch Anfang 1948 kommen auch gute Nachrichten aus der Schweiz: «Für VW-Sport ist laut Herrn von Senger/Zürich eine geldmäßige Absicherung gegeben». Es kann also weitergehen mit der Konstruktion des ersten «Porsche», am 18.01.1948 notiert Rabe: «Ich fahre mit Ferry, Prof. P., Frau Prof. P. und Hans Kaes um 10.30 Uhr ins Werk, wir besichtigen den Rahmen für VW-Sport». Und schon am 6.02.1948 folgt dieser Eintrag: «Gestern lief der neue VW Sport Typ 356 zum erstenmal (Chassis), wurde von Ferry heute gefahren». Eine Woche später, am 13.02.1948: «Ich fahre um 8.00 Uhr mit Prof. P. in den Betrieb, Im KB finden Besprechungen statt. Ferry teilt aus Zell am See mit, dass Herr und Frau Dr. Piëch mit Herrn von Senger morgen nach Gmünd kommen wollen. Wir forcieren die Arbeiten am Klopfmodell Typ 356, welches sich seit Dienstag hier befindet. Am darauf folgenden Sonntag, 15.02.1948, ist es dann soweit: «Ich fahre mit Ferry um 9.00 Uhr mit dem neuen VW-Sport ins Werk. Hans Kern kommt mit Dr. Piëch und Herrn von Senger mit VW in den Betrieb».

Ende Februar 1948 erstellt Rabe einen weiteren Tätigkeitsbericht an die allierte Kommission, vermeldet zum Fortgang der Arbeiten am neuen Fahrzeug dies: «Typ 356, VW Sport: Konstruktion des Rahmens und der Karosserie. Fertigstellung des ersten Aggregatesatzes für VW Sport Typ 356. Fertigstellung des ersten Fahrgestells für VW Sport Typ 356. Geschweißter Rahmen, Einbau von Motor, Getriebe, Vorder- und Hinterachse». Ausserdem: «Mit der Firma R.G.von Senger in der Schweiz sind Verhandlungen wegen eines Auftrages auf Fertigung von Sportwagen aus VW-Aggregaten im Gange. 10 Sportwagen aus gebrauchten VW-Aggregaten sind in Auftrag genommen. Die Aggregate haben wir hier, die Karosserien werden in unserem Betrieb hergestellt. Das erforderliche Blech kommt aus der Schweiz. Die Genehmigungen für die Ein- und Ausfuhr sind angesucht und haben wir die Zusage, dass das Warenverkehrsbüro dieses Geschäft genehmigt».

Dazu schreibt auch Ferry Porsche in seiner Autobiographie «Mein Leben» folgendes: « Die zweisitzige Roadster-Karosserie bestand aus Leichtmetall. Die Schwierigkeit lag darin, dass man im Nachkriegs-Österreich keine Leichtmetallblechteile für die Karosserie finden konnte. Wir schlossen deshalb mit Herrn von Senger einen Vertrag, der die Lieferung von Leichtmetallblechen aus der Schweiz zum Gegenstand hatte. Für den Import dieses Materials war die Genehmigung der Regierung in Wien erforderlich. Sie wurde uns unter der Voraussetzung gewährt, dass wir die fertiggestellten Fahrzeuge ausschließlich in das Ausland verkauften, da Österreich dringend Devisen benötigte».

