Fahrbericht Porsche Panamera
Charakterfragen
Selbstverständlich ist der Susten-Pass nicht das bevorzugte Geläuf für einen Porsche Panamera; dort ist man sicher fröhlicher mit einem Cayman oder Boxster. Aber wenn man den Berg vor der Tür hat und nicht die deutsche Autobahn, dann nimmt man halt sowohl Passstrasse wie auch den 550-PS-Turbo in Kauf. Und muss, will danach anerkennen: er kann das auch, der über 5 Meter lange Porsche. Er kann das sogar richtig gut, was teilweise auch seinen highly sophisticated Hilfssystemen geschuldet ist, aber auch einer wirklich hervorragenden Auslegung des Fahrwerks. Da muss man Porsche einfach immer wieder loben: auch wenn sie natürlich wissen, was sich mit den elektronischen Assistenten alles aus einem Fahrzeug herausholen lässt – sie machen trotzdem (und im Gegensatz zu den meisten Konkurrenten) immer noch und mit unerbitterlicher Konsequenz ihre Hausaufgaben.
Und so staunten wir dann etwa bergab, die Strasse nass, die Kurve eng. Und dann kommst Du etwas gar flott, bist deshalb ganz kurz vor dem Regelbereich des ABS, es liegen quasi die ganzen zwei Tonnen des Panamera auf der Vorderachse – und dann zieht er trotzdem wunderbar in und durch die Kurve. Ohne, dass der Pilot deshalb ins Schwitzen kommen müsste; ok, vielleicht ein bisschen, man mag ja so einen Wagen mit einem Grundpreis von 186’700 Franken nicht dringend kaltverformt in diesen Steinmäucherchen parken, welche die Passstrasse säumen. Aber er macht das halt so richtig, richtig gut, der Panamera – und auch den Berg hoch, Sport plus, Spitzkehre, zweiter Gang (von acht…), er kommt hinten schönst, mit Ankündigung, und wenn man dann die Eier hat, auf Zug zu bleiben, dann bleibt die Bewegung flüssig, geschmeidig. Was wir in dieser Form noch selten so erlebt haben. Die Bremsen sind selbstverständlich auf höchstem Niveau, eigentlich überdimensioniert für den Alltag, auch die flotte Fahrt bergab quittierten sie mit einem Lächeln.
Trotzdem: wir müssen Porsche da schon ein wenig widersprechen. Der Sportwagen unter den Luxus-Limousinen ist der Panamera auch als Turbo nicht. Ein Sportwagen ist einfach keine zwei Tonnen schwer und über 5 Meter lang und 1,94 Meter breit. Gut, dann müssten wir auch den grossen Ferrari aus der Sportwagen-Wertung nehmen, der ist noch breiter und leider auch fast gleich schwer, doch der GTC4 Lusso ist ja auch ein ganz besonderes Kapitel im Ferrari-Programm – und so etwas wie der einzige Konkurrent für den Panamera, zumindest für den Turbo (ganz besonders, wenn der dann als Kombi kommt – Genf 2017?). Doch auch wenn Panamera und GTC4 Lusso am Berg durchaus Qualitäten haben – ihre Spielwiese ist das nicht wirklich. Doch da sind wir Schweizer vielleicht auch etwas eigen in der Beurteilung sowie unserem Verhältnis zu den Bergstrassen. Und ja, wir wissen um die Hinterradlenkung; sie macht den Stuttgarter sicher agiler, wendiger, aber flink wie der Hase wird er deshalb nicht.
