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Test Ford Fiesta

Published in radical-mag.com

Erwachsen

Er hat die Hürde dann also genommen, über 4 Meter lang ist er nun, der Ford Fiesta, 4,04 Meter sind es, um genau zu sein. Damals, 1976, als die Fiesta-Geschichte begann, da waren es noch 3,56 Meter. 13 Prozent in 41 Jahren, das geht ja noch – die Gewichtszunahme von 730 auf über 1100 Kilo ist hingegen schon etwas, naja, wir werden ja (fast) alle mit den Jahren etwas adipöser. Im Gegensatz zu den meisten Konkurrenten wurde der Fiesta aber im Vergleich zum Vorgänger nicht leichter, doch das hat gute Gründe, wie wir dann später erklären wollen. Aber was wir eigentlich schreiben wollen: So richtig gehört der Fiesta nicht mehr zu den Kleinwagen, er ist erwachsen geworden, und so sieht er auch aus. Die Rolle des Einstiegsmodells übernimmt bei Ford der Ka+.

Nun, über Design lässt sich ja trefflich streiten, die Schönheit liegt wie immer im Auge des Betrachters. Wir sehen das so: der Vorgänger, gebaut ab 2008 und aufgefrischt 2012, war sicher frecher, sowohl von vorne wie noch mehr hinten. So richtig fröhlich oder gar wild wirkt der neue Fiesta nicht, mehr so: seriös. Was ja dann aber wiederum passt dazu, dass er jetzt erwachsener ist. Und damit das klar ist: Die Bestseller nicht nur im Fiesta-Segment sind die Langweiler. Wir hoffen allerdings, dass dann zumindest die ST-Line etwas mehr Pfiff bringen wird (wird sie, man hat es ja schon gesehen), unsere Brot&Butter-Version zog auf der Gasse nicht wirklich viel Aufmerksamkeit auf sich.

Die braucht der Fiesta allerdings, denn er ist ja hinter dem Kuga das meistverkaufte Ford-Modell in der Schweiz. Und er hat über die vier Jahrzehnte eine sehr treue Fan-Gemeinde aufgebaut, er ist so ein bisschen der Sympathieträger im Programm. Da ist es klar, dass Ford viel Hirnschmalz in das neue Produkte investiert hat, und das bedeutet ja heute: Connectivity, Infotainment, Assi-Systeme. Es kommt nun also auch der Kleine mit allem und sogar mehr als der Focus, Einpark-Assi, Notbremserei auch nächtens, Abstandstempomat, und noch so manches. Am wichtigsten ist wahrscheinlich Sync3, da ist die Verkoppelung mit der Innenwelt der Aussenwelt der Innenwelt ein Kinderspiel , es funktioniert prächtig und im ersten Anlauf, sogar bei unsereins, die mit diesem Zeugs eigentlich gar nichts zu tun haben wollen. Das Automobil ist nun auch in der unteren Liga endgültig zum fahrenden Smartphone geworden, das Leben findet auf einem 8 Zoll grossen Touchscreen statt, der das Cockpit auch entsprechend dominiert. (Was aber in welchem Paket inbegriffen ist, das muss in der Preisliste genau studiert werden – es erscheint uns dies etwas unübersichtlich; vielleicht gibt es einfach zu viele Möglichkeiten?)

Das Innenleben des neuen Fiesta ist eine andere Welt als bislang. So richtig gnadenlos auf Moderne getrimmt wurde der Ford nicht, aber das Wirrwarr der Knöpfe und Schalter wurde bestens entflechtet, nicht zu viel, nicht zu wenig – es erscheint uns dies als ein gut gangbarer Weg, denn nicht Jedermann mag die reine Lehre, manch eine(r) ist ja auch überfordert, wenn alles nur noch auf dem Screen stattfindet. Die Gestaltung des Innenraums ist nett (und nein, wir meinen damit nicht die kleine Schwester von, eben), nicht besonders fröhlich (wie etwa der Citroën C3), nicht so modern wie im Seat Ibiza (Test folgt bald), aber sauber, klar, logisch, auch in der Bedienung, auch in Sachen Haptik. Was wir aber hier noch schreiben müssen: Eigentlich sind wir ja nicht so heikel bei den Sitzen, aber wir empfanden sie im Fiesta im unteren Bereich als zu hart. Vielleicht liegt das aber auch am Alter. Und als nicht gerade riesig muss man den Kofferraum einstufen, 292 Liter sind nicht gerade berauschend bei einem doch grossen Auto; die 1093 Liter bei abgeklappten Rücksitzen sind dann ordentlich. Was wohl auch daran liegt, dass die hinteren Passagiere nicht auf einer Strafbank sitzen, sondern anständig Knie- und Kopffreiheit haben, auch nach draussen sehen können.

Die wirklich positive Überraschung bietet der Fiesta dann aber im Fahrbetrieb. Da ist er eindeutig erwachsen geworden, ganz besonders in Sachen Komfort. Auch auf schlechten Strassen rollt er ab wie ein Grosser, das ist höchst erfreulich. Und Kurven mag er auch, er erscheint uns deutlich aktiver und agiler als etwa der Focus; vielleicht kann der Ford da jenes Terrain zurückgewinnen, das die einstige Fahrmaschine Focus bei der Neuauflage verloren hatte? Nochmals: die Fahrwerksabstimmung ist wirklich lobenswert, Benchmark derzeit in diesem Segment. Die Bremsen sind anständig, gut dosierbar, das reicht problemlos.

Unser Testwagen war mit dem 1-Liter-Dreizylinder ausgestattet, 100 PS, kombiniert mit einer 6-Gang-Automatik. Das ist eine gute Kombination, ein Rennwagen wird der Ford damit nicht, doch dieser Antreib passt bestens zum Charakter des erwachsenen Fiesta. Er brummelt wie alle Dreizylinder, doch das ist ja nicht unangenehm. Sehr angenehm sind die 170 Nm maximales Drehmoment, die schon ab 1600/min zur Verfügung stehen; der Automat, der schön sanft schaltet, kann damit eine ruhige Kugel schieben. Gut, auf dem Papier sind 12,2 Sekunden für den Sprint auf 100 und 180 km/h Höchstgeschwindigkeit nicht besonders wild, doch man hat im Alltag nie das Gefühl, untermotorisiert zu sein, es geht immer gut vorwärts, auch am Berg. Unser Testwagen hatte knapp 1000 Kilometer auf der Uhr, als wir ihn abholten, deshalb ist der Durchschnittsverbrauch von knapp unter 6 Litern nicht wirklich aussagekräftig, das dürften noch weniger werden, die 5,2 Liter, die vom Werk genannt werden, scheinen nicht unrealistisch zu sein.

Den neuen Fiesta gibt es mit dem 1,1-Liter-Vierzylinder mit 70 PS ab 14’500 Franken. Unser EcoBoost-Dreizylinder mit Automat ist in der Basis mit 18’000 Franken angeschrieben, als gut ausgestatteter Titanium kommt er auf 20’500 Franken, dazu noch ein paar Extras, was den Preis des Testwagens auf etwas über 23’000 FRanken schraubte. Das erachten wir als sehr fair, denn eben, es ist unterdessen viel Auto, so ein Fiesta, ein Smartphone ist er auch noch, und er fährt sich ganz entspannt. Man macht sicher nichts falsch, wenn man den Ford in seine Auswahl mit einbezieht.

Mehr Ford haben wir in unserem Archiv. Und vom Fiesta kommt dann noch mehr, in anderer Form.

Der Beitrag Test Ford Fiesta erschien zuerst auf radicalmag.