Im März 1948 wurde die ersten Probefahren mit dem Fahrgestell gemacht, im April wurde noch an der Karosserie gearbeitet. Ganz so einfach schien das nicht, wohl auch deshalb, weil die Erprobungsfahrten wohl eher am Limit erfolgten. Aus dem Tagebuch von Rabe vom 28.04.1948: «Prof. P. und Ferry fahren um 15.00 Uhr mit dem Sportwagen nach Seeboden, es kommt zu einer Rahmen-Deformation hinten». Am 2.05.1948 ein ähnliches Bild: «Der Sportwagen Typ 356 zeigt rückwärts nach der gestrigen Probefahrt mit Otto Husslein (Betriebsleiter) Ausbeulungen hinten». Doch das Projekt kommt voran, wie der Eintrag von Rabe vom 5.05.1948 aufzeigt: «Ich bin ab 7.00 Uhr im Büro und arbeite den ganzen Tag am Rahmen-Modell Typ 356. Am Nachmittag fährt Ferry mit dem Sportwagen nach Zell am See. Ich bin bis 19.00 Uhr im Betrieb». Auch am Wochenende wird getestet, der 8.05.1948 ist ein Samstag: «Ich fahre um 13.30 Uhr nach Hause. Hans Kern fährt am Nachmittag mit dem Sportwagen Typ 356 zum Katschberg». Selbstverständlich sind Ferdinand und Ferry Porsche in alle Arbeiten involviert, wie dieser Tagebucheintrag vom 13.05.1948 beweist: «Ich fahre mit Prof. P. um 7.00 Uhr in den Betrieb, wir haben eine Besprechung wegen der Entlassungen im KB, wir legen die Namen fest. Der Sportwagen Typ 356 mit offener Karosserie und Rohrrahmen-Fahrgestell, fertig grundiert (gelb), wird gewogen und von Ferry gefahren». Und am 20.05.1948: «Prof. P. ist vormittags am Dieselmotor-Prüfstand und fährt nachmittags mit Goldinger mit dem Sportwagen Typ 356, er kommt erst am Abend zurück». Rabe arbeitet an allen Fronten gleichzeitig: «Ich bin mit Prof. P. im KB und fahre mit Hans Kern um 9.00 Uhr zu Notar Wegener wegen Patentangelegenheiten. Ich habe Besuch von Ing. Ernst aus Lind wegen der Typisierung Sportwagen Typ 356», schreibt er am 22.05.1948 in sein Tagebuch. Und dann kommt der grosse Moment, am 27.05.1948, Fronleichnam: «Probefahrt über Spittal an der Drau, Obervellach, Winklern nach Heiligenblut. Wir sind dort um 10.30 Uhr und sehen eine Fronleichnams-Prozession mit interessanten Trachten. Wir essen im Hotel «Sonnenhof». Wir geben eine Grußkarte an Prof. P. auf. Wir fahren weiter über Berg Isel, Greifenburg nach Weißensee, Hotel «Enzian» und besuchen einen Bekannten von Hans Kern aus dem Internierungslager Wolfsberg. Wir fahren dann nach Gmünd zurück, wo wir um 21.00 Uhr eintreffen, die Gesamtfahrstrecke betrug 256 km».

Dabei war die Lage in Gmünd alles andere als rosig, wie der Tätigkeitsbericht von Dr. Rabe von Ende April 1948 aufzeigt: «Der Verkauf unserer Erzeugnisse verursacht unserem Betrieb die größten Schwierigkeiten. Mit Ausnahme der Fertigung von Ersatzteilen für die Post und die Bundesbahn Österreichs geht die übrige Fertigung an Mähfingern und Seilwinden auf Lager, ebenso die Brenner und Verschraubungen. Es ist überaus schwer, die notwendigen Mittel für die Lohn- und Gehaltszahlungen unter diesen Verhältnissen aufzubringen. Die Verpflichtungen gegenüber den Lieferanten können nur überaus schleppend erfüllt werden. Die allgemeine Stagnation zwingt die Lieferanten, ihre Lieferungen mit Nachnahme zu versenden. Die Stahlwerke verlangen bei Auftragserteilung Anzahlungen. Die Kredite seitens der Bank sind unzureichend, sodass von einer Immobilisation des Betriebes gesprochen werden muß. Es ist heute höchst unklar, wo die Geldmittel für die Aufrechterhaltung des Betriebes für den kommenden Monat aufgebracht werden, wenn sich die Verkaufsmöglichkeiten nicht bessern. Die Aufträge gehen nur in geringen Stückzahlen ein und es ist mit weiteren Einschränkungen zu rechnen».

Am 8. Juni 1948 erhielt der Prototyp Nr. 1 mit einer Einzelgenehmigung die Zulassung für Oesterreich. Die interne Typenbezeichnung lautete: «Sport 356/1», dieses Fahrzeug erhielt am 15. Juni 1948 das berühmte Kennzeichen «K45 286». Der Sport 356/1 war dann schon am 4. Juli 1948 anlässlich des «Grossen Preis von Bern» in der Schweiz und wurde von diversen Journalisten getestet. Der erste Fahrbericht über einen Porsche erschien in der «Automobil Revue» in der Ausgabe vom 7. Juli 1948 unter dem Titel «Der jüngste Spross eines grossen Namens – Porsche 356, ein neuer Heckmotor-Sportwagen»: «Mitten in der Atmosphäre des sich mit Riesenschritten nähernden Grand Prix jagten wir die Maschine um die Rundstrecke von Bremgarten und fassten in kürzester Zeit volles Vertrauen zu ihr. So stellt man sich tatsächlich die Fahreigenschaften eines modernen Wagens vor, der die Vorzüge moderner Aufhängungssysteme und ihres guten Fahrkomforts mit der zähen Bodenhaftung eines ebenso modernen, niedrigen und handlichen Sportwagens vereint. Obwohl noch nicht bis ins letzte den kommenden Sportwagen entsprechend, liess der offene Zweisitzer, dessen ungewöhnliche Form erklärlicherweise überall Aufsehen erregte, doch erkennen, dass er dank seines günstigen Leistungsgewichts nicht nur als Wagen für den täglichen Gebrauch des Sportfahrers, sondern auch für die Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen ein ideales Gefährt bildet. In den Gängen dürfte er ohne weiteres 40, 70 und 100 km/h erreichen und im 4. Gang mit 110 bis 120 km/h längere Fahrten, geeignete Strassen vorausgesetzt, zurücklegen können. Er ist in engen Kurven handlich und stabil, hält aber auch in langgezogenen, raschen Strassenkrümmungen den gewünschten Kurs genau inne. Strassenunebenheiten imponieren ihm nur wenig».

