Test Tesla Model S P100D
Grundsätzlich
Gut, etwas ärgerlich ist das schon, wenn man dann nächtens um 23.30 auf einer tristen, dunklen Raststätte noch ein halbes Stündchen strandet. Auf dem Papier, also theoretisch hätte der Tesla die Reise von der «radical»-Chäsi nach Genf und zurück locker schaffen sollen. Reichweite 477 Kilometer stand da angeschrieben, hin und zurück sind es 364 Kilometer – da wäre moch reichlich spatzig, auch der kleine Umweg zum Restaurant hätte da problemlos möglich sein müssen. Doch es ging dann halt doch nicht, der Tesla musste auf der Rückreise noch einmal an den Supercharger, weil – keine Ahnung. Ja, die Temperaturen lagen um den Gefrierpunkt, leichter Dauerregen, Scheibenwischer, Heizung, Licht, doch weder waren wir zu flott unterwegs (Schweiz…) noch zeigte die Verbrauchsanzeige je übermässigen Stromkonsum an. Und so sitzt man dann bei schlechtem Kaffee ein bisschen dumm rum und denkt sich so – gut, ja, mit dem Verbrenner hätte man ja auch (irgendwann, irgendwo) tanken müssen, aber es wäre halt etwas flotter gegangen, um diese Uhrzeit sowieso, Saft rein, bezahlen, tschüss, 5 Minuten. Und ja, so ein klein wenig enttäuscht waren wir auch, die 400 Kilometer sollte der Tesla Model S als P100D doch schon schaffen, oder? (Aber wir kennen das ja auch noch ganz anders – hier.)
Ansonsten wollen wir nicht murren: das geht schon. Das geht auch gut. Wenn man etwas umdenkt. Plant. Sich halt vorher überlegt, was man alles noch will, sollte. Diese Supercharger sind grossartig, das geht wirklich flott, auch von quasi null Reichweite wieder volltanken ist spätestens nach 90 Minuten erledigt (nicht alle Supercharger knallen den Strom mit gleicher Wucht in die Batterie, wir hatten alles von 65 kW/h bis fast 120). Wobei das ja eigentlich gar nicht so gedacht ist von Tesla: man sollte besser öfter kürzer verweilen als einmal lang. Weil die Batterie schneller saugt, wenn sie nicht mehr so viel Reichweite hat. Und weil die Tesla-Fahrer die Ladestationen nicht zu lang belegen sollen. Wir können dieser Argumentation jetzt nicht wirklich folgen, aber wer sind wir schon – wir hätten da ja auch noch ein paar andere ganz prinzipielle Fragen zur E-Mobilität. Doch darum soll es in diesem Test nicht gehen – wir wollen den Tesla Model S P100D ganz einfach als Automobil betrachten. (Und dass Reisen richtig gut funktioniert, prinzipiell, das hat «Chali» schon beschrieben, hier. Was man sonst noch erleben kann rund um diese Supercharger: hier.)
