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Fahrbericht Porsche 911 T

Published in radical-mag.com

Mehr oder weniger

Vor genau 50 Jahren, 1967, gingen aus dem vorher singulären Porsche 911 der 911 S, der 911 L und der 911 T hervor. Der L war wie bis anhin, der S hatte 160 anstatt 130 PS, und der T (für Touring) war als Einstiegsmodell gedacht, dafür mussten 110 PS ausreichen. Nun spielt Porsche wieder, schon wieder mit den Bezeichnungen, es gibt wieder einen 911 T – und er soll die Puristen ansprechen. Denn als Einstiegsmodell wie einst kann man ihn nicht bezeichnen, er kostet doch 11’600 Franken mehr als ein profaner 911 Carrera – und das, obwohl er zum Gesamtpreis ab 129’600 Franken über weniger Ausstattung verfügt als die Basis. Wobei, so einfach ist es nicht.

Der 911 T verfügt über eine Heckscheibe und Fondseitenscheiben aus Leichtbauglas, die Türen werden über sehr hübsche Öffnerschlaufen bedient, die Dämmung wurde reduziert, und die +2-Sitze hinten entfernt. Das manuelle 7-Gang-Getriebe wird kürzer übersetzt und über einen verkürzten Schalthebel bedient. Und: es gibt eine mechanische Hinterachsquersperre. Und das feine Sportfahrwerk inklusive 20 Millimeter Tieferlegung der Karosse. Ein neuer Ansatz: Man kann – ohne Aufpreis! – auf das gesamte Infotainment-System verzichten, also kein Radio, kein Navi, dafür eine zusätzliche Ablage oben an der Mittelkonsole. Zusätzlich sind absolut poppelige Streifen an der Flanke, die aber wohl vom Graphik-Azubi gestaltet wurden. Und die Rückspiegel in Anthrazit, die je nach Aussenfarbe manchmal nicht so passend wirken. Grossartig: die Vollschalensitze, die sind ein Muss.

Und was bringt das? Zuerst einmal: 20 Kilo weniger. Gut, das sind nicht einmal zwei Prozent des Leergewichts (jetzt: 1425 Kilo) – und wer behauptet, dass er das beim Fahren spüren könne, der muss über einen höchst sensiblen Hintern verfügen. Da bringen das Sportfahrwerk und die Sperre sicher mehr (die gibt es gegen Aufpreis ja aber auch im Carrera). Wer ein wahrer Auskenner ist, der mag die kürzere Übersetzung zu schätzen wissen, sie bringen den 911 T auch in 4,5 Sekunden anstatt 4,6 Sekunden auf 100 km/h; bei der Höchstgeschwindigkeit liegt der profane Carrera aber 2 km/h vorne, also bei 295 km/h statt nur 293 km/h. Erstaunlich: die Werkangabe für den Verbrauch liegt beim 911 T (9,5 Liter/100 km) satte 1,2 Liter über dem Carrera (8,3 Liter/100 km). Eine Erklärung dafür mag uns nicht einfallen, denn beide Modelle werden ja vom gleichen 3-Liter-Turbo mit 370 PS angetrieben.

Und was bringt das wirklich? Eigentlich: gar nichts. Ausser selbstverständlich mehr Franken in die Porsche-Kasse. Im Fahrbetrieb ist der 911 T genau wie ein Carrera – er tönt etwas besser, heller, bissiger, aber das ist ein subjektiver Eindruck. Ansonsten hat man auch in diesem neuen Modell das Gefühl, nicht komplett übermotorisiert zu sein: Der 3-Liter-Turbo hängt feiner am Gas als die meisten zwangsbeatmeten Maschinen, ein Loch kennt mit seinen 450 Nm maximalem Drehmoment, die zwischen 1700 und 5000/min zur Verfügung stehen, eigentlich nicht, und trotzdem – bei einem 911er dürfte es einfach schon noch etwas mehr sein, man erwartet den Knall, dieses «zu viel». Und das hat der T so wenig wie der Carrera.

Es dies aber Jammern auf einem sehr, sehr hohen Niveau. Die Fahrfreud‘ ist und bleibt grossartig, der Lärm schön – und es ist immer wieder bewundernswert, wie gnadenlos sich so ein 911 stundenlang über Bergstrassen und Autobahnen treiben lässt und einfach nur Spass macht. Die Beherrschung dieses Geräts ist ja unterdessen schmerzfrei, da muss man nicht Walter Röhrl heissen, um ihn quer durch die Kurve treiben zu können. Die Gangwechsel mit dem kurzen Hebelchen im 911 T sind edel, das ist sicher ein kleiner Höhepunkt im neuen Modell, aber ob das den Aufpreis rechtfertigt? Zumal: das 6-Gang-Menu würde vollkommen ausreichen.

23 Varianten zählt die 911er-Baureihe unterdessen auch schon wieder – unglaublich, wie Porsche da auch die kleinste Nische noch auswringt. Es ist auch sicher noch nicht Ende der Fahnenstange, man darf davon ausgehen, dass es auch vom Carrera S noch eine T-Variante geben wird (und beim GT3 ist ja auch noch Luft, wie die ganz frische Touring-Version aufzeigt). Der 911 T wäre ganz prinzipiell eine interessante Alternative – wenn er denn wirklich konsequent auf Leichtbau, auf Purismus getrimmt worden wäre. Denn es verbleiben da noch so manche Gimmicks, die niemand braucht, den 7. Gang haben wir schon erwähnt, diese Zwischengas-Einblendung beim Herunterschalten etwa ist unnötig, die Cup-Holder bleiben unschön, an der Innenverkleidung dürfte durchaus noch mehr gespart werden. Der 911 T macht nur dann Sinn, wenn man ihn sich wirklich nackt bestellt. Das wird aber wohl nur selten geschehen, heute mag ja kaum mehr jemand auf das PDK und ein Navi verzichten. Und dann ist man wieder da, wo man mit dem Carrera auch sein kann – für weniger Geld.

Mehr Porsche haben wir in unserem Archiv.

Der Beitrag Fahrbericht Porsche 911 T erschien zuerst auf radicalmag.