Die Schweizer «Automobil Revue» war schon 1906 gegründet worden – und war mehr als ein Jahrhundert lang eine der wichtigsten Fach-Zeitungen der Welt im automobilen Bereich. Die Berichterstattung der «AR» galt in bis in die höchsten Führungskreise der Auto-Industrie als relevant, und damals, kurz nach dem 2. Weltkrieg, hatte die Publikation eine Vormachtstellung im deutschsprachigen Raum. Der erste Porsche-Fahrbericht ist mit «Tester» unterzeichnet, es ist nicht ganz klar, wer den Text verfasste, entweder der spätere, legendäre Chefredaktor Robert Braunschweig (für den die deutsche Polizei auch einmal eine Autobahn sperrte) oder dann Max Troesch, ein freier Mitarbeiter. Der in der Folge viele Artikel über dieses Fahrzeug, im In- und Ausland publizierte – und dem in der Porsche-Geschichte überhaupt eine wichtige Rolle zukommt: Troesch hatte als junger Ingenieur Professor Porsche schon Anfang der 30er Jahre bei Steyr kennengelernt, die beiden Männer verband eine enge Freundschaft. Es war Max Troesch, der Porsche den Kontakt zu Aldington in England vermittelte, der dann zum ersten Importeur auf den Inseln wurde – und Troesch hat auch dem berühmten Max Hoffman Bilder des Porsche 356 gezeigt, worauf dieser gleich die ersten zwei Exemplare in die USA holte.

Dass diese erste Fahrt für Journalisten im Umfeld des «Grand Prix von Bern» veranstaltet wurde, war selbstverständlich kein Zufall, denn damit war Porsche viel Aufmerksamkeit garantiert, die Fach-Presse war sowieso vor Ort. Der 7,26 Kilometer lange Strassenkurs im Bremgartenwald war seit Anfang der 30er Jahre eine bekannte (und gefährliche) Rennstrecke, zuerst nur für Motorräder, ab 1934 dann auch für Automobile. Nach dem 2. Weltkrieg wurden die ersten Rennen schon ab 1947 ausgetragen, ab 1950 trug das Rennen den Titel «Grand Prix von Bremgarten» und zählte bis 1954 zum Formel-1-Kalender. Das Austragung von 1948 stand unter keinem guten Stern, zuerst verunglückte der Motorrad-Rennfahrer Omobono Tenni tödlich, im Training verstarb der grosse Achille Varzi nach einem schrecklichen Unfall – und auch das Rennen selber forderte mit dem Schweizer Privatfahrer Christian Kautz ein weiteres Todesopfer. Das Rennen gewann dann Carlo Felice Trossi nur gerade 0,2 Sekunden vor Jean-Pierre Wimille; der neue Porsche trat in keiner Klasse an, obwohl das anscheinend im Vorfeld noch der Plan gewesen war.

Doch die sportliche Karriere begann trotzdem schon früh: Am 11. Juli 1948 fuhr Herbert Kaes das erste Rennen mit dem 356-001 auf dem Stadtrundkurs von Innsbruck und errang gleich einen Klassensieg. In der August-Ausgabe des «Automobil Club Oestereich» erschien ein Foto von der Nr. 1 anlässlich dieser Veranstaltung, dies zusammen mit dem VW Berlin-Rom Wagen im Hintergrund, der von Ferry Porsche gefahren wurde; in der September-Ausgabe wurde ein kleiner Test veröffentlicht. Am 7. September 1948 erlangte Porsche die Export-Lizenz und danach wurde der 356-001 in der Schweiz verzollt; als Karrosserie-Form wurde «Torpedo Sport» eingetragen. Am 16. Dezember erfolgte die technische Abnahme in Zürich. Nachdem einige kleine Mängel an der Beleuchtung behoben worden waren, erhielt die Nr. 1 am 20.12.1948 die Zulassung und die Kontrollschilder ZH 20640. Damit war dies der erste offiziell zugelassene Porsche; erster Käufer war ein gewisser Peter Kaiser, ein in Zürich wohnhafter deutscher Architekt, der für das Fahrzeug den doch erstaunlichen Preis von 7500 Franken bezahlte. Die Nummer 1 hat ein wildes Leben hinter sich, es grenzt an ein Wunder, dass das Fahrzeug heute noch existiert und sich im Besitz des Porsche-Museum in Stuttgart befindet.

