Honda Civic Type R
Beeindruckend. Sehr.
Dann reden wir mal Klartext: es gibt frontgetrieben derzeit sicher nichts Schärferes als den Honda Civic Type R. Das Ding ist derart gut, schnell, böse, dass der 911er-Pilot einen sehr schweren Fuss und ein ganz feines Händchen haben muss, damit er vom Japaner nicht blamiert wird. Der Honda ist trotz 320 PS an der Vorderachse einfach zu fahren, er ist allerliebst handgeschaltet, best ever, er kostet wahrlich nicht die Welt – wir sind wieder einmal so richtig begeistert. Auch recht cool, übrigens: man erkennt den neuen Civic als tatsächlich neu.
Nur gerade zwei Jahre hat es gedauert, bis uns Honda schon wieder einen neuen Type R beschert. Das ist recht einfach erklärbar: der Vorgänger kam sehr spät im Lebenszyklus der neunten Generation Civic, für die aktuelle zehnte Generation war ein Type R von Anfang an geplant, war deshalb schon in der Entwicklung sehr prägend. Was man unter anderem daran erkennt, dass die Type-R-Ingenieure unbedingt eine neue Mehrlenker-Hinterachse haben wollten – die jetzt alle Civic haben dürfen. Mit der komplett neuen Fahrwerkskonfiguration haben die Japaner übrigens eines der wenigen echten Probleme des schon sehr feinen Vorgängers aus der Welt geschafft.
Ach, das Fahrwerk. Tatort Lausitzring, längstmögliche Strecke. Da kommt man also mit etwa 220+ auf dem Tacho ans Ende der Zielgerade, dann doch sehr massiv auf die Bremse, dann ganz eng an der Begrenzung vorbei reinziehen. Und der Civic macht keinen Wank, er lächelt fast, er scheint es zu lieben. Wir lieben, dass er so unglaublich stabil bleibt auf der Bremse, wir schätzen die Präzision der Lenkung, wir wollen den Grip loben, den er mit ganz braven Strassenreifen aufbaut (ja, auch dank elektronischer Hilfe). Gleiches Spiel am Ende der Gegengeraden, wieder grob auf der Bremse, dann ganz eng über den Curb reinziehen, gleich sofort rechts – und kein Problem, er nimmt den groben Schlag in aller Ruhe, ist sofort wieder stabil, das ist wirklich beeindruckend. Klar wimmert er über die Vorderräder, aber da hat man bald Vertrauen, er wird das schon packen. Fahrmodus übrigens am besten: Sport, das ist die Grundeinstellung, und die ist hervorragend. Der «R»-Modus ist hart, künstlich hart, und irgendwie nicht besser. Mit «Comfort» rollt man dann durch die Stadt.
Einen Wert für den Sprint von 0 auf 100 km/h von 5,7 Sekunden schafft heute – auf dem Papier – jedes einigermassen anständig motorisierte Mittelklasse-SUV; erstaunlich, dass sich die Japaner bei diesem Stammtisch-Thema derart zurückhaltend geben, nachprüfen kann (und tut) es ja sowieso kaum noch jemand. Hingegen ist die angegebene Höchstgeschwindigkeit von 272 km/h dann wieder sehr beachtlich; wir konnten es nicht so genau nachprüfen, schafften auf dem Tacho etwas mehr als 260 km/h – und waren erfreut, wie satt der Honda dabei auf der Strasse liegt, wie souverän die riesigen Brembo auch mehrere grobe Bremsmanöver hintereinander verkraften – und, wieder, wie stabil der Type R dabei in seiner Spur bleibt. Das ist dann halt eben schon hohe Schule, da merkt man, dass nicht Marketing-Bubis das Auto entwickelt haben, sondern Ingenieure mit einer hohen Affinität für den Rennsport. Ist ja auch so, manch einer der Jungs aus dem Entwicklungsteam hat viel Erfahrung auf der Nordschleife, die wissen genau, was sie tun. Woran sie noch arbeiten könnten: am Sound. Das ist halt auch wieder einer dieser Staubsauger-Vierzylinder-Turbos, da mögen keine grosse Emotionen entstehen. Doch der After-Market braucht ja noch Spielwiesen. Zumindest optisch ist die Abgasanlage mit ihren drei Endrohren aber ein Hingucker.