Oh ja, das Model S ist ein mächtiges Fahrzeug, 4,98 Meter lang, mit Seitenspiegeln 2,19 Meter breit, 1,45 Meter hoch – das Leergewicht beträgt 2,1 Tonnen (ohne Fahrer, Betriebsmittel braucht es ja fast keine). Davon sind rund 600 Kilo Batterien – ein Leichtgewicht ist der Tesla also nicht, aber man mag ihn deswegen nicht tadeln, da kennen wir manch konventionelles SUV, das aus unerfindlichen Gründen noch deutlich schwerer ist. Weil aber 611 PS und 967 Nm maximales Drehmoment zur Verfügung stehen, ist dieses Gewicht im Fahrbetrieb kein Thema – es ist wirklich berauschend, wie der Tesla abzieht. Und wenn man dann auch noch den «von Sinnen»-Modus findet (was nicht ganz so einfach ist), dann ist das: grob. Zumindest längsdynamisch, denn flottes Kurvenfahren ist das Ding des Amerikaners nicht, dafür ist er zu gross, zu schwer, das Fahrwerk zu schwammig. Für das gepflegte Reisen ist das wunderbar, sehr komfortabel (es herrscht, bauart-bedingt, selbstverständlich auch eine feine Ruhe im Wagen), doch wir würden uns mehr Rückmeldung der Lenkung und der Strasse und auch von den Bremsen wünschen, das ist alles so: floating. Man darf so einen Tesla ja schon mit Oberklasse-Fahrzeugen vergleichen, sowohl von der Grösse her wie auch preislich, und da kann er fahrdynamisch mit A8, 7er, S-Klasse nicht mithalten. Und nein, wir mögen jetzt nicht wieder hören, lesen, diskutieren, dass sich der Tesla ja in 3kommaetwas Sekunden auf 100 haut, was deutscher Protz-Stahl nicht annähernd kann. Dafür können es genannte Stücke öfter, also: immer wieder. Auch Autobahn-Hochgeschwindigkeit: länger, viel ausdauernder. Und am Berg, unserem liebsten Geläuf, ist halt schiere Kraft nicht alles – wenn der Wagen massiv über die Vorderräder schiebt, dann nützen über 600 PS und Allradantrieb so ziemlich gar nichts. Wir warten noch immer auf das E-Auto, das auch Fahrspass schafft – so schwierig kann das doch nicht sein, die Batterie könnte doch für einen schön tiefen, zentralen Schwerpunkt sorgen. Aber man müsste halt auch noch ein feines Fahrwerk drumherum basteln.
Das soll man jetzt nicht falsch verstehen: es ist uns klar, dass das Model S kein behender Sportwagen sein will und kann. Dass seine Stärken woanders liegen. Und ja, dafür sei er wirklich gelobt: das entspannte Gleiten kann er wirklich bestens. Man sitzt gut, bequem, auch über längere Zeit. Für ein so grosses Fahrzeug, das ja nicht von einem Motor eingeschränkt wird, dürften die hinteren Passagiere aber schon noch etwas üppiger Platz erhalten. Nein, Kofferraum ist kein Thema, hat es hinten und vorne und für insgesamt fast 900 Liter, da sehen andere Limousinen und auch SUV ziemlich alt aus. Es lässt sich alles gut nutzen – und die Bedienung gibt zumindest in ihren Grundfunktionen keine Rätsel auf. Es sei Tesla wieder einmal gepriesen dafür, dass sie die riesigen Touchscreens in die Auto-Industrie eingeführt haben, grösser hat weiterhin niemand. Ja, wir haben auch geschimpft, weil wir dieses oder jenes nicht auf Anhieb gefunden haben, doch das ist eine Berufskrankheit aller Auto-Beschreiber – wer den Tesla länger fährt, bedient ihn blind und problemlos. Bestes Navi (Google Maps), feste Internet-Verbindung (kostenlos auch im Ausland), das ist schon von einer überzeugenden Konsequenz – und man fragt sich, warum das andere Hersteller nicht auch machen.