Peter Kaiser war von den Fahrleistungen und insbesondere von der hervorragenden Strassenlage von 356-001 beeindruckt; das Fahrzeug wog trocken nur 670 Kilo. Er stellte aber schnell fest, dass die mechanischen Bremsen nicht ausreichend waren und beschloss, die Seilzugbremsen durch ein hydraulisches System zu ersetzen. Schon voher hatte Kaiser aus dem Namen «Porsche» die Bezeichnung «Pesco» gebastelt. Gemäss den Erzählungen von Kaiser wollte er keine Werbung für Porsche machen – und es sollte sportlicher, italienischer klingen. Die Nummer 1 war dann zwar schnell, aber diverse Mängel wie aufbrechende Schweissnähte, schlechte Sitze und ein zu schwacher Motor bewogen Kaiser, das Fahrzeug nach einem Jahr an einen Autohändler zu verkaufen. Dieser, ein Augustin Schneider, tat sich sehr schwer mit diesem unbekannten Fahrzeug; wahrscheinlich kaufte es Kaiser zwischenzeitlich sogar zurück. Erst im Juli 1951 konnte eine Artistin aus Zürich für das Cabrio begeistern, eine gewisse Elisabeth Spielhofer. Doch nach sechs Monaten wechselte 356-001 erneut den Besitzer. Auch dieser frühe Porsche-Pilot, Walter Hasler aus Dübendorf, wurde nicht glücklich mit dem Cabrio und verkaufte es im Juni 1952 weiter. Die neue Besitzerin, ein Fräulein Rosemarie Muff, bemängelte die schlechte Beleuchtungsanlage (wohl deshalb, weil sie ihrer Beschäftigung vorwiegend Nachts nachging). Sie hatte aber den Mut, mit diesem Wagen eine Urlaubsfahrt nach Spanien zu unternehmen. Sie erinnert sich, wie sich bei jeder Gelegenheit eine grosse Männerschar um dieses neuartige Fahrzeug versammelte und staunte (wohl sowohl über das Fahrzeug wie auch über die Fahrerin). Im Dezember 1952 verkaufte sie das Fahrzeug an Hermann Schulthess aus Zürich für 3500 Franken.

Hermann Schulthess war ein grosser Sportwagenfreund (er besass Zeit seines Lebens über 70 Porsche…) und fuhr gelegentlich auch Rennen, etwa zusammen mit Peter Kaiser in einem 356 Coupé an der Mille Miglia 1953 auf einen beachtlichen 2. Platz bei den Sportwagen bis 1500 ccm. Da er die Probleme der Nr. 1 bereits von seinem Freund Kaiser kannte, entschloss er sich, das Fahrzeug zu verbessern; bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich 356-001 noch im fast originalen Zustand befunden. Schulthess liess bei Porsche in Zuffenhausen für 4‘450 D-Mark neue Bremsen und einen 1,5-Liter-Motor montieren. Diese Änderungen machten die Nr. 1 wieder konkurrenzfähig, sie wurde in der Folge bei diversen kleineren Sporteinsätzen wie dem bekannten ACS-Slalom auf dem Flughafen Dübendorf eingesetzt. Während einer Passfahrt über den Gotthard musste Schulthess vor einer Ampel anhalten – und es krachte ein Opel in das Heck des kleinen Cabrio. Schulthess staunte nicht schlecht, als gleich sechs Nonnen aus dem kleinen Opel stiegen und sich erschüttert bekreuzigten. Da die Karroserie von 356-001 aus Aluminium bestand, war den Schaden beträchtlich; Schulthess benützte die Gelegenheit und das Geld von der Versicherung, um seinen Wagen weiter zu «modernisieren». Die Radausschnitte wurden nach vorn und hinten vergrössert, die Stossstangen wurden weggelassen und die Kanten wurden eingerollt, die beiden Heckleuchten wurden durch je zwei runde Leuchten (wie beim 356) ersetzt, die Chromzierleisten vorn entfielen, die 16-Zoll-Räder wurden durch 15-Zöller ersetzt – und der Wagen wurde von grau auf silber umlackiert. Im September 1953 gelang dem kleinen Cabrio der grösste sportliche Erfolg: Mit Marco Engeler am Steuer, einem Freund von Schulthess, belegte es den ehrenvollen 2. Rang beim Bergrennen Mittelholz-Kandersteg, dies hinter Hans Stanek auf seinem Glöckler-Porsche.

