Fahrbericht Volvo XC60
Mit Sicherheit
Als Notlösung darf man ihn nicht gerade bezeichnen, den XC60, den Volvo 2008 auf den Markt gebracht hatte, obwohl er auf der EUCD-Plattform aufbaute, auf der es sonst keine SUV gab (aber zum Beispiel den Volvo S80 und den Ford Mondeo). Doch die Schweden hatten früh- sowie rechtzeitig erkannt, was der Markt wollte, brauchte – und so wurde der XC60 schnell zum erfolgreichsten Modell der Marke. Und nach dem gelungenen Facelift von 2013 hob der Volvo erst richtig ab, 2016 wurden in der Schweiz 2766 Exemplare verkauft, damit rangierte der Schwede souverän auf dem ersten Platz unter den kompakten Premium-SUV.
Das Ersetzen eines solchen Bestsellers, der auch dank seiner langen Bauzeit reichlich Geld in die Kasse spült, ist immer ein schwieriges Unterfangen. Zumal der neue XC60 ja auch noch neu positioniert wird, quasi eine Stufe höher, sowohl bei den Massen wie auch im Preis. Mit einer Länge von neu 4,69 Metern ist die zweite Generation zwar nur fünf Zentimeter gewachsen (und hat in der Höhe gar fünf Zentimeter abgenommen), doch er sieht schon stattlicher aus, erwachsener auch. Im Vergleich zum mächtigen XC90, der noch einmal 25 Zentimeter länger und 12 Zentimeter höher baut, ist er aber so ein bisschen ein Zwerg. Die Familienähnlichkeit ist aber gross, vielleicht fast ein wenig zu gross, auch wenn der XC60 schon eleganter, noch harmonischer wirkt als sein grosser Bruder. Wir fragen uns in diesem Zusammenhang einfach, wann Volvo endlich aufhört, von skandinavischem Design zu sprechen: was Thomas Ingenlath da abliefert, das ist einfach bestens, cool, stimmig. Punkt.
Doch nicht nur von aussen macht der neue Volvo eine ausgezeichnete Figur (ganz besonders im Vergleich zu seinen härtesten Konkurrenten, dem BMW X3 und dem Audi Q5, die seit gefühlten Jahrzehnten gleich aussehen), auch innen findet sich (wieder im Vergleich zur deutschen Premium-Konkurrenz) eine neue Welt. Zwar kennt man das auch aus den anderen neuen Volvo, die wie der XC60 auf der SPA-Plattform basieren, der grosse Touchscreen, die edlen Materialien, die liebevolle Verarbeitung, doch beim neuen Modell haben sich die Schweden noch einmal selbst übertroffen, das Interieur wirkt noch leichter, filigraner, eleganter. Die Sitzposition ist überraschend tief (und die Sitze sind bequem, auch guter Seitenhalt), dafür sind die Platzverhältnisse grosszügig, für die Reisenden in der zweiten Reihe, ebenfalls. Und 505 Liter Kofferraumvolumen können sich alleweil sehen lassen.
Was uns hingegen nicht so sehr begeistert: Mindestens 1814 Kilo wiegt so ein XC60 (und als Plug-in-Hybrid sind es über 2,1 Tonnen). Das ist dann halt schon etwas gar reichlich, vielleicht sogar: nicht mehr wirklich zeitgemäss. Bei den ersten Testfahrten standen uns der D5 mit 235 PS (max. Drehmoment 480 Nm) sowie der T6 mit 320 PS (max. Drehmoment 400 Nm) zur Verfügung, die beide selbstverständlich kein Problem haben mit den Kilos. Doch Volvo will den XC60 später ja auch noch mit kleineren, sparsameren Dreizylindern bringen, da könnte es dann schwieriger werden. Wir bevorzugen auch im kompakteren SUV den Diesel, er ist einfach souveräner als 2-Liter-Turbo-Benziner, der bei flotterer Fahrweise ein bisschen nervös wirkt, ein wenig zu häufig nach der richtigen Übersetzung sucht im ansonsten seidenfeinen 8-Gang-Automaten. In diesem Zusammenhang: Die Schweden haben verkündet, auf weitere Entwicklungen bei den Selbstzündern zu verzichten. Da hält sich unsere Begeisterung in eher engen Grenzen, auch wenn wir dann wieder als zylinderzählende Dinosaurier bezeichnet werden, so bleiben wir bei der Einschätzung, dass grossvolumigere Motoren besser passen würden zum Charakter der Volvo. Wahrscheinlich muss das aber in Zukunft die Elektrifizierung richten.
Noch bei der Präsentation auf dem Genfer Salon wurde der XC60 als das dynamischere Gerät als der XC90 angepriesen, was allein schon ob des Gewichtes und der Abmessungen eigentlich klar sein dürfte. Bei dem ersten Probefahrten waren wir dann aber einigermassen überrascht, wie weich der XC60 abgestimmt ist, doch mehr noch auf Komfort und souveränes Gleiten ausgerichtet als sein grosser Bruder.; subjektiv gefühlt sind auch die Seitenneigung und die Rollbewegungen grösser. Gut, man kann den Fahrmodus auf «Dynamic» stellen, dann ist das deutlich besser, aber wir wundern uns schon ein bisschen: Sind China und Amerika derart wichtig, dass der Fahrspass auf der Strecke bleiben muss? Einverstanden, es ist dies Jammern auf hohem Niveau, noch vor wenigen Jahren hätte niemand einem SUV ein solches Fahrverhalten zutrauen wollen, doch andererseits schläft die Konkurrenz ja auch nicht. Wir haben grad einen Alfa Romeo Stelvio im Test, und da ist das schon ziemlich anders. Andererseits: Zwar heisst es ja Sport Utility Vehicle, doch die Sportlichkeit wird wohl den wenigsten Kunden wirklich wichtig sein.
Die Schweden haben ihrem jüngsten Kind noch ein paar neue Sicherheits-Features spendiert, bei der «City Safety» und bei der Überwachung des entgegenkommenden Verkehrs gibt es nun unterstützende Lenkeingriffe; wenn das Fahrzeug im Begriff ist, die Strasse zu verlassen, dann ergreift das Gerät selbständig Gegen- und Hilfe-Massnahmen. Das ist selbstverständlich lobenswert, die Schweden kommen ihren Ziel, dass 2020 niemand mehr in einem Volvo um sein Leben fürchten muss, immer näher. Natürlich ist auch wieder semi-autonomes Fahren möglich, da gehört Volvo zusammen mit Tesla schon zu den Spitzenreitern. Ach ja: Die Bowers&Wilkins-HiFi-Anlage ist ebenfalls feinst.
Mit Sicherheit wird der XC60 auch wieder ein Erfolg werden für Volvo; es ist ihnen da ein aussergewöhnliches Fahrzeug gelungen, das in der Summe seiner Qualitäten absolut zu überzeugen weiss. Zwar sind die Preise stattlich, mit mindestens 54’000 Franken (D5) werden die ersten Modelle ab Juni bei den Schweizer Händlern angeschrieben sein (der T8 Plug-in-Hybrid kostet mindestens 77’950 Franken, steht aber in seinem Segment absolut allein…). Das ist jetzt nicht die Schnäppchen-Kategorie, aber die deutschen Konkurrenten sind in der Preisgestaltung ja auch nicht zurückhaltender. Ein Problem sehen wir allerdings schon für den XC60: Bereits Ende Jahr kommt der XC40 auf den Markt. Und vielleicht wird sich manch ein potenzieller Kunde dieses Modell zuerst einmal ansehen wollen.
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