Wir wollen nochmals «Chali» zu Wort kommen lassen: «Natürlich sind mir auf der Fahrt ein paar Dinge aufgefallen. Die mächtigen A-Säulen zum Beispiel, die dir in engen Bergaufpassagen ziemlich die Sicht nehmen. Noch schlimmer, wenn’s regnet oder schneit, denn dann lassen die Scheibenwischer zusätzlich einen breiten Streifen direkt an der A-Säule ungewischt. Oder die schönen und bequemen Sitze, die den Amerikaner sehr Langstreckentauglich machen. Doch, das darf man für 150’000 Franken auch erwarten, oder? Ein etwas netteres Soundsystem hätte der Stromer auch verdient, wenn schon kein Motor die Musik macht, sollte die Audioanlage schon Spitzenklasse sein. Auch die alten Mercedes-Multifunktionshebel sind nicht mehr wirklich sexy, aber wenigstens praktisch. Sehr gut hingegen die Tempomat-Funktion, vor allem im obligatorischen Autobahnstau. Tempo setzen und nur noch lenken, den Rest macht der Tesla schon – funktioniert nahezu perfekt, bis zum Stillstand. Und das Auto führt auch sauber wieder nach, wenn sich der Vordermann wieder in Bewegung setzt. Den Autopiloten habe ich nicht genutzt, wieso auch, dann hätte ich das Auto ja auch alleine nach Italien schicken können…» (pru. hat es gemacht, also: ja, es funktioniert ganz gut. Auf der Autobahn, auf breiten Landstrassen. Und es ist besser als andere Auto-Piloten, viel ruhiger, sprich: das Fahrzeug schwankt nicht dauernd zwischen den Linien. Und es kennt seine Limiten, schaltet das System blitzschnell aus, wenn der Rechner überfordert ist. Es ist trotzdem sehr gewöhnungsbedürftig – und wir wissen jetzt auch nicht, ob wir uns an solches gewöhnen wollen, denn die Anspannung ist viel, viel höher als beim normalen, selbstbestimmten Cruisen, weil halt null Vertrauen besteht (nicht nur bei Tesla nicht). Doch die adaptive Cruise-Control ist hervorragend, etwas vom Besten, was es auf dem Markt gibt. Und Pflicht-Lesestoff zum autonomen Fahren haben wir auch noch, hier.)
Nochmals «Chali»: «Noch ein Wort zur Verarbeitung. Der Tesla kommt ja nahezu ohne Knöpfe aus, alles wird über das riesige Display in der Mitte gesteuert. Ein kluger Schachzug, denn so muss auch nicht alles passen rund um Knöpfe und Schalter… Einzig die unter linke Ecke der Display-Einfassung war bei meiner Sitzposition störend, mein rechtes Knie und das Display werden nie mehr Freunde. Ja, the Times Are a-Changin’, mit einem Tesla in die Ferien zu Fahren ist meines Erachtens kein Problem. Ob es sinnvoll ist, 2,6 Tonnen über die Berge zu prügeln und im Ausland Strom aus wenig nachhaltigen Quellen anzuzapfen – das muss jeder für sich entscheiden. Klar ist, was Tesla mit dem Model S verspricht, das wird auch gehalten«. Ausser: beim Verbrauch. Tesla spricht beim Model S P100D von einem Durchschnittsverbrauch von 18,9 kW/h pro 100 Kilometer. «Chali» meint: Deutlich realistischer sind da 23 kW/h auf dieselbe Distanz. pru. kam auf ziemlich genau 27 kW/h – was dann doch eine happige Differenz zum «Normverbrauch» ist. Aber das kennen wir ja auch von den Verbrenner – und fragen uns, wann der Verbrauch (= Effizienz?) auch bei den Stromern zu einem Thema werden wird. Andererseits: in Sachen Effizienz ist und bleibt die seit 2013 nicht gross überarbeitete Tesla-Batterie (Panasonic) Benchmark. Unsere Dauertest-Zoe nimmt im Schnitt (wenngleich vor allem in der Stadt, also immer volle Kanne) auch über 23 kW/h.
Das Grosseganze: schon sehr überzeugend. Es kostet viel Geld, aber quasi alle Vorurteile gegen die E-Mobilität fährt der Tesla locker darnieder, lächelnd. Wir werden ihm in Zukunft mit deutlich mehr Respekt begegnen, denn da ist noch so manches sehr gut gemacht, zeigt auf, dass die Amerikaner auf manchen (digitalen) Gebieten Vorreiter bleiben. Eine kleine Bemerkung können wir uns in diesem Zusammenhang allerdings nicht verkneifen: Als wir den Tesla zurückbrachten, da wurden wir dort behandelt, wie man es sich von anderen Premium-Anbietern gewohnt ist, sprich: miserabel. Das Hipsterchen am Empfang googelte wohl gerade nach einem neuen Bartpflegemittel. Würde uns die Charcuterie-Verkäuferin in der Migros so behandeln, sie hätte den Aufschnitt im Gesicht. Schade. Und unnötig.
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