Im März 1954 befand sich 356-001 in einer Porsche-Werkstätte für einen Service. Anton Igoris, der sein 356 Coupé 1500 N ebenfalls für eine Reparatur dort hatte, war so begeistert von der Nr. 1, dass er auf der Stelle mit Schulthess die Fahrzeuge tauschte. Schon nach einigen Tagen wurde sich Igoris aber bewusst, dass ein 356 Stahl-Coupé viel moderner und besser war – und er wollte den Tausch rückgängig machen. Schulthess aber behielt das Coupé. Bis im Mai 1956 vergammelte das kleine Cabrio bei Igoris, bis es von Franz Blaser entdeckt wurde. Er kaufte das Fahrzeug, überholte die Technik und freute sich am aussergewöhnlichen Porsche. 1956 und 1957 nahm er an den Porsche-Treffen in Meran teil und traf dort auch Ferry Porsche. Dies war eine gute Begegnung, der Porsche 356/1 kam Ende Mai 1958 zurück zu Porsche – und Franz Blaser wurde im Tausch stolzer Besitzer eines neuen 356 Speedster.

Es erklärt diese wilde Geschichte, weshalb 356/1 nicht mehr so aussieht wie auf den ursprünglichen Zeichnungen aus Gmünd (und heute auch von einem anderen Motor angetrieben wird…). Und das ist auch der Grund, weshalb Porsche zum 70. Firmen-Jubiläum eine zweite Nummer 1 aufbauen liess, keine Replica, sondern ein so genanntes «Show Car» nach den ursprünglichen Plänen aus Gmünd. Die Stuttgarter vermeinen, dass ihr allererster Sportwagen original in einem sanften Hellblau lackiert gewesen sein könnte (was unter Kennern der frühen Marken-Geschichte aber sehr umstritten ist).

Importeur von 356-001 und vor allem Porsche-Geldgeber der ersten Stunde war Bernhard Blank. Blank war eine stattliche Erscheinung, ein erfolgreicher Geschäftsmann und Besitzer des Hotel Europe an der Zürcher Dufourstrasse. Dort hatte er nach dem 2. Weltkrieg auch eine Vertretung für die englischen Marken Daimler, Lanchester und Allard eingerichtet, für kurze Zeit war er ausserdem Generalimporteur für die amerikanische Marke Tucker in der Schweiz und verkaufte auch etliche dieser revolutionären Fahrzeuge, obschon er gar kein Fahrzeug vorzeigen konnte. Nach dem Untergang der Firma Tucker zahlte er sämtliche Anzahlungen aus eigener Tasche zurück, damit keiner seiner Kunden zu Schaden kam.

Zu Porsche kam Blank über Ruprecht von Senger, der sich gerne als Architekt ausgab, aber wohl Hochbauzeichner war und in einer einfachen Zwei-Zimmer-Wohnung im zürcherischen Bülach wohnte. Von Senger hatte im Krieg in St. Moritz den Anwalt Dr. Anton Piëch und dessen Gattin Louise kennengelernt (vielleicht über Max Troesch) – und im August 1946 eine Limousinen-Studie bei der Porsche Konstruktions Ges.m.b.H in Auftrag gegeben (Auftrag-Nummer Typ 352). Es macht aber den Eindruck, dass in den Köpfen der Porsche-Entwickler die Idee des 356 schon vorhanden war – und so überzeugte man von Senger, sich für den projektierten Sportwagen zu interessieren. R. von Senger versprach, 100‘000 Schweizer Franken in das Projekt zu investieren. Dies war für damalige Zeit und dank dem starken Schweizer Franken eine sehr grosse Summe, für diesen Betrag konnte man 1946 in Zürich ein Mehrfamilienhaus an bester Lage kaufen. Von Senger kannte Bernhard Blank – und konnte diesen überzeugen, 100’000 Franken in den noch zu entstehenden Porsche zu investieren. Als Gegenleistung wurde Blank das exklusive Verkaufsrecht zugesichert.

Gemäss Aussagen von Herrn Schoch, Privatsekretär und Geschäftsführer von Bernhard Blank, liess von Senger seinen «Partner» in dem Glauben, dass auch er den gleichen Betrag investieren werde und dass die Empfänger der 100’000 Franken über alles informiert seien. Es wurde vereinbart, dass die Herren Porsche und Piëch sich mit Blank bei der nächsten Möglichkeit treffen sollten; dieses Treffen wurde durch von Senger immer wieder verschoben, mit allen nur denkbaren Ausreden. Nach über einem Jahr machte sich Blank ernsthaft Sorgen um sein Geld. Am 20. September 1948 erblickte Blank von Senger bei einem Spazierganges auf der Zürcher Bahnhofstrasse auf der anderen Strassenseite; von Senger war in Begleitung eines Herrn «in österreichischer Kleidung». Blank überquerte die Strasse und bemerkte, dass von Senger ihm ausweichen wollte. Also ging direkt auf den ihm fremden Herrn zu und begrüsste ihn als Dr. Porsche; der Mann stellte sich darauf als Dr. Anton Piëch vor. Piëch hatte eine wichtige Position bei Volkswagen in Österreich sowie auch bei den diversen Firmen von Porsche inne und war daher über alle Vorgänge bestens orientiert und aktiv am den Geschäften beteiligt. Blank erkundigte sich nach den Fortschritten der Entwicklung des Sportwagens, die mit seinem Geld gemacht würden. Da stellte sich heraus, dass die Empfänger der Investition nicht wussten, dass er der Geldgeber war und dass von Senger gar keine Mittel investiert hatte. Von diesem Moment an war von Senger aus dem Geschäft – und Bernhard Blank wurde der direkte Vertriebspartner von Porsche. Privat entwickelte sich eine lange und gute Freundschaft zwischen den Familien Piëch, Porsche und Bernhard Blank.