Sie haben ihn schön gemacht, die Porsche-Designer. Seine bisherige optische Schwäche, das Heck, ist nun seine Schokoladenseite; man schaut ihn kaum noch von vorne an, den Panamera. Gut, es ist einfacher, ein über 5 Meter langes Fahrzeug zu gestalten als einen Kleinwagen, es bleibt mehr Spielraum für Eleganz, doch man muss das schon auch noch sauber hinkriegen, dass die Formen harmonisch wirken. Ja, man kann den 911er-Heckschwung durchaus sehen, wenn man denn will, doch uns gefallen die Retro-Zitate innen eigentlich besser. Da ist der Panamera wieder viel mehr Porsche als bei seinem Vorgänger, und das tut ihm gut. Der Arbeitsplatz ist eine Wucht, perfekt auf den Selbstfahrer zugeschnitten, die Sitzposition drei Zentimeter tiefer und folglich endlich wieder da, wie das sein muss bei einem Produkt aus Stuttgart (die dortige Nutzfahrzeug-Abteilung hat da ja andere Prioritäten). Was man sich vielleicht fragen könnte: braucht es wirklich noch all die Knöpfchen und Schalterchen, wenn es ja diesen grossen Touchscreen gibt? Aber Porsche denkt da etwas konservativer – und die Kundschaft wohl auch. Das Gestühl: bestens. Hinten sitzt man auch gut, aber weiterhin etwas im Dunkeln. Die 500 Liter Kofferraumvolumen sind gut nutzbar, und wenn man ihn zum Zweiplätzer macht, dann sind es satte 1300 Liter; da geht sich auch das sehr lange Wochenende gut aus.
Gefahren sind wir vorerst nur den Turbo. Also mit dem neuen 4-Liter-V8 und doppelter Zwangsbeatmung, 550 PS, 770 Nm maximales Drehmoment zwischen 1960 und 4500/min. Von 0 auf 100 in 3,8 Sekunden. Über 300 km/h Höchstgeschwindigkeit. Die Maschine hat TwinScroll-Turbinen im Einsatz, die Abgasströme werden bis zum Turbinenrad getrennt geführt – für einen optimierten Ladungswechsel und ein hohes Drehmoment bereits bei niedrigen Drehzahlen, wie Porsche das erklärt. Was man spürt: kein Turboloch, eigentlich immer die volle Sause. Aber mehr Kraft ist nur dann sinnvoll, wenn man weiss, wohin damit. Und zwar schnell – und effektiv. Deshalb verfügt der neue Panamera über ein neu entwickeltes 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe (PDK), das die enorme Kraft der Motoren quasi ohne Zugkraftsunterbrechung in Vortrieb umsetzt – sorry, dass wir da jetzt etwas schwärmerisch werden, aber das ist einfach nur grossartig. Quasi ruckfrei. Und beim Anbremsen vor der Kurve nimmt es halt auch einmal drei Gänge auf einmal, lächelnd, souverän. Ja, Allradantrieb auch noch, er bringt seine urige Kraft problemlos auf den Boden – und Einflüsse auf die Lenkung spürt man eigentlich keine.
Ebenfalls lobend erwähnt sei die Fahrwerksabstimmung. Die Sportlichkeit wurde ja schon erklärt, aber wenn man dann so rollt (nach den Bergen kommen in der Schweiz ja meistens Seen mit schönen Küstenstrassen), in aller Ruhe, im Modus Komfort, dann bietet der Panamera diesen auch. Er ist dann auch sehr ruhig, sehr angenehm, es ist dank Luftfederung mehr ein Schweben. Auch den V8 hört man dann kaum mehr – das Wissen, dass er auch ganz anders kann, Sport plus, grosse Klappe und dann ein Röcheln und Blubbern wie in einem klassischen US-V8, macht diese Ruhe fast etwas unheimlich. Aber diese Spreizungen des Charakters, welche die Elektronik heute möglich macht, sind ja nicht uninteressant; wer es straight & dirty will, der muss sich einen Oldtimer kaufen.
Der Porsche Panamera ist als Turbo ein Vergnügen mit einem hohen Preis, mit etwas Ausrüstung wird er die Marke von 200’000 Franken locker überschreiten. Auch das Einstiegsmodell, der 4S mit seinen bescheidenen 440 PS, ist schon mit 138’000 Franken angeschrieben. Da darf man in Sachen Qualität, Materialien und Verarbeitung schon so einiges erwarten – und wir konnten bei dieser ersten Probefahrt nichts finden, was zu Kritik Anlass geben könnte. Die Perfektion ist so hoch, dass sie fast schon ein bisschen steril wirkt, aber das ist selbstverständlich eine sehr subjektive Empfindung. Am Ende des Tages ist der neue Panamera tatsächlich ein Alleskönner, einen bösen 911er braucht man eigentlich nur noch für die Rennstrecke.
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