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Supertest 2016-3

Published in radical-mag.com

Bentley Continental GT Convertible V8S

Das mag jetzt auf den ersten Blick nicht so passen, dass «radical» ausgerechnet im Zusammenhang mit dem #supertest2016 und dem Bentley Continental GT Convertible V8S das Bedürfnis verspürt, über Farben zu plaudern. Doch erstens hatten wir schon im vergangenen Jahr so einen Conti im Supertest, siehe: hier, zweitens ist der Engländer sowieso nicht unbedingt das, was wir uns unter einem Sportwagen vorstellen, und drittens war die Lackierung des Bentley schon ziemlich aussergewöhnlich. Wie man auf dem Gruppenbild bestens sehen kann.

Es ist ja so: in den deutschsprachigen Ländern werden rund 30 Prozent der Fahrzeuge in Leasing-Silber oder Ratenzahlungs-Grau abgesetzt, das sehr phantasievolle Schwarz kommt auf 27,3 Prozent – und Flotten-Weiss auch noch auf mehr als einen Fünftel der Verkäufe. Das bedeutet, dass gut 80 Prozent aller Wagen mit Unfarben lackiert ist. Logisch, das hat seine Gründe, vor allem der Wiederverkauf steht da ganz oben, und trotzdem: Es herrscht Tristesse auf unseren Strassen. Und auch deshalb sticht so ein eh schon nicht besonders unauffälliger Bentley noch mehr aus der grauen Suppe heraus.

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Es ist noch schwierig, diese Bentley-Farbe genau zu beschreiben. Denn es kommt auch stark auf den Lichteinfall an. Manchmal ist es mehr im Blau, dann wieder mehr mit einem Grünstich, manchmal schimmert der Bentley nur, manchmal glänzt er ganz hell. Dass der Lackierung besonders viel Liebe angediehen lassen wird, ist ja in Crewe nichts Neues, auch die Auswahl an Farben ist mehr als nur grossartig. Und wem das Angebot noch nicht ausreicht, der kann auch den Fummel der Geliebten oder den Belag der dritten Zähne mitbringen, die Farbmischer werden den richtigen Ton schon finden. Doch prinzipiell muss einfach froh sein, dass es überhaupt noch farbige Autos wie den Bentley gibt; gut, beim #supertest2016 waren die Rot- und Orange-Töne im Vergleich zum Gesamtmarkt stark übervertreten, doch das beschränkt sich halt wirklich auf jenes Segment an Automobilen, die ein anständig gefülltes Portfeuille voraussetzen.

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Menschen, die über ein solches verfügen, können es sich auch ein creme-weisses Leder-Interieur leisten. Ob das jetzt «schön» ist, wissen wir jetzt auch nicht. Doch es ist schon eine feine Sache, so ganz anders als die üblichen Schwarz- oder Schwarzschwarz-Töne in den anderen Konkurrenten. Gut, wenn man zwei Minuten vorher noch durch die Garage gerobbt ist, um einen besonders hübschen Lichteinfall auf die Bentley-Farbe zu erhaschen, dann hat man etwas Hemmungen, sich in den Engländer zu setzen. Dort gibt es auch keine Sitze, sondern Fauteuils. Die meisten Menschen wohnen daheim nicht so schön und mit so viel Platz wie im Bentley. Auch hinten ist reichlich. Man staunt aber, dass es zum Beispiel keinen USB-Anschluss gibt, wie veraltet das Infotainment-System ist, doch wahrscheinlich braucht der Bentley-Kunde solches Zeugs nicht, er hat einen Anlageberater, der sein schon grosses Vermögen noch vermehrt.

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Vermögen braucht man beim Bentley Continental GT Convertible V8S sowieso. So ab etwa 250’000 Euro ist man dabei (wir warten noch auf die Schweizer Preisliste), dafür darf man schon auch ein bisschen Farbe erwarten und trägt auch das feine Stöffchen, das das feine Leder nicht plagt. Für das gleiche Geld kann man sich auch kleine Taxi-Flotte an Camaro leisten, doch die Chevy-Farbpalette ist halt nicht so formidabel wie jene von Bentley. Dass der Camaro dafür schneller ist um den Salzburgring als der Conti, ist dagegen eher ernüchternd. Aber so ist das halt, wenn 528 PS auf gut 2,5 Tonnen Gewicht treffen – da ist man dann halt schnell einmal etwas untermotorisiert. Mit einem Leistungsgewicht von 4,68 kg/PS und 4,82 Metern Länge gehört man aber sowieso nicht auf die Rennstrecke, das ist: das Thema total verfehlt. Der Wendlinger Karl sagt nach seinem Ritt um den Ring dazu sehr schön: «Wenn du in diesem Leben schlimm warst, dann wirst du im nächsten als Bentley-Bremse oder -Reifen wiedergeboren.»

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So fürs Cruising ist der Bentley selbstverständlich fein, auch mit dem 4-Liter-V8 von Audi. Die doppelt zwangsbeatmete Maschine säuselt angenehm vor sich hin, hat alleweil fröhlich Kraft (680 Nm maximales Drehmoment schon ab 1700/min), welche die sehr sanft schaltende 8-Gang-Automatik sauber auf die vier angetriebenen Räder verteilt. Dort draussen im normalen Leben herrscht in diesem Wagen wahrlich kein Mangel, an gar nichts, ausser vielleicht: an Freude am Fahren. Der V8S ist nicht nur auf dem Papier sparsamer als der W12, sondern sicher auch im richtigen Leben: weil eh nichts Aufregendes geschieht, ganz besonders akkustisch nicht, wird man die Pferdchen nicht fordern, sondern einfach friedlich einhergleiten, den Schweinsgalopp den anderen überlassen, dafür aber schon die nächste Shopping-Tour planen. Oder darüber nachdenken, wo man das Vieh am besten parkiert, damit auch alle mitbekommen, dass man mächtig Kohle hat.

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Es ist halt so: der Conti hat auch mit dem neuen Motor seine besten Zeiten hinter sich. Es gibt ihn seit 2003 quasi unverändert auf Basis des einstigen VW Phaeton, und irgendwie mutet er ein bisschen wie ein Dinosaurier an, zu gross, zu auffällig, zu schwer, zu teuer. Es muss bald einmal etwas geschehen in Crewe, so ein Q7-Klon namens Bentayga mag vielleicht ein bisschen arabischen Frühling in die Unternehmenskasse bringen, doch ein Diesel-SUV ist ja der Kern dieser britischen Marke nun wirklich nicht.

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Mehr britische Fahrzeuge haben wir im Archiv. Und vom Supertest gibt es bisher:
die Einleitung.
den Camaro.

Der Beitrag Supertest 2016-3 erschien zuerst auf radicalmag.