Wie schon erwähnt, erfolgte die technische Abnahme des Porsche 356-001 am 16.12.1948 in der Schweiz. Sowohl die Zoll-Unterlagen wie auch die Papiere der technischen Abnahme sind auf Bernhard Blank, Riesbach-Garage, ausgestellt. Es ist deshalb offensichtlich, dass Blank den ersten Porsche verkaufte – und nicht Ruprecht von Senger, wie in den meisten Porsche-Geschichten geschrieben wird. Blank organisierte auch den ersten Auftritt von Porsche auf einer grossen Automobil-Ausstellung, dem Genfer Salon von 1949. Er hatte schon vorher einen Mechaniker, Werner Busenhart, nach Gmünd geschickt, damit dieser die Porsche-Technik kennenlernte. Nach über drei Monaten in Gmünd erhielt Busenhart eine «Bestätigung», unterschrieben vom technischen Leiter Dr. Rabe und Erwin Komenda, die mit folgendem Satz abschliesst: «Er hat die Gelegenheit, alle Eigenheiten des Porsche Sportwagens kennenzulernen, ausgeschöpft». Busenhart war damit als erster Porsche-Mechaniker ausgebildet – und die allererste offizielle Porsche-Vertretung war startklar, das Schaufenster beim Hotel Europe wurde mit dem Schriftzug «Porsche» versehen.

Ausserdem hatte Blank den zweiten Porsche, 356/2, zu Carrosserie Beutler in Thun geschickt, damit die Gebrüder Ernst und Fritz Beutler die Möglichkeit eines Cabrio-Aufbaus prüfen konnten. Ernst Beutler besichtigte das Fahrgestell in Zürich und war sofort begeistert von der Einfachheit und Qualität des Chassis; er besuchte umgehend den Betrieb in Gmünd, um sich die nötigen Daten und Anweisungen aus erster Hand zu holen. Schon im Juli 1948 entstanden die ersten 1:1-Zeichnungen, die zur Prüfung nach Gmünd gesandt wurden. Erwin Komenda, zuständig für den Karroseriebau, war überzeugt von den Entwürfen und die Freigabe für einen ersten Prototyp wurde erteilt. Beutler erinnert sich, dass ihn Prof. Porsche, G. Kaes und E. Komenda kurz darauf in Thun besuchten; die Herren schienen mit der Arbeit von Beutler sehr zufrieden gewesen sein, der Auftrag für fünf weitere Cabrios wurde über Blank erteilt.

Ein weiterer Grund für die Reise der Porsche-Führung in die Schweiz war, dass man einen neuen Standort für die Produktion suchte. Die Fahrzeuge wurden in Gmünd produziert mit Teilen wie Vorderachse und Bremsen, Hinterachse/Getriebe und Motoren, die aus requirierten Wehrmachtsbeständen (VW Kübelwagen) aus Klagenfurt kamen. Die Frontscheiben waren aus normalem Glas, die übrigen Fenster aus Kunststoff, der aus Flugzeugen stammte. Viele Teile wie Schalter, Leuchten, Instrumente (HAZ Motorfahrzeuginstrumente Dietlikon), Leichtmetallblech etc. wurden aus der Schweiz importiert. Von Senger begann mit den Lieferungen – und Blank übernahm dann auch diesen Teil der Partnerschaft. Einige Teile wurden in Italien besorgt, auch über die Kontakte zu Carlo Abarth und Rudolf Hruska (der auch zu den frühen Porsche-Kunden zählte, er kaufte das 19. Gmünd-Coupé). Anfangs kamen die Teile aus dem Ausland auf eher fragwürdigen Wege über die Grenzen bis nach Gmünd, aber die schwierige Zeit liess keine andere Möglichkeit zu. Es war den leitenden Mitarbeitern bewusst, dass man in Gmünd keine Automobil-Produktion mit Zukunft planen konnte. Ausserdem war die (politische und geographische) Lage in Oesterreich verzwickt, jedes Gebiet war unter Verwaltung einer anderen Flagge. Gmünd etwa war unter englischer Kontrolle, Zell am See «gehörte» den Amerikanern; dazwischen lagen aber französische und russische Gebiete. Alle paar Kilometer musste man eine Grenze passieren und die nötigen Papiere vorweisen. Die angestammten Liegenschaften in Stuttgart waren von den Amerikanern besetzt und 1948/49 machte es den Eindruck, dass diese dort auf unbestimmte Zeit bleiben wollten. Daher war es nicht ganz abwegig, auch in der Schweiz einen neuen Produktions-Standort zu suchen. Doch das ist eine Geschichte, die dann andernorts einmal erzählt werden kann…