Es wurde schon angedeutet: liebevollst manuell. Am Getriebe hätten die Japaner nicht zu fummeln brauchen, es war schon grossartig, doch sie haben es um 7 Prozent kürzer übersetzt, damit die Kraft der 320 PS (bei 6500/min) noch besser zur Geltung kommen kann. Wunderbar kurze Schaltwege, extrem knackig, extrem präzis, extrem gut auf die Leistungscharakteristik des hochdrehenden 2-Liter-Motors abgestimmt, der sein maximales Drehmoment von 400 Nm schon bei 2500/min zur Verfügung stellt. Der Type R lässt sich ganz friedlich bewegen – oder dann halt eben nicht. Man darf die Maschine als kleines Wunderwerk bezeichnen, sie beherrscht sämtliche Tonlagen, und sie beherrscht sie bestens.
Ja, das Design schon des gewöhnlichen Civic ist, hmm, gewöhnungsbedürftig. Als Type R kommt dann noch das pubertäre Element dazu, ein wilder Heckflügel, Spoiler und Winglets allerorten, mittlerweile sind 20-Zöller aufgezogen – und sie wirken nicht zu gross. Man muss das nicht mögen, es ist dick aufgetragen, «fast & furious» – dem optischen Tuning bleibt da kaum mehr Raum, das besorgt sich Honda gleich selber. Wir mögen die Konsequenz, mit der die Japaner das durchziehen, sie haben ihre ganz eigenen Vorstellungen, wie ihre Fahrzeuge aussehen sollen – und irgendwie haben sie auch Erfolg damit, der Civic steht auf dem sechsten Rang der meistverkauften Fahrzeuge aller Zeiten. «mainstream» ist sicher anders, doch es ist zum Glück halt auch nicht die grenzenlose Ödnis eines Golf, das immergleiche Aussehen eines Audi, die gepflegte Langeweile eines BMW – und erst recht nicht das üble Design-Desaster eines gepimten Frontantrieb-Benzen. Ach ja, wir wagen die Behauptung: so ein 45er-AMG jedwelcher Bauart tut trotz Allradantrieb und noch mehr Pferden keinen Stich gegen den Honda.
Es gibt schon auch Dingens, die beim Type R nicht so richtig überzeugen, vor allem: innen. Man würde ihm ein anständiges Lenkrad wünschen, nicht so ein komisches, mit Plastikkleinteilen überfrachtetes. Man würde ihm auch ein sinnvolleres Bediensystem wünschen, der Touchscreen ist zwar gross, aber irgendwie nicht logisch aufgebaut, nur schon die Lautstärkenregelung ist absolut unpraktisch. Überhaupt ist die Gestaltung des Innenraums nicht frei von Widersprüchen, doch das muss anscheinend bei japanischen Automobilen so sein. Grossartig dafür die Sitze. Und fast noch besser: Das Platzangebot. Auch hinten sitzt man gut, der Kofferraum dürfte der grösste im Segment sein, 478 Liter schon im Normalzustand, fast 1600 Liter bei abgeklappten Rücksitzen. Damit dürfte der Honda zu einem der schnellsten Klein-Transporter der Welt werden. Andererseits: Er ist halt schon auch ein mächtiges Auto geworden, 4,56 Meter lang. Für so viel Auto ist ein Gewicht von 1380 Kilo ein sehr guter Wert.
Und dann kommen wir noch zu einem entscheidenden Thema: Geld. In der Schweiz wird der Honda Civic Type R ab September ab 37’300 Franken zu haben sein. Da muss man das Verhältnis von Preis zu Leistung ganz einfach als grossartig bezeichnen, auch deshalb, weil das nicht einfach billige Technik für viel Kraft ist, sondern alles vom Feinsten, auch in Sachen Verarbeitung.
Mehr Honda haben wir in unserem Archiv. Wer den neuen Type R lieber als Video anschaut, dann gerne auf Youtube – wie immer bei uns nur als Stummfilm. Ach ja, man darf sich noch freuen auf ein paar ältere Type R, einen Vorgeschmack gibt es: hier.
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