Für den Genfer Salon 1949 bestellte Blank also, mit Genehmigung von Porsche, ein Coupé aus Gmünd und dazu ein Beutler-Cabrio. Diese beiden Fahrzeuge wurden kurz vor der Ausstellung auf der Zürcher See-Promenade fotografiert, was Fräulein Jolanda Tschudi auf den Plan rief. Die junge Dame, Tochter des Gründers der AMAG (die dann 1945 als NEUE AMAG an Walter Haefner «verkauft» wurde), war schon zu einiger Berühtheit gelangt mit ihren Forschungsreisen durch Afrika sowie als Sportfliegerin. Sie besuchte die Porsche-Vertretung im Hotel Europe, wo sie auf der Stelle das dunkelblaue Beutler-Cabrio (356/2-002) kaufte. Blank erklärte ihr, dass die Ablieferung aber erst nach dem Salon in Genf möglich sein werde. Das Cabrio wurde auf Frl. Tschudi zugelassen mit dem Kennzeichen ZH 44035 und an die Ausstellung in Genf mitgenommen; erst danach durfte Jolanda Tschudi ihr Fahrzeug übernehmen. Ferry Porsche und seine Schwester Louise Piëch waren übrigens auch in Genf zugegen: Es musste für beide ein grosser Augenblick gewesen sein, ihre Produkte auf einem grossen Automobil-Salon zu sehen (Stand Nr. 11), umringt von neugierigen Zuschauern und belagert von informationshungrigen Journalisten aus aller Welt. Der Erfolg auf dem Salon war allerdings höchstens zufriedenstellend, denn 1949 war ein Jahr mit vielen anderen Neuheiten. Ein Sportwagen für 15‘000 Franken resp. 17‘000 Franken für ein Cabrio war nicht unbedingt das, was die Kundschaft wollte; die technische Nähe zu Volkswagen war 1948 auch (noch) kein Verkaufsargument, da die Marke VW noch nicht verbreitet war.

Es lag aber sicher nicht an Blank und seinem Verkäufer Heinrich Kunz, dass die Verkauszahlen sich in einem sehr überschaubaren Rahmen bewegten. Da sein Chef nicht besonders gern Auto fuhr und mit einer Körpergrösse von fast 1.90 Metern auch schlecht in den kleinen 356 passte, blieb es Kunz überlassen, die vielen Presseleute und potentiellen Kunden mit dem hellgrünen 356 (356/2-001) auf einer Probefahrt zu überzeugen. Die sehr tiefe Sitzposition und die gute Strassenlage beeindruckte alle Passagiere.; weil die Motorleistung eher schwächlich war und die mechanischen Bremsen auch nicht über alle Zweifel erhaben, vermied Kunz grössere Steigungen und verlegte seine Teststrecke auf die Seestrasse von Genf Richtung Evian. Die zwei ausgestellten Coupés (356/2-001 und 356/2-004) wurden schnell verkauft und einige weitere Bestellungen folgten. Das zweite Beutler Cabrio (356/2-003) war schon während dem Genfer Salon in Arbeit und wurde im Juni 1949 fertiggestellt. (Es folgen dann noch bessere Bilder von 356/2-003…)

Die Geschichte des zweitältesten noch existierenden Serien-Porsche (da ist ja auch noch 356/2-004, der früher fertig war als 356/2-003, aber das ist dann nochmals eine andere Geschichte…) ist bis ins letzte Detail dokumentiert. Am 2. Juli 1948 lief der Motor (Nr. 356-6-014106) erstmals auf dem Prüfstand in Gmünd, am 6. August 1948 wurde das Chassis (366 Kilo schwer gemäss den Zollunterlagen) in die Schweiz exportiert. Am 6. Januar 1949 erscheint das Fahrzeug erstmals in den Büchern der Gebrüder Beutler, am 7. Mai ist es dann fertiggestellt und wird von den Zollbehörden inspiziert und gewogen (662 Kilo). Am 9. Juni wird 356/2-003 an Bernhard Blank ausgeliefert – und schon am 12. Juni gewinnt das bordeaux-rote Fahrzeug beim Concours d’Elegance in Luzern den 1. Preis. Bei dieser Gelegenheit soll sich Prinz Mohammed Taher Pasha, Neffe des damaligen ägyptischen Königs Faruk, in das Fahrzeug verliebt haben – und hat es wohl auch im Juli oder August gekauft. Doch bevor der Prinz, der auch Präsident des ägyptischen Automobil Clubs war, den Wagen erhielt, wurde er zuerst von Blank mit dem Kontrollschild ZH 312 auf die Strasse gebracht. Auf eigener Achse fuhr 356/2-003 dann am 20. August 1949 nach Gmünd, dort wurden einige Arbeiten ausgeführt, unter anderem ein Motoren-Test am 20. September – und dann wurde das im Oktober oder November 1949 über Genau nach Ägypten verschifft. Taher, der auch das Gmünd-Coupé mit der Chassisnummer 356/2-033 besass, fuhr sein Beutler-Cabrio ausführlich durch Ägypten und in Europe. Am 20. Mai 1952 wurde der Wagen wieder in die Schweiz importiert und am 26. Mai an eine Frau Julia Müller verkauft. Die den Wagen schon am 4. August 1952 an F. Rosenberg aus Basel verkaufte: Rosenberg liess das Fahrzeug am 25. August 1952 bei Porsche in Stuttgart überholen, unter anderem wurde der 1,1-Liter-Motor durch einen 1,3-Liter-Motor (mit der gleichen Motoren-Nummer) ersetzt. Gut ein Jahr später, am 22. September 1953, nahm Rosenberg das Fahrzeug aus dem Verkehr – und verkaufte es am 30. März 1954 an einen Dr. Loy im bernischen Burgdorf. Auch dieser liess 356/2-003 in Stuttgart bei Porsche überarbeiten am 28. Juni 1954. Am 30. März 1960 kaufte H.P. Wyssmann das Fahrzeug – und behielt es 48 Jahre in seinem Besitz. Auch heute noch befindet sich der Wagen in der Schweiz.

Schon Ende 1949 stellte Blank aber fest, dass nach den ersten Verkaufserfolgen die Nachfrage merklich nachliess. Die Preise wurden im September gesenkt auf 13’900 Franken für das Coupé und 14’900 Franken für das Cabrio von Beutler. 1950 war Blank dann nicht mit Porsche auf dem Genfer Automobil-Salon vertreten. Der Preis für das Coupé wurde erneut gesenkt auf 12’500 Franken, als Option war für 600 Franken ein «öffnungsfähiges» Dach bestellbar; Beutler war anderweitig ausgelastet und übernahm keine Aufträge mehr für ein Cabrio. Auch ein Radio gab es für den gleichen Preis. Porsche war nicht sehr erfreut über das Verhalten von Blank, man feierte in anderen Ländern, etwa in Frankreich, grosse Erfolge an der Verkaufsfront. Und so kam es, dass die Porsche dann ab 1952 über die AMAG in die Schweiz importiert wurden.

Man geht davon aus, dass 52 Chassis plus der Prototyp, 356-001, in Gmünd aufgebaut wurden. Sechs Fahrgestelle wurde bei den Gebr. Beutler in Thun als Cabrio fertiggestellt, dazu kamen zwei weitere Cabrio, die bei Wiener Karosseriefirmen eingekleidet wurden; ein Teil der Fahrzeuge wurde in Salzburg und Wien ergänzt oder endmontiert. 1950 wurden zwei, drei oder auch vier Fahrgestelle nach Stuttgart überführt, aus denen dann die 356 SL für Rennsporteinsätze entstanden.

Noch während 356-001 fertiggestellt wurde, arbeitete Porsche in Gmünd schon am «richtigen» 356 mit Heckmotor, Blechpressrahmen und dem einmaligen Design von Erwin Komenda. Es ist erstaunlich, dass man dieser neuen Konstruktion keine neue Entwicklungs-Nummer zuteilte, obschon die Nr. 1 mit den nachfolgenden 356er ausser der Technik nichts gemeinsam hatte. Vermutlich rührt das daher, dass man zur gleichen Zeit verschiedene Projekte verfolgte, etwa den Typ 360 Cisitalia GP Wagen oder den Typ 370 Sportwagen. Es war eine höchst bewundernswerte Leistung damals in solch schwierigen Zeiten, in denen es kaum Material zu kaufen gab, Lebensmittel rationiert waren, Kommunikation, wie wir es heute kennen, undenkbar war – sie kann heute gar nicht mehr hoch genug eingeschätzt werden.

(Wir bedanken uns herzlich bei Marco Marinello und Felix Aschwanden für ihre Recherchen zu den ersten Jahren von Porsche. Sie haben in den vergangenen 30 Jahren mit vielen Zeitzeugen gesprochen und die frühe Porsche-Geschichte wohl so rekonstruieren können, wie sie wirklich war. Viel Material verdanken wir auch dem Swiss Car Register. Mehr Porsche, viel mehr Porsche haben wir in unserem Archiv.)

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